„Wo soll das hin…?“ – Das Schweizer Atomendlager

Auch für die schwach und mittelradioaktiven Abfälle in den Fässern muss ein Endlager gefunden werden. Auch für die schwach und mittelradioaktiven Abfälle in den Fässern muss ein Endlager gefunden werden.

Das geologische Tiefenlager für den Millionen Jahre strahlenden Atommüll soll in der Nordschweiz entstehen.

In Atomkraftwerken, Medizin, Industrie und Forschung entstehen radioaktive Abfälle. Weltweit müssen sich Staaten mit der Frage befassen, wohin mit dem giftigsten Müll der Menschheit. Wer radioaktiven Abfall verursacht, ist in der Schweiz per Gesetz für seine sichere Entsorgung verantwortlich. Um die Entsorgung in der Schweiz zu realisieren, wurde die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) im Jahr 1972 von den Entsorgungspflichtigen gegründet. Dazu gehören die Kernkraftwerkbetreiber selbst sowie der Bund, der für die radioaktiven Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung zuständig ist. Auch die Kosten für die Entsorgung muss der Verursacher übernehmen. Laut Atomenergie-Branche wurden die Kosten für eine vollständige Entsorgung der nuklearen Abfälle in den Preis des Atomstroms mit einberechnet. Rund 1 Rappen pro Kilowattstunde wird für die Entsorgungskosten von den Kernkraftwerksbetreibern zurückgestellt. 

Das Kompetenzzentrum für radioaktiven Müll 

Bei der Nagra handelt es sich um ein technisch-wissenschaftliches Kompetenzzentrum, welches jeweils ein Felslabor im Grimselmassiv sowie im jurassischen Mont Terri leitet. Dort werden unter anderem die Forschungsarbeiten an der favorisierten Gesteinsart Opalinuston durchgeführt. 2006 bestätigte der Bundesrat, dass alle Arten von radioaktiven Abfällen in einem sogenannten geologischen Tiefenlager in der Schweiz technisch sicher und dauerhaft entsorgt werden können. Die Nagra ist neben der Forschung an den Gesteinsarten auch für die Probebohrungen an den möglichen Standorten sowie den Bau und Unterhalt des Endlagers zuständig. Bei der Suche nach dem bestgeeigneten Standort für ein Endlager sollen die Öffentlichkeit und alle Interessenvertreter zwar mit einbezogen werden, die Sicherheit hat bei der Standortwahl jedoch oberste Priorität. Im November 2018 hat der der Bundesrat entschieden, dass die Nagra die drei Standortgebiete Jura Ost (Aargau), Nördlich Lägern (Zürich und Aargau) und Zürich Nordost (Zürich und Thurgau) abschliessend untersuchen soll. Hier lassen sich die tonigen Gesteinsschichten finden, die eine geringe Durchlässigkeit aufweisen, geologisch stabil und ausreichend dick sowie ausreichend tief gelegen sind. Mit diesen Eigenschaften gelten sie als am besten geeignet für ein geologisches Tiefenlager. 
Alle drei Standortgebiete eignen sich sowohl für ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll als auch für schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Ebenso aber wird ein Kombilager der beiden Lagertypen an einem gemeinsamen Standort in Betracht gezogen. Bis zirka 2022 soll anhand eines Sachplans ein Standort für ein geologisches Tiefenlager bestimmt werden. Nachfolgende Konflikte sind vorprogrammiert: Es wird wohl nur wenige Menschen in der Bevölkerung geben, die den hochgiftigen Müll in der unterirdischen Nachbarschaft haben wollen. Ungeklärt sind auch die negativen Auswirkungen auf die Bevölkerung, sei es im sozialen oder wirtschaftlichen Bereich. 

 
Das optimale Wirtsgestein für ein Endlager des hochradioaktiven Abfalls in der Schweiz ist Opalinuston. Dieser ist vor 180 Millionen Jahren entstanden und gilt als geologisch stabil. Das beweisen perfekt erhaltenen Fossilien und Einschlüsse von Meerwasser. Ausserdem ist das Gestein wasserundurchlässig und selbstabdichtend. Opalinuston ist in der Nordschweiz weit verbreitet und kommt dort in ausreichender Tiefe vor. Für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle eignen sich ebenfalls Brauner Dogger, die Effinger Schichten und die Mergel-Formationen des Helvetikums. Diese befinden sich in den Gesteinsschichten aus Tonmergelablagerungen des Jurameers. Diese Gesteinsarten sollen sicherstellen, dass der Atommüll während des Abklingens seiner Radioaktivität sicher eingeschlossen bleibt. 

  

Das Zwilag 

Bis ein geologisches Tiefenlager für hochradioaktive Abfälle in Betrieb ist, werden die ausgedienten Brennstäbe im Zwilag, dem zentralen Zwischenlager in Würenlingen gelagert. Es liegt im näheren Umkreis zu drei der fünf Schweizer Atomkraftwerke. Das in vierjähriger Bauzeit entstandene Zwischenlager ist seit 2001 in Betrieb, die Baukosten betrugen 500 Millionen Franken. Die hochradioaktiven Abfälle werden in spezielle Transport- und Lagerbehälter aus Stahl verpackt. Diese Behälter sollen grossen Belastungen, wie beispielsweise Flugzeugabstürze, Erdbeben oder Bränden standhalten können. Experten gehen davon aus, dass ab 2060 mit der Einlagerung des Atommülls in das geologische Tiefenlager begonnen werde kann. Auch wenn schliesslich ein Endlager gefunden und in Betrieb genommen ist, wird das Zwilag – bei fortlaufender Nutzung der Atomenergie - von Nöten bleiben: Denn bevor die verbrauchten Brennelemente unter die Erde können, müssen sie einen mehrstufigen Entsorgungsprozess durchlaufen. Dabei werden sie unter anderem inventarisiert, verarbeitet und für die Tiefenlagerung vorbereitet. Währenddessen kühlt der hoch radioaktive Abfall weiter ab. Neben den radioaktiven Abfällen aus den AKWs werden auch die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung professionell im Zwilag verarbeitet und gelagert. Weltweit einzigartig ist der Plasmaofen des Zwilags. Der nur leicht radioaktive Abfall wird dort bei hohen Temperaturen zersetzt, aufgeschmolzen und in Glasmasse eingegossen. Seine Strahlungsintensität wird dadurch nicht verringert, aber das Volumen der Abfälle wird kleiner und ihre Endlagerfähigkeit verbessert.  

Wie soll ein geologisches Tiefenlager dann einmal funktionieren? 

Neben dem Tiefenlager in der Erde braucht ein Atommüllendlager auch eine Oberflächenanlage. Diese besteht aus einer Verpackungsanlage, einem Administrationsgebäude mit Besucherzentrum, weiteren Gebäuden für den Betrieb sowie dem Zugangstunnel zu den unterirdischen Stollen. Der Bau dieser Oberflächenanlage ist in vielen verschiedenen Umgebungen möglich; im Wald, in einer Kiesgrube, aber auch in Industrieanlagen, am Hang oder in der offenen Landschaft. Ihr Platzbedarf beträgt 200 mal 400 Meter.  
Wenn das Endlager in Betrieb ist, sind etwa alle zwei Monate Transporte aus dem Zwilag geplant. In der Verpackungsanlage erfolgt im ersten Schritt eine Umlagerung vom Zug auf das Gelände. Dann werden die Brennelemente sowie der verglaste radioaktive Müll in dickwandige Lagerbehälter aus Stahl eingeschweisst. Im zweiten Schritt werden die Stahlbehälter in zirka 600m Tiefe verbracht.  
Nach der Einlagerungssphase werden die Stollen und Zugangstunnel gefüllt und verschlossen, und die Überwachungsphase beginnt. Diese kann mehrere Jahrzehnte dauern. Mit den Auswertungen des Pilotlagers sollen die Sicherheitsbarrieren überwacht und ihre Wirksamkeit sichergestellt werden. 
Nachfolgende Generationen können dann entscheiden, diese Phase der Überwachung fortzuführen oder den endgültigen Verschluss des Tiefenlagers vorzunehmen. Ausserdem soll es möglich sein, mit ferngesteuerten, schienengeführten Spezialmaschinen den Atommüll zurückzuholen. Das System soll mit technischen (namentlich mit dickwandigen Stahlbehältern sowie der Stollenverdichtung aus abgedichtetem Tonmaterial) und natürlichen Barrieren (einer stabilen Geologie) dafür sorgen, dass die Radioaktivität nicht in die Umwelt gelangen kann.  
Ein Lager für den schwach- und mittelradioaktiven Müll ist vergleichbar mit dem geologischen Tiefenlager des hochradioaktiven Mülls. Es bedarf jedoch keiner Verpackungsanlage für die Brennstäbe, deswegen fällt auch der Platzbedarf der Oberflächenanlagen geringer aus (150 mal 350 Meter). Die Fässer mit dem Atomüll sollen in vorgefertigte Lagercontainer überführt und diese mit Beton und Zementmörtel ausgegossen werden. Die Lagerkavernen, die sich in zirka 400 Meter Tiefe befinden, sollen etappenweise mit einem speziellen Mörtel gefüllt und verschlossen werden. Ein Pilotlager und ein Felslabor sollen zusätzlich die Sicherheit überwachen. 

 

 



 

Quellen und weitere Informationen:  
Nagra: Geologische Tiefenlager
Nagra: Die drei Standortgebiete
Nagra Blog: Felslabor Grimsel
Kernenergie: Die Schweizer Kernkraftwerke

 
 

 

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