Weder Tier noch Pflanze - Willkommen im Reich der Pilze

22 Sep 2020
Kaum zu glauben: Ein Verwandter dieses Hallimasch gilt als grösster Organismus auf der Erde. Kaum zu glauben: Ein Verwandter dieses Hallimasch gilt als grösster Organismus auf der Erde.

Pilze gelten als Meister bei der Entsorgung von organischem Material und sind wichtige Helfer beim Wachstum der Bäume – und überhaupt bei 90% der Vegetation. Sie sind weder Tiere noch Pflanzen, können aber fast alles.


Pilze überleben in klirrender Kälte oder in heissen Wüsten. 
Sie können als Einzeller leben oder den grössten lebenden Organismus bilden. 
Sie liefern wichtige medizinische Wirkstoffe, aber sie können uns auch berauschen oder krank machen. 
Sie liefern uns kulinarische Köstlichkeiten oder können uns tödlich vergiften.  
Sie umgeben uns fast immer, zeigen sich aber meist nur bei einem Waldspaziergang. 
In der Zukunft sollen Pilze Böden reinigen, Designerstoffe herstellen und das Nahrungsproblem lösen. 

Denn Pilze sind viel mehr als die uns bekannten Fruchtkörper in Form des Fliegenpilzes oder Champignon. Unter der Erde findet im Verborgenen der Grossteil des Pilzleben statt. Dort sind sie als unübersichtliches Fadengewirr anzutreffen, dem Myzel. Dieses besteht aus Hyphen. Diese fadenförmigen Strukturen unterwandern unsere Erde und ernähren den Pilz mit Mineralien und organischen Stoffen. Den kompakten Fruchtkörper bildet der Pilz nur zur Fortpflanzung. Jede Art hat dabei ihre ganz eigene Architektur. Die am häufigsten genutzte Bauweise: Stil mit Hut oder Schirm. Doch egal, wie es ausschaut, es dient zum Schutz des kostbaren Erbguts. Dieses tritt bei passender Gelegenheit mit dem Wind, an Insektenbeinen oder in Wildschweinmägen seine Verbreitung an. Bis dahin reifen die mikroskopisch kleinen Sporen mit der DNA in den Poren oder Lamellen des Fruchtkörpers und sind dort gut geschützt vor Unwettern oder herabfallendem Laub.  

Nützliche Helfer

Pilze haben schon in der Urzeit das Gesicht unserer Erde geprägt. Nur mithilfe der Pilze konnten die Pflanzen die Landflächen unseres Planeten so rasch erobern. Mit ihren im Verborgenen gesponnenen Fäden haben sie beim mächtigen Siegeszug der Wälder kräftig mitgeholfen. Das Geheimnis der Pilze liegt in ihrer Kooperationsfähigkeit. Der Hauptakteur dabei ist der Pilzwurzelverbund namens Mykorrhiza. Dessen Hyphen umschlingen die Baumwurzeln und dringen in diese ein. Dort drängen sie sich weiter in die Zwischenräume der Pflanzenzellen, wo ein faszinierender Stoffaustausch stattfindet. Der Pilz liefert der Pflanze Wasser und wertvolle Mineralstoffe und bekommt im Gegenzug energiereichen Zucker, den die Pflanze mithilfe der Fotosynthese produziert.  
Eine ganz besondere Lebensform sind Flechten. Sie bestehen aus 90% Pilz und 10% Algen. Sie haben das unterirdische Leben aufgegeben und können selbst in extremen Bedingungen überleben. Die Hyphen geben dem Organismus die Form und die Festigkeit, ausserdem sind sie auch hier für die Wasseraufnahme zuständig. Die einzelligen Grünalgen sorgen wiederum für die Energiebereitstellung mithilfe der Fotosynthese. 

Nützliche Zerstörer 

Pilze sind aber auch für ihre zerstörerische Wirkung bekannt. Sie befallen unsere Lebensmittel und machen auch vor ihren eigenen Verwandten nicht halt. Sie wollen an das organische Material, denn im Gegensatz zu den Pflanzen können sie keine Fotosynthese betreiben. Besonders beeindruckend ist ihre Entsorgung von toten Bäumen. Holz zu verwerten ist Schwerstarbeit; sie beschäftigt mehrere Pilzgenerationen über Jahrzehnte. Doch die die Pilze sind Spezialisten im Abbau des harten Lignins oder der schwer zu verdauenden Cellulose. Sie machen damit den Weg frei für neues Leben. Pilze leben also nicht nur im Wald, sie pflegen ihn auch. 

Ein grosses und vielgestaltiges Reich 

Das Reich der Pilze ist riesig. Neben den einzelligen Hefen gehört auch der grösste Organismus zu den Fungi. Im Nationalwald vom US-Bundesstaat Oregon befällt ein Hallimasch kranke und alte Bäume. Er tut das wohl seit rund 2000 Jahren. Die Forscher können sich nicht nur anhand des genetischen Fingerabdruckes sicher sein, dass es sich bei dem Pilz um einen einzigen Organismus handelt, denn die untersuchten Hyphen des 3mal3 km2 grossen, von dem Pilz bewohnten Gebiets wuchsen bei den Untersuchungen quer übereinander. Würde es sich um verschiedene Pilzindividuen handeln, würden sich die Hyphen gegenseitig abgrenzen. Die über eine Fläche von 9km2 sich ausdehnenden Hyphen hätten - in einen Fruchtkörper verpackt - wohl ein Gewicht von 6000 Tonnen. Ein Blauwal, das grösste Tier auf der Erde, wiegt gerade einmal ein Viertel dieses Pilzes. 

Pilze sind eine ganz eigene, faszinierende Lebensform. Jede Art verfügt wiederum über ihre eigenen Strategien, um zu zu überleben. Vieles ist noch nicht erforscht. Wie viele unterschiedliche Arten es auf der Erde tatsächlich gibt, weiss niemand. Welche wichtige Rolle die uns bekannten Pilze für das gesamte Ökosystem innehaben, zeigt sich an ihrer Vorliebe, organische Stoffe zersetzen und dem Lebenskreislauf zurückzuführen. In Zukunft sollen sie auch helfen, das Nahrungsproblem zu lösen. Pilze sind kostengünstig anzubauen, sie wachsen selbst auf Abfallprodukten, verursachen weniger CO2-Emissionen als die Fleischproduktion und sind dabei hochwertige Proteinlieferanten. In Entwicklung befinden sich zudem biologisch abbaubare Pilz-Produkte, die schon bald Leder oder Plastik ersetzen könnten, sowie Pilze, die industriell verseuchte Böden reinigen sollen. 
 
 
 

Quellen und weitere Informationen: 
SWR: Die Zukunft mit Pilzen
SRF: Hallimasch ist das grösste Lebewesen

  

 

 

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