Lieber heute aktiv anstatt morgen radioaktiv

Der Protest in Gorleben war erfolgreich. Der Protest in Gorleben war erfolgreich.

Wenn die Anti-Atom-Bewegung Aufschwung bekam, dann war dies nach den Katastrophen wie im US-amerikanischen Three Miles Island im Jahr 1979, nach dem Super-Gau im ukrainischen Tschernobyl 1986 oder nach dem Unglück im japanischen Fukushima 2011.

 

Bei der Anti-Atomkraft-Bewegung treffen bürgerliche und radikale Meinungen aufeinander. Was hat die Bewegung erreicht? Es sind wohl vor allem viele unsichtbare Erfolge. In der Schweiz wurden statt 10 geplanter lediglich 5 AKWs gebaut. In Deutschland statt den geplanten 80 nur 20. Bereits nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl gewann in Deutschland die Forderung nach einem sofortigen Ausstieg aus der Nuklearenergie an Schwung. 2011 wurde schliesslich der Ausstieg aus der Kernkraft bis 2022 beschlossen. In Frankreich, wo die ersten europäischen Grossdemos stattfanden, scheint die Bewegung hingegen keinen grossen Einfluss gehabt zu haben. 

Die internationalen Ursprünge der Anti-AKW-Proteste 

Die frühesten Anti-Nuklear-Bewegungen starteten in den USA. Dort wurde zunächst gegen Nuklearwaffentests protestiert. Das erweiterte sich zum Protest gegen die zivile Nutzung, als geplant wurde, den Panama-Kanal mithilfe Nuklearwaffen zu sprengen. Die Gegnerschaft einer zivilen Nutzung der Atomkraft war zunächst nicht primär von Angst motiviert. Es ging ihr vielmehr um Aufklärung und die Bereitstellung adäquater Informationen für die Bevölkerung. Doch schon in den späten 60er Jahren zeigten Versuche, dass das Notfallkühlsystem der AKWs bei schweren Störfällen nicht mehr funktionierte. Die Menschen gewahrten zum ersten Mal die reale Möglichkeit, dass eine Katastrophe mit ähnlichen Auswirkungen einer Atombombenexplosion in ihrer Nachbarschaft stattfinden könnte.  

Die ersten Grossdemos in Europa fanden wie gesagt in Frankreich statt. Am 12. April 1971 demonstrierten im Elsass Atomgegner gegen den geplanten Bau des AKW Fessenheim. Dieses wurde trotz der Proteste gebaut, auf der gegenüberliegenden Rheinseite konnten die deutschen Demonstranten aber im Jahr 1975 den Bau des AKW Wyhl erfolgreich stoppen. In Fessenheim setzte sich der Protest bis zur diesjährigen endgültigen Stilllegung und darüber hinaus fort. An Stelle des ältesten und anfälligsten AKWs in Frankreich soll nun ein Kompetenzzentrum für radioaktiven Müll entstehen. 

Im Juli 1971 trafen sich 15.000 Demonstranten in Bugey an der Rhône, im September desselben Jahres fanden sich in Strassbourg 50 Vertreter der Anti-Kernkraft-Initiativen verschiedener Länder zusammen. Die erste Anti-Nuklear-Internationale war geboren. Der Protest in Frankreich wurde Ende der 70er Jahren weniger. Ein Grund dafür war wohl unter anderem das militärische Vorgehen gegen die Demonstranten, das zur Demoralisierung der Protestbewegung beitrug.  
Das AKW Bugey bleibt gleichwohl bis heute ein Ort des Protestes: Im Mai 2012 gelangte ein Greenpeace-Aktivist mit einem Motor-Gleitschirm in den Hochsicherheitsbereich des Kraftwerks und warf Rauchbomben ab. 2018 gelangten die Aktivisten mit einer als Superman getarnten Drohne in den Luftschutzraum und liessen sie an den Wänden des Abkühlbeckens zerschellen. Die Aktionen sollten darauf aufmerksam machen, dass das Gelände sehr leicht zugänglich und nicht ausreichend gegen eine potenzielle Gefährdung aus der Luft gesichert ist. 

In Deutschland entstand 1972 die Bürgerinitive Umweltschutz Lüchow Danneberg, um dort ebenfalls gegen ein geplantes AKW zu demonstrieren. Als 1977 bekannt wurde, dass in Gorleben in Niedersachen das deutsche Endlager für Atommüll entstehen sollte, gewann die Bewegung an Kraft. Die drei bevorzugten Mittel des Protestes waren Öffentlichkeitsarbeit, gerichtliche Klagen und Widerstand auf der Strasse. Die Besetzung des Bohrplatzes und das Anti-Atom-Dorf „Freies Wendland“ konnten zwar die Errichtung eines Zwischenlagers nicht verhindern, jedoch schafften es die Demonstranten, dass seither deutschlandweit nach einem passenden Endlager gesucht wird.  

Die Anti-AKW-Bewegung in der Schweiz 

In der Schweiz machten bis Ende der 1960er Jahre keine Gegner der zivilen Nutzung der Atomenergie öffentlich auf sich aufmerksam. Man war sich einig, dass die friedliche Nutzung der Atomenergie sehr positiv zu bewerten sei. Sogar die Naturschutzverbände sahen darin eine grosse Chance. Die erste Region, in der sich schliesslich doch Protest regte, war Basel. Die erste regionale Anti-AKW- Organisation der Schweiz, die NAK, protestierte gegen das Atomkraftwerk Kaiseraugst. Die Gegner erkannten ein Problem vor allem in der weltweit einmaligen Häufung von Kernkraftwerken im Raum des dicht besiedelten Dreiländerecks. Ein weiterer Kritikpunkt war die Gefahr der Gewässererwärmung, die durch die Flusswasserkühlung zu erwarten war. Darüber hinaus wiesen die Demonstranten auf die Strahlengefahr und die ungeklärte Entsorgung der radioaktiven Abfälle hin. Im April 1975 besetzten sie den Bauplatz. An der Grosskundgebung nahmen 15.000 Menschen teil.
Die Besetzung hatte verschiedene, teils widersprüchliche Auswirkungen auf die weiteren Entwicklungen. Durch die Aktion in Kaiseraugst wurde aus dem lokalen Widerstand eine nationale Bewegung, doch sie führte auch zur offiziellen Spaltung der Bewegung in ein gemässigtes und ein radikales Lager. 

1977 fand sich die schweizerische Anti-AKW-Bewegung zur letzten „Einheitsaktion“ zusammen. Am Pfingstmarsch gegen das AKW Gösgen marschierten an drei Tagen zwischen 3000 und 7000 Personen mit, zur Schlusskundgebung versammelten sich 12.000 Menschen. Im Jahre 1981 brachte es eine weitere grosse Demonstration auf 20.000 Teilnehmer, nachdem der Bundesrat dem Projekt AKW Kaiseraugst die Rahmenbewilligung erteilt hatte. Der Bau des Atomkraftwerks Kaiseraugst und vier weiterer geplanter Kraftwerke konnte verhindert werden. Während der 80er Jahre nahmen Aktionen und Kundgebungen gleichwohl stetig ab, bis das Reaktorunglück in Tschernobyl die Kernkraftgegner wieder mobilisierte. Es entstanden zwei neue Initiativen: „Für den Ausstieg aus der Atomenergie“ und „Stopp dem Atomkraftwerkbau (Moratorium)“. Letztere wurde am 23.September 1990 mit 54.5% Ja-Stimmen und 19,5 Ständen angenommen. Der Bau weiterer Atomkraftwerke in der Schweiz war vorläufig gestoppt. 

Der Protest war damit aber noch lange nicht zu Ende. Auf den nächsten Gau sollten wir uns auch unbedingt einstellen: Die Katastrophen von Fukushima und Tschernobyl können sich in ähnlicher oder auch ganz unerwarteter Form jederzeit wiederholen. Ungelöst ist ausserdem weiterhin die Endlagerproblematik, und auch die noch immer in ganz Europa stationierten Atomwaffen sollten nicht sang- und klanglos aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden. 
 

 

 

Quellen und weitere Informationen:  
DLF Nova: Atomkraft- Entusiastisch und naiv gestartet
Uni Bern: Anti-AKW-Bewegungin der Schweiz
Greenpeace: Superman fliegt in AKW Bugey

  

 
 
  

 

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