Umweltforschung ist nicht nur ein wissenschaftliches oder technisches Themengebiet. Seit einigen Jahren werden auch vermehrt Ressourcen in ihre sozialen, politischen und wirtschaftlichen Aspekte investiert. Dabei konnte festgestellt werden, dass Umweltprobleme nicht geschlechtsneutral sind. Frauen bekommen aufgrund ihrer immer noch zentralen Rolle im Haushalt die Gesundheits- und Umweltverantwortung übertragen und sind auch ausserhalb davon überproportional vom Klimawandel betroffen. Gleichzeitig verfügen sie meist nicht über die Gestaltungsmacht, um an den bestehenden Verhältnissen im grösseren Kontext etwas zu ändern. Dies hat tiefgreifende Auswirkungen auf die soziale Gerechtigkeit und die Gleichstellung der Geschlechter - vor allem im globalen Süden. Verschiedene Lebensbereiche sind davon unterschiedlich betroffen:
Wasser
In vielen Entwicklungsländern sind Frauen für die Beschaffung und den Transport von Wasser zuständig. Um ihren Haushalt mit Wasser zu versorgen, müssen Frauen oft weite Strecken zurücklegen und schwere Lasten tragen. In Ostafrika beispielsweise geben Frauen bis zu 27% ihrer Kalorienaufnahme für das Sammeln von Wasser aus.
Wasserknappheit, starke Regenfälle und häufigere Überschwemmungen führen zu zusätzlichen Belastungen für Frauen: Sie müssen mehr Zeit damit verbringen, Wasser zu sammeln, ihre Häuser nach Überschwemmungen zu reinigen und zu warten und sich um ihre Familien zu kümmern. Vor allem jungen Mädchen fehlt durch die zusätzliche Arbeit die Zeit und der Zugang zu Bildung, was die Ungleichheit noch weiter zementiert.
Extremwetter
Der menschgemachte Klimawandel führt ganz insgesamt dazu, dass es immer häufigere und stärkere Extremwetterereignisse gibt. Von diesen ist die gesamte Menschheit betroffen. Jedoch zeigte sich in der Vergangenheit, dass vor allem Frauen Opfer von Naturkatastrophen werden. Beispielsweise starben durch den Tsunami in Südostasien 2004 rund viermal so viele Frauen wie Männer. Während Mädchen nie die Möglichkeit hatten, schwimmen zu lernen, befanden sie sich ausserdem zum Zeitpunkt des Unglückes zuhause, wo sie zu spät gewarnt wurden. Ausserdem waren Mütter und erwachsene Frauen bei der Flucht zusätzlich noch für Kinder und ältere Familienmitglieder verantwortlich.
Landwirtschaft und Biodiversität
Der Agrarsektor ist nicht nur für die Nahrungsmittelproduktion von grundlegender Bedeutung, sondern ist auch ein wichtiger Einkommenszweig und somit eine Existenzsicherung für viele Menschen. Weltweit arbeiten mehr Frauen in der Landwirtschaft als Männer, an verschiedenen Orten fast ausschliesslich. Der körperliche und emotionales Stress, den die klimabedingten Veränderungen mit sich bringen, lastet vorwiegend auf ihnen. Doch obwohl sie mehr als die Hälfte der Nahrungsmittel der Welt produzieren besitzen Frauen weniger als 15 % des Landes. Dadurch spiegelt sich ihr Wissen über landwirtschaftliche Prozesse und die Biodiversität nicht in Entscheidungsprozessen und Institutionen wider.
Die Landwirtschaft - insbesondere die Nutzpflanzen und das Vieh in Entwicklungsländern - ist vollständig von Klimasystemen abhängig und beeinflusst diese massgeblich. Werden die Agrarflächen von den Folgen des Klimawandels beeinflusst, so sind davon in erster Linie die Frauen betroffen. Auch sind sie es, die auf diese Einflüsse reagieren können oder müssen. Umgekehrt könnten sie die Klimafolgen der Landwirtschaft minimieren, wenn sie mehr Einfluss auf Entscheidungsfindung erhalten würden. Programme wie Women Feeding Cities haben gezeigt, dass Frauen, die bereits Erfahrung mit den durch den Klimawandel bedingten Gefahren haben, wirksame Bewältigungsstrategien entwickeln können.
Konsum
Konsummuster unterscheiden sich zwischen verschieden Ländern, Regionen (Stadt und Land), Klassen, Alter und auch Geschlecht. Beeinflusst werden die Unterschiede vor allem durch die geschlechterspezifische Arbeitsteilung und den Zugang zu Einkommen. Frauen obliegt meist die Auswahl, der Einkauf, die Nutzung und die Entsorgung von Haushalts Gütern wie Lebensmittel und Kleidung. Männer hingegen investieren mehr in technische und elektrische Geräte oder in Immobilien.
Durch das geringere Einkommen und die beschränkte Freizeit, welche mit der Betreuungspflicht einhergeht, konsumieren Frauen in der Regel weniger als Männer desselben geografischen und sozialen Standortes. Außerdem neigen Frauen dazu, nachhaltigere Konsumentscheidungen zu treffen und zeigen sich offener für Lebensstiländerungen. In Deutschland sind beispielsweise rund zwei Drittel der sich vegetarisch ernährenden Menschen Frauen. Vor allem in politischen Fragen dürfte daher eine Erhöhung der Frauenquote zugunsten der Umwelt ausfallen.
Frauen für eine nachhaltige Entwicklung
Die Geschlechtergleichstellung ist ein eigenständiges Ziel der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Doch auch viele der anderen 17 Nachhaltigkeitsziele benennen die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung von Frauen und Mädchen als Aufgabe und zugleich als Teil der Lösung – nicht nur in der Landwirtschaft und im Konsum. So kann etwa die Armut nicht beendet werden, ohne dass Frauen – die unverhältnismäßig häufig zu den Ärmsten gehören – gleiche Lebens- und Beteiligungschancen erhalten wie Männer.
Quellen und weitere Informationen:
UNESCO-Verbindungsstelle für Umwelterziehung: Analyse der Folgen des Geschlechtsrollenwandels für Umweltbewusstsein und Umweltverhalten
Gendercc: Geschlecht & Klimawandel
UN Women: Die Agende 2030 und die Gleichstellung der Geschlechter