Zwei Monate lang hat uns die Artikelserie über Insekten beschäftigt – und sie hätte es noch viel länger tun können. Angefangen mit der umfangreichen Klassifizierung, den unzähligen Farben und Formen bis zu deren Funktionen. Ob als unerlässlicher Teil unseres Ökosystems (wie beispielsweise die Bestäuber), als Nützlinge im Garten (wie der Marienkäfer), als Schädlinge in der Landwirtschaft (wie der Kartoffelkäfer) oder auch als Krankheitsüberträger (wie gewisse Mücken und Flöhe): Insekten sind allgegenwärtig. Sie dienen der Menschheit in der Agrarwirtschaft, der Medizin, der Textilindustrie, der Robotik und vielerorts - in Zukunft vielleicht auch wieder bei uns – als Nahrung.
So nützlich uns die Krabbler sind, so sehr werden sie teilweise gefürchtet oder sogar verabscheut. Schleimige Maden, aggressive Wespen, nervende Fliegen und angsteinflössende, eklige Kakerlaken. Doch woher kommen diese starken Emotionen und Abwehrreaktionen gegenüber den als Einzeltieren so harmlosen Insekten?
Ekel als Dank
Dass manche Menschen Insekten gegenüber Ekel oder Angst empfinden, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Sensitivität für Ekel ist zum einen eine Persönlichkeitsfrage. Sie wird zu einem gewissen Grad aber auch vererbt und von Umwelteinflüssen geformt. Grundsätzlich hat Ekel eine praktische Funktion: Er schützt uns vor verdorbenen Speisen, giftigen Substanzen oder krankmachenden Keimen. Beispielsweise vor toten Tieren, Erbrochenem oder eiternden Wunden weichen wir automatisch zurück. Heute allerdings übt Ekel nicht mehr einzig eine biologische Schutzfunktion aus, er ist zu wesentlichen Teilen auch anerzogen – beispielsweise gegenüber Insekten.
„Ekel ist Unwissenheit“
Olga Speck, Botanikerin der Uni Freiburg
Der Ekel gegenüber Insekten macht sich vor allem bemerkbar, wenn es ums Essen geht. Während in vielen afrikanischen, asiatischen und südamerikanischen Ländern Insekten auf den Speiseplan gehören, können europäische und amerikanische Nationen es sich leisten, sich vor Insekten zu ekeln. Durch die Massenzucht von Nutztieren stehen uns auch ohne Insekten genügend Proteine zur Verfügung. Während Kleinkinder sich – zum Schrecken ihrer Eltern – ab und zu einen Käfer oder einen Wurm in den Mund stecken, wird ihnen gleich beigebracht, dass die Krabbler nicht zum Verzehr geeignet und überhaupt «öpis grusigs» sind. Das Abschauen angemessenen Verhaltens von den Erwachsenen ist zwar ein evolutionäres Erfolgsrezept, aber es ist fehleranfällig und überliefert neben all den nützlichen Verhaltensweisen auch Vorbehalte und unreflektierte Ängste.
Die Tatsache, dass in der Schweiz erst seit 2017 mit ausgewählten Insekten als Nahrungsmittel gehandelt werden darf, unterstreicht diesen europäischen Vorbehalt gegenüber den Sechsbeinern zusätzlich. Auch heute, vier Jahre nach der Revision der Lebensmittelverordnung, sind Insekten in Form von Burgern, Falafel oder Mehl meist nicht als solche erkennbar.
Was wäre, wenn…
Den kleinen Krabblern kommt das Ekelgefühl der Menschen trotzdem nicht zugute. Mit Bildern von niedlichen Baby-Pandas oder majestätischen Löwen zielen Tierschutzorganisationen erfolgreich auf das Mitgefühl von Spenderinnen, um mit den Geldern diese gefährdeten Arten zu schützen. Derweil bleiben die Portemonnaies auch der warmherzigsten Spender für die Insekten meist verschlossen. Genauso verfolgen wir die Vergiftung ganzer Insektenpopulationen mit ungleich leichterer Billigung als jene eines einzelnen Rehkitzes. Auch Augen und Ohren der Wissenschaft blieben lange Zeit für das Insektensterben verschlossen – und dies, obwohl das Insektensterben weitaus schlimmere Folgen für unsere Ökosysteme hat.
Nun, da das Ausmass des Artensterbens bereits in erschreckende Zahlen gefasst werden kann – in der Schweiz gelten 163 Insektenarten als ausgestorben, 40% werden als gefährdet eingestuft - kommt es erst langsam zu Änderungen in der Politik. Eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit ist notwendig, um die Wunderwelt der Insekten auch in Zukunft noch bestaunen und von ihr profitieren zu können.
Quellen und weitere Informationen:
Planet Wissen: Ekel: Wenn Abneigung extrem wird
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