Mit Kunst die Umwelt schützen?

«Ich glaube, mit Illustrationen befasst man sich länger als mit Fotos, sie berühren einem auf einer anderen Ebene» «Ich glaube, mit Illustrationen befasst man sich länger als mit Fotos, sie berühren einem auf einer anderen Ebene»

Anna Lisa Rompietti (23) studiert Illustration Fiction an der HSLU, setzt ihr Wissen in ihrer Freizeit aber auch für politisch-künstlerische Arbeiten im Umweltbereich ein.

 

Umweltnetz-Schweiz: Anna Lisa, du studierst Illustration Fiction. Was kann man sich unter diesem Studiengang genau vorstellen?

Anna Lisa Rompietti: In meinem Studium geht es darum, wie man mit Zeichnungen etwas erzählen kann. Der Oberbegriff ist visuelle Kommunikation. Wir erzählen Geschichten, aber es geht auch um Erklärungen. Man unterscheidet dabei zwischen Fiction und Nonfiction. Nonfiction, das wäre beispielsweise, Zeichnungen für Schulbücher und den medizinischen Bereich anzufertigen. Fiction ist mehr im frei kreativen Bereich. Wir machen alles, was nicht naturalistisch oder wahrheitsgetreu gezeichnet sein muss. Später kann können wir beispielsweise selbst Publikationen herausgeben, wie Comics. Oder wir arbeiten bei einer Zeitung, wo wir einen Text bekommen und eine Illustration dazu machen.

 

Un-S: Du machst eine Ausbildung im Kunstbereich. Trotzdem setzt du dich in deiner Freizeit für die Umwelt ein. Was bewegt dich dazu?

A. L. R.: Verbunden mit meinem Studiengang ist immer das, was gerade aktuell passiert, auch das, was ich aufnehmen möchte. Davon lasse ich mich inspirieren. Heute ist das die Klimabewegung im Allgemeinen. Grundsätzlich ist es ein Beobachten des Alltages, das ich dann direkt in mein Arbeiten einfliessen lasse. Persönlich beschäftigt mich der Umwelt und Klimaschutz auch, weil ich gerne in der Natur bin und ich dort auch meine Energie herhole.

 

Un-S: Wie viel Gewicht wird in deinem Studiengang auf Umweltthemen gelegt?

A. L. R.: Eigentlich keines. Was ich dafür mache, findet alles ausserschulisch statt, meist mit Studenten und Studentinnen. Wir haben Theorieunterricht im Studium, aber der bezieht sich nie auf das Klima, sondern auf das Zeichnen und auf Erzählweisen.

 

Un-S: Kannst du dir vorstellen, dich auch nach deinem Studium – beruflich oder als Nebenbeschäftigung - für das Klima und die Umwelt einzusetzen?

A. L. R.: Ja, sehr gut. In der Politik braucht es viele Illustratorinnen und Illustratoren. An vier Abstimmungs-Sonntagen jährlich besteht die Chance, Leute mit guten Bildern zum Abstimmen zu bewegen - für meine Anliegen. Ich möchte mich ja nicht an eine Partei verkaufen, hinter der ich nicht stehe.

 

Un-S: Du hast diesen Sommer im Auftrag der Jungen Grünen Luzern ein Werbevideo für die Trinkwasser- und Pestizidinitiativen entwickelt. Setzt du dich auch sonst künstlerisch für Umweltthemen ein?

A. L. R.: Ja, beispielsweise bei Underground-Projekten. Einmal haben wir bestimmte Plakate von der Gegenkampagne - beispielsweise auch von der Trinkwasser- oder der CO2-Initiative – genommen und diese nochmals neu interpretiert, im gleichen Stil zwar, aber mit einer anderen Aussage. Dann haben wir sie – illegal – auf den Strassen plakatiert, um Verwirrung zu stiften. Die Leute kennen ja die Motive, aber dann steht plötzlich eine Ja-Parole darauf. Unsere Hoffnung war, damit zu dem vielen Geld, das hinter den Nein-Parolen stand, ein Gegengewicht zu schaffen. Anschliessend kann man eine Fake-Nachricht an 20 Minuten schicken und ihnen von den ominösen Plakaten berichten, damit es vielleicht einen kleinen Bericht darüber gibt. Das war so eine kleine Aktion, welche aber nicht viel Aufsehen erregt hat.

 

Un-S: Umweltthemen werden häufig politisiert. Glaubst du, die Kunst kann die Menschen in Bezug auf diese Thematik anders erreichen?

A. L. R.: Auf jeden Fall. Das liegt an der Bilder- und Fotografie-Flut in den sozialen Medien und den Nachrichten. Ich glaube, der Mensch schirmt sich mittlerweile ab von solch tragischen Fotos. Ich weiss nicht, ob es eine bewusste Abgrenzung ist, dass man solche Bilder nicht mehr so nah an sich heranlässt, oder ob es einfach zu viele negative Fotos sind. Auf jeden Fall kommt dort dann die Illustration ins Spiel. Ich habe das Gefühl, Illustrationen werden auf einer anderen Ebene wahrgenommen. Wenn sie geschickt gemacht sind, wecken sie gleich viel mehr Aufmerksamkeit - man möchte das Bild verstehen. Der Mensch will ja immer verstehen, was er sieht. Kunst berührt einen irgendwo anders. Beispielsweise dieses comicartig gezeichnete Bild mit dem Baum von der Trinkwasser- und Pestizidinitiative, wo sich jemand selbst den Ast absägt. Wenn man sich das anschaut, will man verstehen, was genau passiert. Und während man das macht, macht man den Prozess durch: Stimme ich dem zu, oder stimme ich dem nicht zu? Wenn man nur ein Bild von Pestiziden sieht, die gerade gespritzt werden, beschäftigt man sich weniger damit. Man denkt eher: Ja, ich weiss – und schon ist’s verdrängt. Ich glaube, mit Illustrationen befasst man sich länger als mit Fotos. Ich spreche jetzt nur von Bildern, nicht von Installationen oder Performances mit Audio. Die bewegen einen nochmals auf einer ganz anderen Ebene.

 

Un-S: Gibt es einen Künstler oder eine Künstlerin, welche sich für den Umweltschutz einsetzt und dich besonders inspiriert?

A. L. R.: Einer der bekanntesten ist wahrscheinlich Olafur Eliasson. Bei ihm bin ich aber ein bisschen im Dilemma. Er versucht, mit Kunst das Problem darzustellen, verstärkt aber gleichzeitig das Problem, um es darzustellen. Er hat beispielsweise einmal vier Eisblöcke aus Grönland hergebracht, um sie in eine Stadt zu stellen und zu zeigen: Hey, das Eis schmilzt – denn es ist ja dann in der Stadt geschmolzen. Das hat sehr viel Aufmerksamkeit erregt und Gespräche angeregt. Eigentlich gut, aber da stellt sich dann die Frage, warum darf er jetzt unter dem Deckmantel der Kunst mit dem Schiff nach Grönland reisen, die Eisblöcke herholen und sie dahinstellen. Und dabei noch sagen, er mache das für den Umweltschutz. Das finde ich schwierig: Das Problem zu schaffen, um zu zeigen, dass es da ist. Das machen relativ viele Künstler und Künstlerinnen, welche einen Beitrag zum Umweltschutz leisten möchten.

 

Un-S: Herzlichen Dank, für dieses informative Gespräch!

 

 

Alle umweltnetz-Interviews

Kommentar schreiben

Die Kommentare werden vor dem Aufschalten von unseren Administratoren geprüft. Es kann deshalb zu Verzögerungen kommen. Die Aufschaltung kann nach nachstehenden Kriterien auch verweigert werden:

Ehrverletzung/Beleidigung: Um einen angenehmen, sachlichen und fairen Umgang miteinander zu gewährleisten, publizieren wir keine Beiträge, die sich im Ton vergreifen. Dazu gehören die Verwendung von polemischen und beleidigenden Ausdrücken ebenso wie persönliche Angriffe auf andere Diskussionsteilnehmer.

Rassismus/Sexismus: Es ist nicht erlaubt, Inhalte zu verbreiten, die unter die Schweizerische Rassismusstrafnorm fallen und Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnie, Kultur oder Geschlecht herabsetzen oder zu Hass aufrufen. Diskriminierende Äusserungen werden nicht publiziert.
Verleumdung: Wir dulden keine Verleumdungen gegen einzelne Personen oder Unternehmen.

Vulgarität: Wir publizieren keine Kommentare, die Fluchwörter enthalten oder vulgär sind.

Werbung: Eigenwerbung, Reklame für kommerzielle Produkte oder politische Propaganda haben keinen Platz in Onlinekommentaren.

Logo von umweltnetz-schweiz

umweltnetz-schweiz.ch

Forum für umweltbewusste Menschen

Informationen aus den Bereichen Umwelt, Natur, Ökologie, Energie, Gesundheit und Nachhaltigkeit.

Das wirkungsvolle Umweltportal.

Redaktion

Stiftung Umweltinformation Schweiz
Eichwaldstrasse 35
6005 Luzern
Telefon 041 240 57 57
E-Mail [email protected]

Social Media

×

Newsletter Anmeldung

Bleiben Sie auf dem neusten Stand und melden Sie sich bei unserem Newsletter an.