Umweltnetz-Schweiz: Pascal, du arbeitest in einer Schreinerei, die sich auf Ladenbau spezialisiert hat. Wie viel Platz nimmt der Nachhaltigkeitsgedanke in dieser Branche ein?
Pascal Sempach: Bei uns in der Branche ist der Nachhaltigkeitsgedanke nicht riesig. Oftmals muss es schnell und günstig gehen. Das ist etwa das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Wir arbeiten mit vielen Erdölprodukten, vielen gepressten Platten mit Leim und Härter drin. Die sind überhaupt nicht nachhaltig und sehr kurzlebig. Nehmen wir beispielsweise eine Tankstelleneinrichtung: Die wechselt alle drei bis vier Jahre und muss daher vom Kunden aus nicht nachhaltig sein. Das ist sehr schade.
Un-S: Momentan arbeitest du in deiner Freizeit an einem Tiny-Haus. Was beinhaltet dieses Mini-Haus alles, beziehungsweise, was fehlt im Gegensatz zu einem normalen Haus?
P. S.: Mein Tiny-Haus beinhaltet grundsätzlich alles, was es in einem normalen Haus auch gibt – einfach in einer anderen oder kleineren Form. Beispielsweise Strom: Zuerst wollte ich mit Solaranlagen arbeiten. Weil ich aber nicht so ein grosses Budget habe, ist das zu teuer, daher werde ich normal an ein Stromnetz angeschlossen werden. Ich werde eine Heizung haben, einen Holzofen. Ich werde ausserdem fliessendes Wasser brauchen. Zwar nur Kaltwasser, welches mit einem Durchlauferhitzer erwärmt wird - was leider ziemlich viel Strom braucht. Das Einzige, was ich nicht haben werde, ist Schwarzwasser, da ich ein Kompost-WC einbauen werde.
Un-S: Wie bist du auf die Idee gekommen, ein Tiny-Haus zu bauen?
P. S.: Das war schon lange ein Traum von mir. Zuerst wollte ich etwas Kleineres machen, beispielsweise nur einen Bauwagen umbauen. Als ich mit der Planung begonnen habe, sind immer neue Ideen dazu gekommen und das Tiny-Haus ist nun das Resultat davon.
Weshalb ich das aber überhaupt mache, ist, da ich das Gefühl habe, dass es fast nicht mehr möglich ist, in der heutigen Zeit ein Eigenheim zu haben. Man muss über den Daumen gepeilt rund eine Million investieren, um ein Eigenheim zu kaufen. Das Tiny-Haus ist nun meine Kompromisslösung. Ich kann dadurch mein eigenes Haus nach meinen eigenen Ideen gestalten und bauen. Ausserdem brauche ich viel weniger Ressourcen als für ein normales Haus. Da ich nur Massivholz und Metall, aber keinen Beton und viel weniger Chemikalien brauche ist mein Tiny-Haus umweltfreundlicher.
Un-S: Wie sieht es finanziell aus?
P. S.: Mein Tiny-Haus steht auf einem Wagen. Diesen Wagen habe ich neu gekauft, mit einem Rahmen darauf. Das war bestimmt der teuerste Teil. Alles zusammengerechnet möchte ich auf nicht mehr als 25'000 CHF kommen. Das bedeutet, dass ich alles selbst machen muss und daher keinen Stromer und keinen Spengler und keinen Sanitär zahle. Auch das Material muss ich versuchen möglichst günstig zu bekomme. Beispielsweise die Fenster habe ich Occasion gekauft und somit für wenig Geld erhalten. Auch bei den Händlern frage ich bei allen nach, ob es irgendeinen Restposten gibt, damit ich da möglichst günstig rauskomme. 25'000 CHF ist schon ein sehr knappes Budget für so ein Projekt.
Un-S: Du möchtest später auch in deinem Tiny-Haus leben. Was glaubst du, werden die grössten Schwierigkeiten sein?
P. S.: Das schwierigste wird sein, dass es im Sommer nicht zu heiss und im Winter nicht zu kalt sein wird. Das wird ein Ausprobieren. Der zweite Punkt, vor dem ich Respekt habe, ist, dass ich alle drei Monate den Standort wechseln muss, da ich kein Baugesuch habe. Ich glaube, im Moment darf man nicht einfach den Wagen ein bisschen verschieben, sondern man muss die Gemeinde oder die Parzelle wechseln. Dass ich irgendwann keinen Standplatz finden werde und daher auf einen Campingplatz ausweichen muss, der meist sehr teuer ist, das macht mir Sorgen.
Un-S: Und was wird der grösste Vorteil sein?
P. S.: Der grösste Vorteil wird sein, dass ich mobil sein werde. Ausserdem werde ich nicht viele Dinge besitzen, da ich keinen Platz haben werde. Ich werde einfach das nötigste in meinem Tiny-Haus haben und alles andere werde ich verkaufen oder weggeben müssen. Ausserdem wird es irgendwann einmal günstiger sein, wenn ich keine Miete mehr zahlen muss. Im Moment zahle ich ziemlich viel Miete, in der Wohnung, in der ich lebe. Wenn ich mein eigenes Haus habe, dann zahle ich nur noch für den Standort, beispielsweise auf einem Bauernhof. Der Betrag wird aber nie an eine Monatsmiete herankommen.
Un-S: Du verzichtest mit deinem Tiny-Haus auf Wohnfläche und damit auch auf eine gewisse Bequemlichkeit. Gibt es bei dir persönliche Grenzen in Bezug auf den Umwelt- und Klimaschutz? Dinge auf die du zugunsten der Umwelt nicht verzichten würdest?
P. S.: Ja, ich glaube, ich könnte nicht ohne Warmwasser leben. Ich könnte im Winter nicht einfach nur auf dem Ofen mein warmes Wasser erhitzen. Das ist ein Luxus, den wir uns so gewöhnt sind und ich glaube nicht, dass ich auf das verzichten könnte. Und auch auf den Strom. Es wäre auch möglich, das Tiny-Haus ohne Stromanschluss zu bauen. Aber so viele Dinge funktionieren nur mit Strom… Vielleicht wäre es einen Versuch wert, es mal ohne zu versuchen.
Un-S: Warum denkst du, gibt es da eine Schmerzensgrenze?
P. S.: Weil wir einfach verwöhnt sind. Man ist so erzogen worden, so aufgewachsen mit all dem. Ich behaupte jetzt mal, wenn ich das nie gehabt hätte, wenn ich mit kaltem Wasser oder ohne Strom aufgewachsen wäre, dann hätte ich wahrscheinlich weniger ein Problem. Aber das ist so in uns verankert, da wieder davon weg zu kommen ist sehr schwierig.
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