Es ist fast unvorstellbar, dass solch filigrane Insekten wie Schmetterlinge riesige Migrationen bewältigen können – und doch, der Monarchfalter überwindet als Teil seines sehr aussergewöhnlichen Lebenszyklus Tausende von Kilometern innerhalb nur einer Generation.
Generationenübergreifende Migration
Monarchfalter bringen jährlich vier Generationen in einem Sommer hervor. Die letzte Generation, die vor dem Wintereinbruch schlüpft, hat eine besondere Aufgabe. Sie muss in den Süden migrieren, da der Winter im Norden zu lang und kalt ist, um ihn zu überleben. Den Schmetterlingen steht eine bis zu 4000 km weite Reise zu ihrem Überwinterungsquartier bevor. In riesigen Gruppen ziehen die Östlichen Monarchfalter von ihren Brutgebieten in den USA und Kanada bis nach Südkalifornien oder Mexiko. Durchschnittlich legen die Insekten 70 Kilometer am Tag zurück, an Spitzentagen gar über 300 Kilometer. Nach zwei bis drei Monaten Wanderung kommen sie an ihrem Zielort an. Eines ihrer grössten Winterquartiere befindet sich in den Sierra-Madre-Bergen nordwestlich von Mexiko-Stadt auf einer beeindruckenden Höhe von knapp dreitausend Metern über Meer. Abermillionen Monarchfalter überwintern hier. Ihre gespeicherte Energie erlaubt es ihnen, in eine Kältestarre zu verfallen. Dichtgedrängt lassen sie sich in grossen Trauben auf den sogenannten Heiligen Tannen nieder.
Viele der Tiere überleben den Winter nicht. Die Männchen sterben spätestens im Frühling nach der Paarung. Dies dürfte allerdings einem besonderen Zweck dienen. Ihre toten Körper beinhalten noch Pheromone, also Sexuallockstoffe. Diese chemischen Substanzen wirken über eine lange Zeit, so dass Forscher annehmen, dass die Weibchen Generationen später dem Geruch folgen und so wieder in ihr Winterquartier zurückfinden.
Die überlebenden Monarchfalter brechen im März zur Rückreise auf. Während drei bis vier kurzlebigen Generationen orientieren sich die Falter nach Nordosten, wobei sie die Richtung zu ihren Sommerbrutgebieten zielstrebig halten, obwohl kein einziger Falter den gesamten Weg zurückzulegen vermag. Sie können also nicht von ihren Vorfahren lernen, sondern verlassen sich stattdessen auf ihre Gene. Mithilfe ihrer „inneren Uhr“, die den Zeitpunkt der Wanderung vorgibt, und den Augen, die den Sonnenstand am Himmel überwachen, erhalten sie eine Referenz über ihren Standort und die Tageszeit. Um auch bei bedecktem Himmel zum Ziel zu finden, nutzen die Falter zusätzlich noch das Magnetfeld der Erde. Experimente machten klar, dass fehlende magnetische Einflüsse die Falter desorientieren.
Keine andere Insektenart begibt sich auf eine solch lange, faszinierende Rundwanderung über mehrere Generationen – die Falter legen Wege zurück, die ihre Eltern und Grosseltern nie gesehen haben. Während die Sommergenerationen des Monarchfalters bereits im Alter von wenigen Tagen mit der Eiablage beginnen und insgesamt nur etwa einen Monat als ausgewachsene Schmetterlinge verbringen, leben die Monarchfalter der sogenannten „Supergeneration“ im Herbst rund achtmal länger.
Bedrohter Falter
So faszinierend die Migration der Monarchfalter ist, so bedroht ist sie mittlerweile auch. Illegaler Holzschlag in ihren mexikanischen Überwinterungswäldern, die Umwandlung von Gras- in Ackerland und der vermehrte Einsatz von Herbiziden und Pestiziden setzen den schönen Seglern arg zu. Schliesslich ist auch die Wolfsmilch-Pflanze, auf die die Monarchfalter zur Eiablage angewiesen sind, immer seltener zu finden, und die für die Raupen wichtigen Fresspflanzen, die Schwalbenwurzgewächse, werden zunehmend durch intensiven Maisbau verdrängt. Während die Population der Monarchfalter im Biosphärenreservat in Zentralmexiko im Winter 1995/96 noch 45 Hektaren Wald besiedelten, waren es 2019/20 nur gerade noch gut zwei Hektaren!
Die mexikanische Regierung, lokale Wissenschaftler und Gemeinschaften setzen sich nun vermehrt für nachhaltige Projekte ein, die über die Migration des Monarchfalters aufklären und die Wiederbelebung zerstörter Graslandschaften und Wildblumenlebensräume fördern.
Vielseitige Orientierungen und Prägungen
Ähnlich präzise wie die Monarchfalter orientieren sich auch andere Tierarten; beispielsweise die Meeresschildkröten. Gerade erst geschlüpft, orientieren sich die kleinen Schildkröten instinktiv am Mond, dessen helles Licht sich auf der Meeresoberfläche spiegelt. Sobald sie den Weg ins Wasser gefunden haben, nutzen sie die Wellen als Orientierungshilfe, indem sie auf direktem Weg auf sie zu schwimmen. Das ist eine wichtige Überlebensstrategie, denn so lassen sie die küstennahen, raubtierreichen Gewässer schnell hinter sich. Während dem Tauchen sehen die Schildkröten die Wellen zwar nicht, sind aber in der Lage, die Reihenfolge der Wellenbeschleunigungen wahrzunehmen, die ihnen verrät, in welche Richtung sie sich fortbewegen.
Auch die Meeresschildkröten orientieren sich zusätzlich am Magnetfeld. Studien deuten darauf hin, dass sich die Reptilien bereits im Nest oder während ihrer ersten Migration vom Geburtsstrand ins Meer die magnetischen Merkmale der Region einprägen. Obschon seit längerem klar ist, dass Meeresschildkröten das Erdmagnetfeld zur Orientierung verwenden, ist erst seit Kurzem dokumentiert, dass die Tiere das Magnetfeld wohl auch nutzen, um ihre Position relativ zu einem Ziel oder einer Lebensraumgrenze zu bestimmen. Das gelingt, da die magnetische Stärke vom Äquator zu den magnetischen Polen hin stetig zunimmt und der magnetische Neigungswinkel in Richtung der Pole immer steiler wird. Dies hat Auswirkungen auf die Erfolgschancen des Schutzes dieser Tiere: Die Erneuerung gefährdeter oder ausgerotteter Populationen eines Gebietes mit Beständen eines anderen Gebietes wird erschwert, wenn man davon ausgeht, dass diese auf ihre eigene Route „programmiert“ sind und mit der lokalen Migrationsroute nicht vertraut sind.
Meeresschildkröten legen jedes Jahr weite Strecken zurück (Pexels, Pixabay)
Zurück dahin wo alles begann
Genetische Studien konnten aufzeigen, dass Meeresschildkröten in denselben Regionen bzw. an denselben Stränden nisten, an denen sie geschlüpft sind. Das ist besonders erstaunlich, wenn man bedenkt, dass es je nach Art der Schildkröten zehn bis fünfzig Jahre dauert, bis sie die Geschlechtsreife erreichen und sie erst dann an ihren Geburtsstrand zurückkehren, um Eier zu legen. Wie genau die Schildkröten wieder an ihren Geburtsort zurückfinden, ist noch nicht genau bekannt. Viele der gut besuchten Niststrände folgen aber einer Nord-Süd-Ausrichtung, deren Küstenregionen mit einzigartigen magnetischen Signaturen versehen sind. Es ist vorstellbar, dass nistende Schildkröten entlang solcher Küste schwimmen, bis sie die geeignete, erinnerte magnetische Intensität und Neigung gefunden haben.
Eine Population grüner Schildkröten nistet auf der nur knapp 8km langen Insel Ascension, die sich 2000km vor der brasilianischen Küste befindet. Obwohl die kleine Insel also mitten im Atlantik liegt, finden die trächtigen Weibchen doch ihren Geburtsstrand. Das ist bemerkenswert, da sich das Magnetfeld von Jahr zu Jahr leicht ändert. Bis die Meeresschildkröten erstmals wieder zu ihrem Geburtsstrand zurückkehren, müssten ihn die Tiere um einige Kilometer verpassen. Es scheint demnach unwahrscheinlich, dass sie ausschliesslich ihre magnetische Orientierung verwenden, um das Gebiet zu finden. Wissenschaftler denken vielmehr, dass die Schildkröten, einmal in der Nähe des Niststrandes, lokalen Hinweisen folgen, um ganz an ihr Ziel zu kommen. Eine besondere Erinnerungsleistung!
Quellen und weitere Informationen:
Lohmann, C.M.F. und Lohmann, K.J. (2010): Sea Turtles: Navigation and Orientation
GEO: Der gefahrvolle Trek der Monarchfalter
WWF: The great monarch migration
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