Du bist Tierfilmer und -fotograf. Wie bist du zu deinem jetzigen Beruf gekommen bzw. was ist deine Motivation hinter dieser Arbeit?
Ich war schon immer sehr interessiert an der Natur und den Tieren. Insekten und vor allem Spinnen faszinieren mich sehr. Ich fotografiere schon lange, aber früher mehr zum Spass. Durch mein Studium in Multimedia-Production habe ich angefangen, professionellere Bilder zu machen, wodurch die Tierfotografie ziemlich schnell zu meiner Hauptpassion wurde.
Hast du dir das nötige Wissen dazu vor allem im Studium angeeignet?
Das Studium war zwar schon praktisch veranlagt, aber mehr in Richtung Kommunikation und Marketing orientiert. So habe ich das Meiste autodidaktisch gelernt. Ich mache hauptsächlich Makrofotografie, da muss man sich schon ziemlich informieren, um die richtigen Objektive zu benutzen und die nötigen Techniken zu erlernen. Im Makrobereich fotografiere ich zum Beispiel alles mit Blitz. Damit das Licht schön „weich“ ist, muss man dann noch einen Diffuser haben. Bei den Insekten ist das besonders wichtig, weil sie sehr reflektiv sind. Es ist schon eine eigene Wissenschaft dahinter. Vor allem ist es aber „learning by doing“.
Hast du jeweils selber ausprobiert, was am besten funktioniert oder auch mal bei anderen um Rat gefragt?
Ursprünglich habe ich selber angefangen und dann gemerkt, dass das Licht noch nicht so gut ist. Auf Instagram habe ich dann einen Fotografen gefunden, der richtig coole Bilder macht, und ihn nach seiner Methode gefragt. Er hatte ein selbergebautes System, was in der Makroszene allgemein verbreitet ist. Daraufhin habe ich mir das selber auch gebaut, ein bisschen experimentiert und immer weiter verbessert.
Du machst besonderes gerne Makroaufnahmen von Spinnen. Für Leute, die sich das nicht so gut vorstellen können: Wo liegt die Faszination?
Allgemein finde ich jedes Tier interessant. An der Makrofotografie fasziniert mich aber vor allem, dass man von etwas kleinem, was von blossem Auge kaum sichtbar ist, jedes Detail zeigen kann. Sicher auch durch die Fotografie habe ich mich immer mehr für die Spinnen interessieren lassen. Für jede Art, die ich fotografiert habe, bin ich anschliessend im Internet nachschauen gegangen, um welche Spezies es sich handelt. So habe ich recht viel gelernt und dadurch halt immer mehr Interesse und Faszination entwickelt. Ausserdem begeistern mich besonders jene Tiere, die viele Leute uninteressant oder hässlich finden. Ein Punkt ist sicher auch, dass es eine Niche ist. Ich fotografiere auch Grosstiere gerne, aber da hat man vieles schon einmal gesehen. Es ist schwierig, beispielsweise von einem Fuchs ein Bild zu machen, das man so noch nie gesehen hat. Schon möglich, aber schwierig. Im Makrobereich gibt es Tausend Sachen, die noch nie jemand fotografiert hat, Verhaltensweisen oder sogar Spezies. Darum bin ich auch oft im Regenwald, wo es eine besonders hohe Biodiversität und noch viele unbestimmte Arten hat, die noch nie jemand vor die Linse bekommen hat. Das reizt mich halt auch.
Bestimmt musst du gut informiert sein über die verschiedenen Arten. Kennst du einen Spezialisten, der dir weiterhelfen kann?
Ja, ich bin schon ein paarmal in Costa Rica gewesen und habe dort einen Kollegen, der Insektenforscher ist.
Springspinne (Lyssomanes sp.) beschützt ihre frisch gelegten Eier - Fotografiert in Costa Rica
Du hast an Fotowettbewerben mitgemacht und auch einige Preise einheimsen können. Helfen diese deiner Meinung nach dabei, sich als Fotograf zu profilieren?
Ja, definitiv. Der weltweite grösste Wettbewerb seiner Art ist der «Wildlife Photographer of the Year» des Natural History Museums in London. Im letzten Jahr und vor zwei Jahren wurde ich dort ausgezeichnet. Die Bilder werden auf der ganzen Welt ausgestellt und erhalten grosse Medienaufmerksamkeit. Im letzten Oktober wurde ich beispielsweise nach London an die Award Ceremony eingeladen, wodurch ich viele Kontakte knüpfen und auch viele meiner persönlichen Vorbilder treffen konnte.
Wie viel Vorbereitung und Vorwissen ist nötig, um das perfekte Foto zu schiessen oder im richtigen Moment einen spannenden Moment auf Film einzufangen?
Zu Beginn bin ich bei der Fotografie einfach ein bisschen drauflos auf Dinge, die ich gerade gesehen habe. Mit der Zeit habe ich mich mehr damit beschäftigt, wann und wo man welche Spezies zu sehen bekommt. Will man beispielsweise Verhaltensweisen zur Paarungszeit festhalten, muss man je nach Art vielleicht im Mai vor Ort sein. Klar, je mehr man weiss, desto besser. Aber zum Teil hat man einfach Glück, das ist mir auch ein paarmal passiert. Wissen kann man das nie.
Welches war ein besonders toller Moment für dich?
Sicher ein spezieller Moment war, als ich das Bild mit den sich paarenden Speispinnen gemacht habe, wofür ich im letzten Jahr ausgezeichnet worden bin. Ich erinnere mich, dass das Bild sehr schnell gehen musste. Als ich es angeschaut hatte, wusste ich sofort, dass mir ein wirklich einzigartiges Bild gelungen war. Es war ein Moment, den zuvor noch nie jemand so eingefangen hatte, und glücklicherweise war auch die Position gerade perfekt.
Paarung zweier Speispinnen (Scytodes thoracica) - Ausgezeichnet als "highly commended" bei "Wildlife Photographer Of The Year #58" - Fotografiert in Luzern
Auf welches bisherige Projekt bist du besonders stolz?
Momentan bin ich besonders stolz auf die Doku, die ich gerade fertiggestellt habe. In Costa Rica habe ich einen kurzen, 15-minütigen Dokumentarfilm über Klammeraffen gedreht („KALU – Growing Up Wild“), der an einem Filmfestival in Pakistan Weltpremiere feierte. Darin steckt sehr viel Arbeit, weswegen ich umso glücklicher bin, dass er jetzt fertig ist. Insgesamt war ich 3 Monate in Costa Rica, wo mein Kollege eine Stiftung namens BioSur Foundation aufgebaut hat, die 60 Hektaren Regenwald schützt. Schon seit einigen Jahren arbeite ich mit dieser Stiftung zusammen. Die Doku hat sich ergeben, weil noch ein anderer Filmemacher für zwei Wochen nach Costa Rica gekommen ist, mit dem ich dann gemeinsam das Projekt durchgeführt habe. Während diesen intensiven zwei Wochen haben wir gefilmt und geschnitten. Was uns noch fehlte, filmte ich anschliessend während zwei bis drei Wochen nach. Momentan sind wir daran, einen Abnehmer wie beispielsweise einen Streaming-Dienst zu finden, der Interesse hätte, unsere Dokumentation auszustrahlen. Ausserdem haben wir die Doku bei vielen Filmfestivals eingereicht. Am 20. Oktober werde ich den Dokumentarfilm in meiner Ausstellung im AKKU Emmenbrücke (LU) an der Kulturnacht Viscosi zeigen.
Wie gelangst du an deine Projekte?
Das ist unterschiedlich. Manchmal sind Kontakte hilfreich, manchmal ergibt es sich aber auch einfach so. An einem meiner Lieblingsorte lebt eine recht grosse Population einer speziellen Wespenart, die Schornsteine baut – die Schornsteinwespe. Das fand ich sehr spannend und fotografierte es natürlich erst einmal. Dann dachte ich mir aber, dass es eigentlich cool wäre, die Wespen auch zu filmen. Deshalb habe ich letztes Jahr einen kurzen Dokumentarfilm darüber gedreht, den ich momentan am Fertigstellen bin. Andere Projekte plane ich eher im Voraus. Beispielsweise plane ich im nächsten Jahr, eine grössere Doku zu filmen.
Welche Tipps würdest du Leuten geben, die sich für die Naturfotografie oder das Filmen interessieren und sich verbessern wollen?
Eigentlich sind inzwischen alle Ressourcen, die man braucht, im Internet, beispielsweise auf YouTube. Will man zum Beispiel gute Makrofotografie machen, muss man sich halt schon ein bisschen Wissen aneignen. Ansonsten würde ich vorschlagen, einfach nach draussen zu gehen und sich inspirieren zu lassen. Natürlich kommt es stark auf das Tier an. Vor einem Fuchsbau etwa ist wichtig, dass man sich gut tarnt und auf die Windrichtung achtet. Generell gilt aber: ausprobieren, Zeit investieren und möglichst viel Geduld mitbringen.
Welche Ziele hast du für deine professionelle Zukunft?
Noch kann ich nicht von der Tierfotografie leben. Nebenbei arbeite ich deshalb noch immer als Kameramann und Fotograf für verschiedene andere Projekte. Als Freelancer zu arbeiten ist manchmal schon schwierig, aber man muss einfach immer dran bleiben. Der Traum wäre natürlich, einmal von Film und Wildlife-Fotografie leben zu können. Ein erster Schritt dazu ist sicherlich meine erste eigene Foto-Ausstellung im Oktober, die im AKKU in Emmenbrücke stattfinden wird. Die Vernissage ist am 30. September und die Finissage am 29. Oktober.
Schlafende Zwergharzbiene (Anthidiellum strigatum ♂) - Fotografiert in Luzern
Danke für den faszinierenden Einblick in dein Schaffen!
Quellen und weitere Informationen:
Website von Roman Willi
Kommentare (0) anzeigenausblenden