Der französische Philosoph und Vordenker des Zeitalters der Aufklärung, Jean-Jacques Rousseau, wird heute gerne mit dem Leitgedanken „retour à la nature“ in Verbindung gebracht. Obwohl das Zitat nicht von Rousseau selbst stammt, trifft es seine Geisteshaltung gut. Der Philosoph und Naturforscher hat verschiedentlich beklagt, dass die Natur dem Menschen abhandengekommen oder zumindest entrückt ist. Wie wir zu ihr zurückfinden, hat er allerdings nicht leicht auf den Punkt gebracht, und bis heute gibt es dafür kein einfaches Rezept. Unbestritten kommt eine wichtige Rolle dabei der Erziehung zu. In Rousseaus pädagogischem Hauptwerk „Emile oder über die Erziehung“ wird verschiedentlich auf die Bedeutung der natürlichen Entwicklung des Kindes hingewiesen. Er hatte damit einen nachhaltigen Einfluss auf die heute selbstverständliche Anerkennung der Kindheit als natürliche Phase des Lebens sowie auch auf die Entwicklung des modernen Bildungswesens.
Heute wird niemand mehr den Wert der Bildung bestreiten wollen. Die moderne Schule ist dennoch nicht nur ein Ort, an dem Kinder mit wertvollem Wissen ausgestattet werden, sondern ebenso der Schauplatz, an dem an der Kindesnatur herumgezogen und herumgeformt wird – durch Notendruck, Leistungsanforderungen und Disziplinierung. Entgegen ihrer „Zappelnatur“ müssen Kinder lernen, ruhig auf einem Stuhl zu sitzen. Sie müssen lernen, ihren Rededrang zu zügeln, Regeln einzuhalten, und sich verschiedene Kulturtechnologien anzueignen - vom Rechnen, Schreiben und Lesen bis hin zum Umgang mit dem Computer. Im Lehrplan inbegriffen sind auch verschiedene Umweltthemen. Im Primarschulfach „Mensch und Umwelt“ werden Themenbereiche wie die Ernährung, Pflanzen, Tiere oder Lebensräume behandelt.
Nichtschulische Lerninhalte
So wichtig die Lerninhalte der einzelnen Schulfächer für die heranwachsenden Kinder sind, so gross ist auch die Bedeutung anderer, nicht als Lernziele definierter Aspekte der schulischen Sozialisation. Dazu zählt etwa das Erwerben der Kompetenz, sich an fixe Zeiten zu halten, einen Stundenplan zu befolgen, Lektionen vor- und nachzubereiten sowie nicht zuletzt, den Schulweg selbstständig zu bestreiten. Auf dem Weg zur Schule und zurück nach Hause lernen Kinder nicht nur, sich eigenständig zu orientieren und im Verkehr richtig zu verhalten. Der Schulweg bietet den Kindern auch die Möglichkeit, selbstständig die Welt zu entdecken, Tiere und Pflanzen zu beobachten, Freundschaften zu schliessen und Freiräume zu nutzen. Der Schulweg ist ein wichtiges Stück Lebensweg und ein nicht zu unterschätzender Förderfaktor der Persönlichkeitsentwicklung.
Aufgrund des wachsenden Verkehrs und der damit verbundenen Angst vieler Eltern um die Sicherheit ihrer Kinder werden immer mehr Schüler per Elterntaxi zur Schule gebracht. In einigen Fällen mag diese Option gerechtfertigt sein. In den meisten Fällen dürfte es jedoch möglich sein, eine angemessen sichere Route ausfindig zu machen und den Schulweg gemeinsam mit den Kindern einzuüben, so dass ihnen diese Herausforderung überlassen werden kann. Wenn Kindern der Schulweg ermöglicht wird, können sie wertvolle Erfahrungen machen, die ihre Autonomie und Sozialkompetenz sowie auch ihren Bezug zur Umwelt fördern.
Mehr Informationen zum Thema Schulweg bietet der Fachverband FussgängerInnen Schweiz.
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