Die Schweizer Bevölkerung hat sich im Jahr 2005 für ein fünfjähriges Gentech-Moratorium in der Landwirtschaft ausgesprochen. Anschliessend wurde dieses vom Parlament um weitere drei Jahre bis im November 2013 verlängert. Pünktlich vor dem Auslaufen wurden vergangene Woche die Ergebnisse des Nationalen Forschungsprogramms 59 (NFP 59) mit dem Titel „Chancen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen“ in Bern präsentiert. Im Rahmen des Forschungsprogramms sind zahlreiche wissenschaftliche Publikationen ausgewertet worden, die für die Fragestellung und Situation in der Schweiz relevant sind. Als Ergebnis geht einerseits hervor, dass für den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen in der hiesigen Landwirtschaft mit keinen Gesundheits- und Umweltrisiken zu rechnen sein dürfte. Andererseits zeigte das NFP 59 auch, dass keine nennenswerten Vorteile für die Landwirtschaft und Nahrungsmittelversorgung in der Schweiz ableitbar sind, diese sich aber in Zukunft steigern könnten, etwa wenn Pflanzen mit kombinierten Merkmalen eingesetzt würden.
Traut man den Ergebnissen des NFP 59, könnte man der Gentechnik in der Schweizer Landwirtschaft durchaus grünes Licht geben. Allerdings gibt es viele Gründe, an der durch die Forschungsergebnisse verbreiteten Entwarnung zu zweifeln. Auch die Steigerung des Nutzens bleibt kritisch abzuwägen. Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL), der ein Mitglied der Begleitgruppe des NFP 59 war, hat folgenden Eindruck gewonnen:
Es gab ein Riesenbedürfnis, die Gentechnik als nützlich darzustellen. Die Literaturstudie hat wissenschaftliche Erkenntnisse, die nicht ins Schönwetterbild passten, systematisch als irrelevant disqualifiziert.
Es ist leicht einzusehen, dass Wissenschaftler und Forscher - obwohl ihr Tagesgeschäft ein hohes Mass an Objektivität und Gründlichkeit erfordert - ein Hang zum Technologieglauben haben. Oft liegen konkrete Interessen dafür vor, dass die Technologien, zu deren Entwicklung sie massgeblich beitragen, Anwendung finden und von Nutzen sind. Abgesehen von einer Tendenz zum Fortschrittsglauben ist die Wissenschaft auch fehlbar. Blickt man in die Wissenschaftsgeschichte zurück, zeigt sich, dass es immer wieder grosse Irrtümer gegeben hat. So wurde beispielsweise Asbest als Wunderfaser gepriesen, die eine grosse Festigkeit aufweist sowie Hitze und Säureresistent ist, weswegen die Fasern in der Bau- und Insolationsindustrie weite Verbreitung fanden. Erst Jahre später wurde deren eindeutig gesundheitsschädigende Wirkung belegt und die Fasern deshalb in vielen Ländern verboten. Es gibt keine endgültige Sicherheit dafür, dass die tatsächlichen Konsequenzen gentechnisch veränderter Pflanzen durch die Forschungsbemühungen korrekt eingeschätzt wurden. Die Konsumenten hierzulande wissen das zumindest instinktiv; deshalb ist noch immer eine Mehrheit für eine gentechfreie Schweiz.
Die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen birgt nicht nur unkalkulierbare Risiken, sondern hat auch eindeutige Nachteile. So verstärkt sie die Tendenz zu einer produktivitätsorientierten und umweltbelastenden Intensivlandwirtschaft. Die Nachfrage nach schädlings- und krankheitsresistenten Kulturpflanzen ist nicht naturgegeben, sondern das Ergebnis umweltbelastender Anbaupraktiken wie Monokulturen. Würde man grundsätzlich in Richtung einer nachhaltigen Landwirtschaft umdenken, könnte auf genetisch veränderte Pflanzen verzichtet werden. In der kleinen Schweiz wäre auch die Trennung gentechnisch veränderter und naturbelassender Anbaufelder problematisch. Schliesslich ist auch das Argument, durch gentechnisch entwickelte, „robustere“, also etwa dürreresistentere Getreidesorten den weltweiten Hunger zu bekämpfen, zweifelhaft, würden bedürftige Länder dadurch in aller erster Linie noch stärker von der westlichen Biotechnologiebranche abhängig gemacht werden.
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