Das AfA beschäftigt sich nicht nur mit der Geschichte der Bauern und Bäuerinnen, sondern versteht sich als Archiv, Forschungs- und Vermittlungsstelle der ländlichen Gesellschaft. Darunter wird das gesellschaftliche Gefüge im ländlich geprägten bzw. ländlich gebliebenen Raum verstanden (vgl. den Eintrag „Ländliche Gesellschaft“ im Historischen Lexikon der Schweiz). Die Breite dieses Ansatzes wird am Beispiel aller vom AfA erschlossenen Archivbeständen ersichtlich: Nebst Forschungsanstalten (etwa Agroscope ART Reckenholz-Tänikon) oder landwirtschaftlichen Schulen sind auch agrarische Interessenvertreter wie Bauernverbände, Saatzuchtgenossenschaften, landwirtschaftliche Genossenschaften, Vereinigungen der Tierzüchter, Milchproduzenten, Gesindeverbände, usw. zu erwähnen. Wir finden aber auch Quellen zu Firmen (Dr. Rudolf Maag AG – heute Teil von Syngenta), sowie Nachlässe von Einzelpersonen.
Doch das AfA ist kein typisches Archiv, es wird als virtuelles Archiv bezeichnet; dies bezieht sich aber nicht auf eine digitale Speicherung der Akten, sondern meint nur, dass es weder über einen Lesesaal noch ein Magazin verfügt. Die Organisation fungiert als eine Art „Go-Between“ zwischen „richtigen“ Archiven und den Aktenbildnern. Das heisst, dass die Mitarbeitenden des AfAs vorgefundene Akten – Fotografien, Protokolle, Briefe, Tagebücher, Pläne; Filme, usw. – sichten, bewerten, ordnen, und die so erschlossenen Bestände anderen Archiven wie etwa kantonalen bzw. städtischen Einrichtungen oder aber auch Spezialarchiven übergeben.
Geschichte geht alle etwas an, und wir alle brauchen Quellen, um Erkenntnisse zu gewinnen. Denn von der Zukunft kann man nicht lernen, man kann sie höchstens deuten. Quellen machen die Deutungen genauer und korrigieren falsche Vorstellungen.
Peter Moser, Leiter Archiv für Agrargeschichte
2002 war der Moment reif, um dieses Spezialarchiv zu begründen; eine neue Institution, welche die lange Zeit vernachlässigte Agrargeschichte neubelebte – und endlich begann die reichhaltigen Bestände zu archivieren, welche bisher oftmals unbemerkt in Kellerabteilen und Estrichen schlummerten. Ziel dieser Bestrebungen ist es natürlich, die Unterlagen der Forschung zugänglich zu machen. Um sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen ist es unerlässlich, über möglichst viele verschiedene Quellen aus mannigfaltiger Provenienz zu verfügen. Mit diesem neugeschaffenen Wissen können wir auch zur Deutung der Gegenwart und somit für die Schaffung einer Zukunft vieles lernen.
„Das AfA ist eine Antwort auf die Diskussion darüber, welche Funktion die Landwirtschaft in der Schweiz wahrnehmen soll,“ so der Leiter und Initiant Peter Moser (vgl. Journal B). Durch die fortschreitende Globalisierung wurde der, bis zu Beginn der 1990er Jahre vorherrschende Konsens, was von der Landwirtschaft erwartet wird, in Frage gestellt: Die Bauern und Bäuerinnen sollen die Ernährungssicherheit für die schweizerische Bevölkerung garantieren. Doch plötzlich wurde viel mehr von der Landwirtschaft erwartet; man sollte über die Grenzen hinaus seine Produkte absetzen oder der Landwirt wurde zum Landschaftsgärtner, bzw. zum Landschafts-, Natur- und Tierschützer. Viele einander teilweise diametral entgegenstehende Erwartungen tauchten auf. Diese Diskussionen sind mitnichten verstummt; in den nächsten Wochen werden solche divergente Vorstellungen anlässlich der Behandlung der „Agrarpolitik 2014-2017“ im schweizerischen Ständerat für rote Köpfe sorgen.
Weiterführende Informationen:
Archiv für Agrargeschichte:
Datenbank "Bild- und Tondokumente zur ländlichen Gesellschaft"
Publikationen:
Allemann, Jessica, „Im Archiv tut sich die Welt auf“, in: Journal B, 05.11.2012.
Brodbeck, Beat/Ineichen, Martina/Schibli, Thomas, Geschichte im virtuellen Archiv. Das Archiv für Agrargeschichte als Zentrum der Archivierung und Geschichtsschreibung zur ländlichen Gesellschaft (Studien und Quellen zur Agrargeschichte 3), Baden 2012.
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