Die Kraft des Wassers zur Stromerzeugung wird in der Schweiz bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts genutzt. Heutzutage umfasst der inländische Wasserkraftwerkpark 556 Zentralen (diese produzieren jeweils mindestens 300 kW) und rund 1000 Kleinwasserkraftwerke. Alle Anlagen zusammen decken ungefähr 60 Prozent des inländischen Strombedarfs (Vgl. BAFU und BFE). Laut WWF sind rund 95 Prozent der erschliessbaren Wasserkraft in der Schweiz bereits genutzt. Trotz der flächendeckenden Gewässerauslastung möchte der Bund in Zukunft die Wasserkraftnutzung weiter fördern und Genehmigungsverfahren, auch in Schutzgebieten erleichtern. Hierfür sollen nicht nur bereits bestehende Anlagen erneuert, sondern auch ausgebaut werden. Bei diesen baulichen Massnahmen müssen zwar die gesetzlichen Umweltstandards eingehalten werden, allerdings sind laut Pronatura die Bestimmungen bereits heute „am ökologischen Minimum“.
Auch wenn die Nutzung der Wasserkraft zur Stromerzeugung aus Sicht der regenerativen Energien erstrebenswert ist, so sollte nicht vergessen werden, dass Wasserkraftwerke, unabhängig von ihrer Grösse gravierende Eingriffe in die Natur und in Ökosysteme bedeuten. Diese bringen zum Teil irreversible Veränderungen und Schäden mit sich: Der natürliche Gewässerlauf wird unterbunden, der Wasserpegel wird der Stromnachfrage angepasst, die Kraftwerke selber bilden Hindernisse und verhindern dadurch, dass Fische zu ihren Laichgebieten wandern können, selbst sogenannte Fischtreppen können dem Problem nicht immer Abhilfe schaffen, uvm.„Die Genehmigungsbestimmungen sind bereits heute „am ökologischen Minimum“ Pronatura
Der Bach Spöl im Nationalpark Engadin galt als Vorzeigebeispiel für eine positive Zusammenarbeit zwischen Natur und Technik. Trotz der Staumauer wurde durch das „Dynamische Restwassersystem“ so viel Wasser in den Bach geleitet, dass dieser wieder zu einem Gebirgsbach, mit entsprechender Lebewelt wurde. Da der Wasserstand im Lago di Livigno stark gesunken ist, was laut Jachen Gaudenz (Leiter der Instandhaltung der Engadiner Kraftwerke) auf den starken Stromverbrauch zurückzuführen sei, und auf Grund technischer Schwierigkeiten wurde die Restwasserversorgung des Baches unterbrochen und dieser drohte trocken zu fallen. Als Gegenmassnahme wurden am Ostersonntag die Grundwasserabflüsse geöffnet und ein künstliches Hochwasser eingeleitet. Allerdings wurde dadurch eine grosse Menge an Feinmaterial mobilisiert, so dass auf einer Länge von sechs Kilometern im Bach sämtliche aquatischen Organismen in dem Schlamm erstickten. Zudem gelangten Tausende Fische im Stausee in die Grundwasserturbinen und verendeten dort.
Die Handhabung mit dem Restwasser ist generell ein grosses Problem. Obwohl gesetzlich eine Mindestwassermenge vorgeschrieben ist, halten sich laut WWF viele Kraftwerksbetreiber nicht daran.
Des Weiteren sind künstliche Hochwässer Gang und Gebe bei Wasserkraftwerken. In den Phasen des höchsten Strombedarfs wird schwallartig Wasser (sog. Schwall) durch die Turbinen geleitet und anstehende Gewässer überflutet. Anschliessend wird bei Sunk das Wasserniveau, auf einen Pegel, zum Teil unterhalb des natürlichen Wasserstandes abgesenkt, wodurch das Gewässer trocken fallen und mit Feinmaterial verstopft werden kann. An diese anthropogen induzierten Phasen sind die Wasserlebewesen nicht angepasst; vor einem natürlichen Hochwasser dagegen steigt der Grundwasserspiegel, was von den Tieren wahrgenommen wird und sie entsprechend reagieren können.
Da der vermehrte Stromverbrauch Ursache der massiven Eingriffe und Konsequenzen ist, braucht es auch hier ein Umdenken – weniger Stromverschwendung statt immer mehr Eingriffe in Natur und Landschaft für wenig zusätzlichen Nutzen (Pronatura).
Weiterführende Informationen:
Erleichterungen bei Genehmigungsverfahren
Pronatura – Wasserkraft
WWF – Hintergrundwissen
WWF – Auswirkungen des Schwallbetriebes auf das Ökosystem der Fliessgewässer
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