Kohlenkraftwerke bieten eine „schnelle Alternative“ für die auslaufenden Atomkraftwerke. Beliebt sind sie aber auch, weil sie immer günstiger werden: Durch den aktuellen Preisfall der CO2-Zertifikate auf unter 4 Euro pro Tonne profitieren klimaschädliche Kohlekraftwerke in der ganzen EU. Als Folge davon werden nicht nur die alten, besonders klimaschädlichen Werke ausgebaut, sondern auch zahlreiche neue Kohlekraftwerke erstellt, welche jeweils für mindestens vierzig Jahre am Netz bleiben sollen. Die Energieproduktion durch Kohleverbrennung nimmt in ganz Europa zu! Allein in Deutschland, dem weltweit grössten Braunkohleförderer, sind derzeit 15 neue Kohlenkraftwerke im Bau. In der Schweiz gibt es zwar keine Kohlenkraftwerke, viele Schweizer Stromversorger investieren aber in den Bau von neuen Werken im Ausland, um dort Strom zu beziehen.
Obwohl die neuen Werke etwas „sauberer“ sind, haben auch sie bedenkliche Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Die Universität Stuttgart hat in einer neuen, umfassenden Studie im Auftrag von Greenpeace die gesundheitlichen Risiken für die Bevölkerung im grösseren Umkreis der Kraftwerke analysiert. Die Ergebnisse sind eindeutig: Die Kohlenkraftwerke verursachen bei der Bevölkerung grosse gesundheitliche Probleme und teilweise sogar den frühzeitigen Tod. Giftige Emissionen aus Kohleschloten wie Schwefeldioxid, Stickoxide, Russ und Staubemissionen bilden in der Luft Feinstaub. Die kleinsten Teilchen dringen beim Einatmen in die Lunge und die Blutgefässe ein und können unter anderem zu Atemwegserkrankungen, Herzinfarkten, Lungenkrebs oder Asthmaanfällen führen. Da sich die Schadstoffe über tausende Kilometer ausbreiten, betreffen sie Menschen in ganz Europa. Die Kohlekraftwerke dürften massgeblich daran beteiligt sein, dass fast ein Drittel der städtischen EU-Bevölkerung einer Feinstaubbelastung ausgesetzt ist, welche die EU-Grenzwerte übertrifft. Diese Grenzwerte tolerieren bereits mehr als doppelt so hohe Schadstoffkonzentrationen wie die WHO empfiehlt.
"Knapp 40% der erzeugten elektrischen Energie basiert heute auf dem fossilen Brennstoff Kohle."
WWF
Doch nicht nur die Gesundheit der Europäer wird durch den aktuellen Kohleboom in Europa gefährdet…
In Deutschland und weiten Teilen Europas setzt man zunehmend auf die Förderung von Braunkohle, welche im Tagebau gewonnen wird. Das Verfahren zerstört die Landschaft und belastet die Umwelt mit gesundheitsschädlichem Kohlenstaub, ist aber wirtschaftlich rentabel. Bei der Förderung von Steinkohle, die unter der Erde stattfindet, sind die Umweltrisiken geringer als bei der Braunkohleförderung. Die Kosten dieser Variante sind jedoch so hoch, dass die Förderung sich ohne Subventionen nicht rechnet. Da die Subventionen für den Steinkohleabbau in Deutschland gestrichen werden, wird dieser bald eingestellt sein. Das Land verbrennt jedoch zunehmend Kohle und muss das fehlende Material deshalb aus Übersee importiert werden. So werden bereits heute Millionen Tonnen Steinkohle jährlich aus Kolumbien und anderen Ländern nach Deutschland gebracht. In Kolumbien wird die Steinkohle jedoch im offenen Tagebau gefördert und die Umweltauflagen sind wesentlich geringer als in Europa. Infolgedessen leiden Tausende Menschen, besonders Kinder und ältere Personen, an der extrem hohen Methan- und Feinstaubbelastung. Die Krankenhäuser in der Umgebung der Förderstätten sind komplett überfüllt, wie der aktuelle TV-Beitrag „Das Comeback der Kohlekraftwerke“ (ARD) zeigt. Auch die Klimabilanz dieser importierten Kohle fällt aufgrund der Umweltverschmutzung im Förderland und des weiten Transportes ziemlich schlecht aus.
Statt die Kohleförderung weiter voranzutreiben, wäre es wichtig, erneuerbare Energien, aber insbesondere auch die Reduzierung des Stromverbrauchs zu fördern. Gerald Neubauer von Greenpeace betont: „Wir halten gar nichts davon, neue Kohlekraftwerke zu bauen, weil sie voraussichtlich 40 Jahre am Netz bleiben sollen und damit den Umstieg auf erneuerbare Energien über Jahrzehnte blockieren.“
Kommentare (0) anzeigenausblenden