Zentralschweizer Geothermie mit Potenzial

13 Okt 2014

Der Geothermie haftet ein ambivalenter Ruf an. Einerseits hätte sie offenbar das Potenzial, einen wichtigen Beitrag zum erneuerbaren Energiemix zu liefern. Gleichzeitig aber hat ihr Image durch das Erdbeben von Basel und das abgebrochene Projekt in St. Gallen gelitten. Eine Exkursion von „reNatour“ hat letzten Freitag drei vielversprechende, an sich aber sehr unterschiedliche Geothermie-Projekte in der Zentralschweiz besucht.

Der Begriff Geothermie mag in vielen diesen „Ja, aber…“-Reflex wecken. Sie hat auf der einen Seite dieses schier unendliche Energiepotenzial im Rücken, wie es sonst nur noch die Sonnenenergie kennt. Auf der anderen Seite haben gescheiterte Grossprojekte wie in Basel oder St. Gallen Ängste in der Bevölkerung geschürt.

Sonnen- und Schattenseiten

Eine Fachexkursion vom Freitag, 10. Oktober, organisiert vom Projekt reNatour der Luzerner Stiftung für Umweltinformation, hat vor allem das Potenzial der Geothermie anhand dreier Pionier-Beispiele in der Zentralschweiz aufgezeigt. Im Gewerbepark D4 in Root bestaunten die Exkursionsteilnehmer den geothermischen Diffusionsspeicher – einer der grössten der Schweiz. In Weggis bekamen sie eine 2300 Meter tiefe Bohrung zu Gesicht, die zur Erdwärmesonde umfunktioniert wurde und nun mehrere Mehrfamilienhäuser mit Wärme versorgt. In Immensee wiederum präsentierte die C. Vanoli AG ihre zwölf Erdsonden à 150 Meter. Deren Wärmepumpen und eine 420 m2-Photovoltaik-Anlage versorgen das Betriebsgebäude mit Wärme und Strom.

Geothermie macht besonders dann Sinn, wenn deren Strombedarf mit einer Photovoltaik-Anlage abgedeckt wird.
Dr. Hans-Niklaus Müller, Luzerner Stiftung für Umweltinfomation

Geothermischer Diffusionsspeicher

Im Gewerbepark D4 in Root steht der erste geothermische Diffusionsspeicher der Schweiz. Der umtriebige Geologe Beat Keller war massgeblich am damaligen Pilotprojekt beteiligt. Seit der Eröffnung im Jahr 2003 regulieren 49 Erdwärmesonden, die bis in eine Tiefe von 160 Meter reichen, den Wärmehaushalt. Im Sommer wird Wärme in den Boden geleitet und Kälte entzogen, im Winter umgekehrt. Während einzelne Erdwärmesonden Einfamilienhäuser ausschliesslich heizen, können solche Sondenfelder zum Heizen wie zum Kühlen genutzt werden. Eine 660 m2 Sonnenkollektoranlage auf dem Dach liefert zusätzlich Warmwasser und dient daneben vor allem der Regeneration des Speichers während der Sommermonate. Für Wärme sorgt ebenfalls eine Schnitzelfeuerung im Untergeschoss. Das Holz schlägt die Korporation wenige hundert Meter entfernt am Rooterberg. Die Schattenseite dieser kombinierten Anlage: Die Wärmeproduktion wird zu Spitzenzeiten im Winter noch von einer konventionellen Ölfeuerung unterstützt.

2302 Meter in die Erde

Ein Szenewechsel bot sich der Gruppe am nächsten Standort. An der Kreuzstrasse in Weggis (LU) war über Jahrzehnte ein Tüftler mit Pioniergeist am Werk. Mit Unterstützung des Bundesamts für Energie (BFE) und bulgarischen Ingenieuren hat Hans Füglister (†) zwischen 1992 und 1993 in Weggis bis auf 2302 Meter gebohrt (hier finden Sie mehr Informationen). Sie hofften, auf rund 70° C warme Wassvorkommen zu stossen. Da dies jedoch nicht eintrat, beendete das BFE das Vorhaben als Fehlschlag. Das Bohrloch wurde dann 1994 zur schweizweit tiefsten Erdwärmesonde ausgebaut. Der rührige ehemalige Landwirt Erwin Muff, seit 17 Jahren Hauswart an der Kreuzstrasse, führte die Geothermie-Interessierten in die Welt der Weggiser Erdsonde ein; er hat die Anlage mit viel Tüftlerblut in den letzten Jahren optimiert.

Vorzeigeunternehmen in Immensee

Der letzte Etappenhalt führte an einen geschichtsträchtigen Ort der Schweiz; an die Artherstrasse, in Armbrust-Schussweite der Hohlen Gasse. Hier hat die C. Vanoli Gruppe im letzten Jahr ein Gewerbegebäude realisiert, das die Erdwärme aus zwölf Bohrlöchern à 150 Meter nutzt. Der Strom für die Wärmepumpen liefert eine PV-Anlage auf dem Dach. Die monokristalline Anlage verfügt über eine Modulfläche von 420 Quadratmetern. Sie produziert rund 256‘000 Kilowattstunden pro Jahr; genug Strom für 14 Einfamilienhäuser. Laut Sandro Vanoli, der die Teilnehmer persönlich über den Neubau informierte, entspricht dieser Bau der Philosophie der Bauunternehmung. Bei jedem Neubau klären sie zuerst ab, ob Erdwärme oder Grundwasserwärme nutzbar sind. „Wir verbauen nur noch konventionelle Heizungen, wenn der Anschluss beispielsweise an ein Fernwärmenetz Pflicht ist“, erklärte er.

Pioniergeist und Einsatzwille

Die vorgestellten Projekte und die intensiven Gespräche während der Exkursion machten deutlich: Es gibt nicht das eine Wundermittel für die Energiewende. Jede Technologie sollte mit Bedacht eingesetzt werden, jede hat ihre Schatten- und Sonnenseiten. Grosses Potenzial ergibt sich besonders durch die Kombination verschiedener erneuerbarer Energien. Exkursionsleiter Hans-Niklaus Müller betonte mehrmals, dass Geothermie besonders dann Sinn macht, wenn deren Strombedarf mit einer PV-Anlage abgedeckt wird. Die drei Beispiele, so unterschiedlich sie sein mochten, zeichneten sich aber vor allem durch eine Gemeinsamkeit aus: Den Pioniergeist und Einsatzwillen von Akteuren, die nicht nur reden, sondern auch voranschreiten.

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