Brennendes Eis erhitzt Klimagemüter

23 Jan 2015
Schlammiges Meeressediment mit schichtig eingelagertem Methanhydrat Schlammiges Meeressediment mit schichtig eingelagertem Methanhydrat

„Brennendes Eis“: Hinter diesem Namen versteckt sich ein Energieträger, von dem Regierungen, Konzerne und Forscher schon länger hoffen, er könne einmal die Energiezukunft mitgestalten. Brennendes Eis, das sind Methanhydrate - in Wasserkäfige eingeschlossenes Methan. Umweltschützer warnen davor, und Geologen haben noch unzählige Fragen zu klären. Unter anderem: Wie beeinflussen Methanhydrate das Klima und die Stabilität von Meeresböden?

Beim Wort „Methanhydrat“ zuckt zusammen, wer Frank Schätzings Science-Fiction-Roman Der Schwarm gelesen hat; dort zehren Wurmkolonien und Bakterien Methan auf und bringen Meeresböden zum Einstürzen. Die Folge sind verheerende Tsunamis. Auch sonst ist die feste, eisförmige Verbindung aus Wasser und Methan ein heimtückischer Genosse: In „freier Natur“ wurde es erstmals in den 1930er-Jahren entdeckt, als es eine Gaspipeline verstopfte. Bei der Ölkatastrophe 2010 im Golf von Mexiko, als Hunderte von Millionen Liter Öl ins Meer flossen, funkte Methanhydrat ebenfalls rein: Der erste Versuch, das ausströmende Öl einzufangen musste abgebrochen werden, weil sich im Innern der Absaugglocke Methaneis gebildet hatte. Seit Jahrzehnten hoffen Wissenschafter, Regierungen und Konzerne zugleich, das aus den Hydraten gewonnene Methan (CH4) als schier unendliche Energiequelle anzapfen zu können. Die wildesten Schätzungen gehen davon aus, dass die Vorräte an Methanhydraten diejenigen an klassischen fossilen Brennstoffen bei Weitem übersteigen.

Japan will's wissen

Wissenschafter versuchen sich seit Jahren in geeigneten Abbaumethoden. Laut Spiegel hat sich Japan Anfang 2013 an die persona non grata gewagt und mit Testbohrungen zum ersten Mal begonnen, Methanhydrat aus der Tiefsee zu fördern. Das Land, das einen Grossteil seiner Energie importieren muss, will 2018 beginnen, Methanhydrat kommerziell zu fördern. Doch mit dem „brennenden Eis“, wie die Verbindung oft auch genannt wird, sind viele Unsicherheiten und Ungewissheiten verknüpft. Umweltschützer befürchten den Super-Gau fürs Klima, würden die Methan-Ressourcen angezapft. CH4 ist nämlich rund 20-mal klimawirksamer als Kohlendioxid. Ein klimatischer Teufelskreis wäre zu befürchten, brannte in Kraftwerken plötzlich Methan nicht nur aus Erdgasvorräten, sondern auch vom Meeresgrund gewonnen: Im durch den Klimawandel erwärmten Meerwasser drohten einst stabile Methanhydrate sich zu lösen, CH4-Blasen würden aufsteigen und den Klimawandel weiter ankurbeln. Selbst die wirtschaftsliberale Weltwoche schrieb 2001 in einem Artikel: „Ein unvorsichtiger Eingriff des Menschen in das noch viel zu wenig bekannte Ökosystem der Tiefsee ist deshalb nicht zu verantworten.“ Einen Vorteil hat Methan klimatisch gesehen: Es verbrennt sauberer als Erdöl und Kohle.

Was ist Methanhydrat?

Ist die Temperatur tief und der Druck hoch genug, können die Wassermoleküle in einer Art Käfig Methan vollständig umschliessen. Das Gas ist dann in einer eisähnlichen Struktur eingelagert. Dazu notwendig ist bei einer Wassertemperatur von 2 bis 4 Grad Celsius ein Druck von rund 50 bar, wie er etwa in einer Wassertiefe von 500 Metern herrscht; ist das Wasser wärmer, muss der Druck dementsprechend höher sein. Diese Bedingungen von Druck und Temperatur finden sich im Ozean meist im Bereich der Kontinentalabhänge, der Zone zwischen flachen Kontinentalsockeln und den tiefen Meeresböden und reichen bis rund 2000 Meter tief. Methan entsteht unter anderem im Sediment dieser Hänge in grossen Mengen. Plankton und anderes organisches Material sinken ab und werden von Kleinstlebewesen wie Bakterien zu Methan abgebaut. Auf den Ozeanböden selbst ist wenig Methanhydrat zu erwarten, denn bis hierhin schafft es abgestorbenes organisches Material kaum.

Die Methanhydratfelder am Kontinentalabhang sind fragil, Untersee-Beben oder schon leichte Veränderungen von Wassertemperatur oder Druckverhältnissen können Methan aus den Methanhydraten freisetzen. Neben Meeressedimenten finden sich Methanhydrate auch in polaren Permafrostböden, wo sie schon in Tiefen von rund 100 Metern lagern und in arktischen Gebieten auch im weniger tiefen Kontinentalschelf – tiefe Wassertemperaturen ermöglichen dies. Die Hydrate wirken dabei im Porenraum des marinen Sediments wie Zement und erzeugen eine hohe Festigkeit und Stabilität im Meeresboden. Hydratschichten in den Ozeanböden können mehr als 1000 Meter dick werden. Wissenschafter streiten sich darüber, wie bedeutend die Vorkommen an Methanhydrat mengenmässig sind. So oder so: Nur sehr geringe Vorkommen an Methanhydrat wären tatsächlich als Energiequelle nutzbar, wie die Forscherin Tina Treude auf der Webseite des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel (Geomar) schreibt.

Rutschen sie oder rutschen sie nicht?

 

Auf jeden Fall liegt Methan im Methanhydrat in stark verdichteter Form vor, ein Kubikmeter davon bindet 164 Kubikmeter brennbares Methan. Bereits ein Brocken „brennendes Eis“ stösst so viel Methan aus, dass eine Flamme durchgehend brennt, bis das Gashydrat vollständig zersetzt ist. Es wäre also durchaus eine potente Energiequelle. Die Förderung von Methanhydraten ist jedoch wortwörtlich ein Spiel mit dem Feuer. Normalerweise hält das Methaneis die Sedimente wie Zement zusammen. Taut das Methanhydrat allerdings auf, könnten ganze Kontinentalhänge abrutschen und Tsunamis verursachen. Wie Wissenschafter vermuten, geschah dies auch vor rund 10‘000 Jahren bei der sogenannten Storegga-Rutschung zwischen Norwegen und Island. "Die Hypothese mit den Kontinentalhängen wird schon sehr lange diskutiert", sagt der Forscher Christian Berndt allerdings gegenüber Geo. Bisher hätte aber noch niemand zeigen können, dass Gashydratauflösungen tatsächlich zu Hangrutschungen führen. Neben diesen Rutschungen fürchten Umweltschützer vor allem die Folgen für das Klima, würde Methan aus Hydratquellen verbrannt. Befürworter des Abbaus von Methanhydraten wiederum argumentieren laut Beobachter, es wäre für das Weltklima besser, das Methangas würde zum weniger klimaschädlichen Kohlendioxid verbrannt, als dass es ungehemmt in die Atmosphäre entweiche.

Ziel muss sicher sein, das Methan möglichst am Ausgasen zu hindern. In einem Artikel aus Die Zeit empfehlen Deutsche Wissenschafter daher, nur jene Methanhydrat-Vorkommen anzubohren, die unter einer dichten Tonschicht lagern. Dieser Deckel würde verhindern, dass Methan unfreiwillig ausgast. Ihrer Theorie gemäss könnte CO2, Abfallprodukt aus Kohle- und Gaskraftwerken, in die Methanhydrat-Schichten gepumpt werden. Das Kohlendioxid würde mit dem Methaneis reagieren, woraufhin dieses gasförmig würde und abgepumpt werden könnte. Das CO2 wiederum würde selbst eine feste Hydratstruktur bilden und die Sedimentschichten stützen. Gegenüber Die Zeit sagt der Wissenschafter Klaus Wallmann: „CO2-Hydrate sind chemisch sogar stabiler als die aus Methan.“ Er glaubt, Verbrennungsreste aus Kraftwerken könnten damit dauerhaft deponiert werden; ein relativ geschlossener Zyklus entstünde: CH4 verbrennt zu CO2 und dieses wird im Sediment abgelagert, wo es wiederum Methan löst.

Kommentar schreiben

Die Kommentare werden vor dem Aufschalten von unseren Administratoren geprüft. Es kann deshalb zu Verzögerungen kommen. Die Aufschaltung kann nach nachstehenden Kriterien auch verweigert werden:

Ehrverletzung/Beleidigung: Um einen angenehmen, sachlichen und fairen Umgang miteinander zu gewährleisten, publizieren wir keine Beiträge, die sich im Ton vergreifen. Dazu gehören die Verwendung von polemischen und beleidigenden Ausdrücken ebenso wie persönliche Angriffe auf andere Diskussionsteilnehmer.

Rassismus/Sexismus: Es ist nicht erlaubt, Inhalte zu verbreiten, die unter die Schweizerische Rassismusstrafnorm fallen und Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnie, Kultur oder Geschlecht herabsetzen oder zu Hass aufrufen. Diskriminierende Äusserungen werden nicht publiziert.
Verleumdung: Wir dulden keine Verleumdungen gegen einzelne Personen oder Unternehmen.

Vulgarität: Wir publizieren keine Kommentare, die Fluchwörter enthalten oder vulgär sind.

Werbung: Eigenwerbung, Reklame für kommerzielle Produkte oder politische Propaganda haben keinen Platz in Onlinekommentaren.

Logo von umweltnetz-schweiz

umweltnetz-schweiz.ch

Forum für umweltbewusste Menschen

Informationen aus den Bereichen Umwelt, Natur, Ökologie, Energie, Gesundheit und Nachhaltigkeit.

Das wirkungsvolle Umweltportal.

Redaktion

Stiftung Umweltinformation Schweiz
Eichwaldstrasse 35
6005 Luzern
Telefon 041 240 57 57
E-Mail redaktion@umweltnetz-schweiz.ch

Social Media

×

Newsletter Anmeldung

Bleiben Sie auf dem neusten Stand und melden Sie sich bei unserem Newsletter an.