Stahlbetondrache schluckt Müll und speit Energie

30 Nov 2015
Die Renergia - ein Stahlbetondrache Die Renergia - ein Stahlbetondrache

Seit Anfang 2015 brennen in der Kehrichtverbrennungsanlage Renergia in Perlen/Root die Verbrennungsöfen. Dank der Dampflieferung kann die Perlen Papier AG jährlich auf 40 Millionen Liter Heizöl verzichten. Gleichzeitig werden 38‘000 Haushalte mit Strom aus Abfall versorgt.

Vom Ei zum ausgewachsenen Drachen

Als Ende 2010 das Planauflageverfahren zur Zonenplanänderung gestartet wurde, hatten die Schweizer Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) bereits eine Überkapazität. Die Zentralschweizer Abfallverbände entschieden sich trotzdem für das Megaprojekt Renergia, da viele Anlagen bereits älteren Baujahres sind und im Grünen errichtet worden sind: Dies macht sie ineffizient und umweltbelastend. Am 26. Juni wurde mit der Renergia in Perlen/Root das grösste Elektrizitätswerk des Kantons Luzern offiziell eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt brannten die Feuer in den beiden Öfen schon beinahe ein halbes Jahr.

Noch vor der offiziellen Eröffnung wurde die neue KVA einem ersten Stresstest unterzogen. Nach dem Brand der KVA Oftringen im Mai wurde der betreffende Abfall in die Renergia umgeleitet. Obwohl ein halbes Jahr vor dem geplanten Termin schluckte die neue Anlage die zusätzlichen Mengen – nicht zuletzt dank des qualifizierten Betriebspersonals.

Unter Volllast verbrennt die neue KVA 200‘000 Tonnen Abfall aus der ganzen Zentralschweiz. Was bisher aus diesem Raum in die KVAs von Horgen, Winterthur und Niederurnen ausgeführt wurde, hat nun grösstenteils einen kürzeren Anfahrtsweg.

Heutzutage sorgen KVA nicht nur für ein kleineres Deponie-Volumen, sondern sie dienen der Energieproduktion. Abfall hat einen ähnlichen Energiewert wie Holz. Die Vorgängerin der Renergia, die KVA Ibach, hatte eine Energieeffizienz von 29 %. Der gesamte Energienutzungsgrad der neuen Anlage liegt bei 70 %.

Dieser aussergewöhnlich hohe energetische Wirkungsgrad wird möglich, da die Anlage direkt neben der Perlen Papier AG (PaPe) – auf deren Grundstück – gebaut wurde. So kann die Renergia der PaPe heissen Dampf äquivalent zu 40 Millionen Litern Heizöl liefern. Dies führt zu einer Reduktion des CO2-Ausstosses um 90‘000 Tonnen; was 20 % der im Kanton Luzern gefahrenen Autokilometer entspricht.

Bevor der Dampf an die Papierfabrik geliefert wird, gewinnt man daraus Strom (155'000 MWh), welcher direkt ins lokal gut ausgebaute Stromnetz eingespeist werden kann. Bis zu 38‘000 Haushaltungen kommen so zu halbwegs CO2-neutralem Strom.

Nicht nur Schall und Rauch - viel Schlacke bleibt übrig

Das Feuer brennt mit konstant 800 Grad Celsius. Nur was klein genug ist und auch tatsächlich brennt, wird in der Stunde im Ofen zu Asche. Der Rest kommt unten so heraus, wie er oben reinging. Aus 1000 Kilogramm Abfall entstehen trotz aller Effizienz mehr als 200 Kilogramm Rohschlacke.

Diese Rohschlacke wird mit Lastwagen, die Kehricht angeliefert haben, in eins von drei Partnerunternehmen gebracht. Dort wird die Rohschlacke sortiert. Wiederverwertbares wie Metall wird herausgelesen und verkauft. Grosse Holzstücke und weiteres brennbares Material, welches nicht verbrannt ist, wird in die Renergia zurückgeliefert. Die Asche, Gestein, Glas und weiteres unbrennbares Material wird vorschriftsgemäss deponiert.

Die Rauchgasreinigungsanlage ist so fortschrittlich, dass die Luftreinhalte-Grenzwerte um ein vielfaches unterschritten werden. Dies ist denn auch der komplizierteste und platzintensivste Teil der Anlage. Mehrere Filter entnehmen alle möglichen Schadstoffe. Einzig die Entstehung von Kohlenmonoxid muss schon bei der Verbrennung unterbunden werden, da es nicht abgeschieden werden kann.

Ein Teil der Rauchpartikel wird als Schlacke abgelagert, ein Teil wird an Partnerunternehmen weitergeschickt, wo ‘Rauch-Reinigungsstoffe‘ wie Soda (Natriumhydrogencarbonat) recycelt werden, beziehungsweise Zink aus dem Abfall in einer ‘nassen‘ Rauchwäsche ebenfalls zurückgewonnen werden kann.

Der Dampf, der nicht an die PaPe geliefert wird, soll künftig über ein Fernwärmenetz – welches sich zurzeit im Bau befindet – verteilt werden. Der restliche Dampf wird über Luftkondensatoren abgekühlt und abgegeben. Die Wasserkühlung mit Hilfe der Reuss (wie bei der Vorgängerin) ist nicht mehr nötig.

Ausgleichende Gerechtigkeit

Da ein grosses Stück Grünland verbaut wurde, müssen Ökologische Ausgleichsmassnahmen auf Rooter Gebiet vorgenommen werden. Der Wilbach sowie Teile des Flachmoores Unterallmend und eventuell die Ron werden renaturiert.

Bildergalerie

  • Click to enlarge image 15_11_30_Renergia 094.JPG Die Renergia in Perlen verbrennt den Abfall für REAL Luzern seit dem 5. Januar 2015. (Foto: Yolanda Stocker)
  • Click to enlarge image 15_11_30_Renergia 098.JPG Am Donnerstag 19.11.15 lud Energie Apéro Luzern zur Besichtigung der KVA Renergia in Perlen ein (Foto: Yolanda Stocker)
  • Click to enlarge image 15_11_30_Renergia 105.JPG In dieser Woche entluden alle Lastwagen den transportierten Müll in den linken Bunker. (Foto: Yolanda Stocker)
  • Click to enlarge image 15_11_30_Renergia 107.JPG Die Dimensionen sind riesig: Der Greifer hat unter anderem eine Matratze gepackt. Bald entlädt er in den Trichter. (Foto: Yolanda Stocker)
  • Click to enlarge image 15_11_30_Renergia 109.JPG Die Kommandozentrale der Renergia: Ohne Computer geht es heute nicht mehr. (Foto: Yolanda Stocker)
  • Click to enlarge image 15_11_30_Renergia 110.JPG Dies ist der Trichter - in dem der Abfall landet - von aussen. (Foto: Yolanda Stocker)
  • Click to enlarge image 15_11_30_Renergia 112.JPG Die Verlängerung des Trichters: Der Abfall fällt in eine Schublade und wird nach rechts ins Feuer geschoben. (Foto: Yolanda Stocker)
  • Click to enlarge image 15_11_30_Renergia 113.JPG Durch eine Luke kann das Feuer bewundert werden. Ganz schön heiss! (Foto: Yolanda Stocker)
  • Click to enlarge image 15_11_30_Renergia 116.JPG Alles was nicht verbrennt (wie beispielsweise Metallstangen), wird nach vorne weggedrückt und fällt als Schlacke unten raus. (Foto: Yolanda Stocker)
  • Click to enlarge image 15_11_30_Renergia 117.JPG Alles ist fein säuberlich angeschrieben. Jedes Rohr, jedes Ventil und jede 'Sehenswürdigkeit'. (Foto: Yolanda Stocker)
  • Click to enlarge image 15_11_30_Renergia 121.JPG Hier kommt die Roh-Schlacke nach draussen, in einen überdachten Vorraum. Von dort kann sie auf Lastwagen verladen und in eine von drei Partner-Anlagen transportiert werden. (Foto: Yolanda Stocker)
  • Click to enlarge image 15_11_30_Renergia 122.JPG Die Abwärme wird über vier gigantische Ventilatoren an die Luft abgegeben. (Foto: Yolanda Stocker)
  • Click to enlarge image 15_11_30_Renergia 125.JPG Über die Rohre kommt weniger Abwärme nach draussen, wenn die Papierfabrik Perlen ordentlich Fernwärme braucht. (Foto: Yolanda Stocker)

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