Vom Ei zum ausgewachsenen Drachen
Als Ende 2010 das Planauflageverfahren zur Zonenplanänderung gestartet wurde, hatten die Schweizer Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) bereits eine Überkapazität. Die Zentralschweizer Abfallverbände entschieden sich trotzdem für das Megaprojekt Renergia, da viele Anlagen bereits älteren Baujahres sind und im Grünen errichtet worden sind: Dies macht sie ineffizient und umweltbelastend. Am 26. Juni wurde mit der Renergia in Perlen/Root das grösste Elektrizitätswerk des Kantons Luzern offiziell eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt brannten die Feuer in den beiden Öfen schon beinahe ein halbes Jahr.
Noch vor der offiziellen Eröffnung wurde die neue KVA einem ersten Stresstest unterzogen. Nach dem Brand der KVA Oftringen im Mai wurde der betreffende Abfall in die Renergia umgeleitet. Obwohl ein halbes Jahr vor dem geplanten Termin schluckte die neue Anlage die zusätzlichen Mengen – nicht zuletzt dank des qualifizierten Betriebspersonals.
Unter Volllast verbrennt die neue KVA 200‘000 Tonnen Abfall aus der ganzen Zentralschweiz. Was bisher aus diesem Raum in die KVAs von Horgen, Winterthur und Niederurnen ausgeführt wurde, hat nun grösstenteils einen kürzeren Anfahrtsweg.
Heutzutage sorgen KVA nicht nur für ein kleineres Deponie-Volumen, sondern sie dienen der Energieproduktion. Abfall hat einen ähnlichen Energiewert wie Holz. Die Vorgängerin der Renergia, die KVA Ibach, hatte eine Energieeffizienz von 29 %. Der gesamte Energienutzungsgrad der neuen Anlage liegt bei 70 %.
Dieser aussergewöhnlich hohe energetische Wirkungsgrad wird möglich, da die Anlage direkt neben der Perlen Papier AG (PaPe) – auf deren Grundstück – gebaut wurde. So kann die Renergia der PaPe heissen Dampf äquivalent zu 40 Millionen Litern Heizöl liefern. Dies führt zu einer Reduktion des CO2-Ausstosses um 90‘000 Tonnen; was 20 % der im Kanton Luzern gefahrenen Autokilometer entspricht.
Bevor der Dampf an die Papierfabrik geliefert wird, gewinnt man daraus Strom (155'000 MWh), welcher direkt ins lokal gut ausgebaute Stromnetz eingespeist werden kann. Bis zu 38‘000 Haushaltungen kommen so zu halbwegs CO2-neutralem Strom.
Nicht nur Schall und Rauch - viel Schlacke bleibt übrig
Das Feuer brennt mit konstant 800 Grad Celsius. Nur was klein genug ist und auch tatsächlich brennt, wird in der Stunde im Ofen zu Asche. Der Rest kommt unten so heraus, wie er oben reinging. Aus 1000 Kilogramm Abfall entstehen trotz aller Effizienz mehr als 200 Kilogramm Rohschlacke.
Diese Rohschlacke wird mit Lastwagen, die Kehricht angeliefert haben, in eins von drei Partnerunternehmen gebracht. Dort wird die Rohschlacke sortiert. Wiederverwertbares wie Metall wird herausgelesen und verkauft. Grosse Holzstücke und weiteres brennbares Material, welches nicht verbrannt ist, wird in die Renergia zurückgeliefert. Die Asche, Gestein, Glas und weiteres unbrennbares Material wird vorschriftsgemäss deponiert.
Die Rauchgasreinigungsanlage ist so fortschrittlich, dass die Luftreinhalte-Grenzwerte um ein vielfaches unterschritten werden. Dies ist denn auch der komplizierteste und platzintensivste Teil der Anlage. Mehrere Filter entnehmen alle möglichen Schadstoffe. Einzig die Entstehung von Kohlenmonoxid muss schon bei der Verbrennung unterbunden werden, da es nicht abgeschieden werden kann.
Ein Teil der Rauchpartikel wird als Schlacke abgelagert, ein Teil wird an Partnerunternehmen weitergeschickt, wo ‘Rauch-Reinigungsstoffe‘ wie Soda (Natriumhydrogencarbonat) recycelt werden, beziehungsweise Zink aus dem Abfall in einer ‘nassen‘ Rauchwäsche ebenfalls zurückgewonnen werden kann.
Der Dampf, der nicht an die PaPe geliefert wird, soll künftig über ein Fernwärmenetz – welches sich zurzeit im Bau befindet – verteilt werden. Der restliche Dampf wird über Luftkondensatoren abgekühlt und abgegeben. Die Wasserkühlung mit Hilfe der Reuss (wie bei der Vorgängerin) ist nicht mehr nötig.
Ausgleichende Gerechtigkeit
Da ein grosses Stück Grünland verbaut wurde, müssen Ökologische Ausgleichsmassnahmen auf Rooter Gebiet vorgenommen werden. Der Wilbach sowie Teile des Flachmoores Unterallmend und eventuell die Ron werden renaturiert.
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