Energie ist die Grundlage aller menschlichen Tätigkeiten. In Zeiten des Klimawandels ist es unerlässlich, fossile Energieträger durch erneuerbare Energien zu ersetzen. In Anbetracht der Energiestrategie nimmt der Bund auch unsere Alpen als Energiestandort stärker ins Visier. Als Wasserschlösser der Welt bieten Berge ein enormes Potenzial für Wasserkraftwerke. Ebenfalls profitieren die Alpen von der starken Sonneneinstrahlung und Windbewegung. Nutzbares Land in den Alpen ist allerdings knapp, und die Energieerzeugung kann negative Auswirkungen auf Natur und Landschaft sowie auf andere menschliche Tätigkeiten wie die Berglandwirtschaft haben.
Wasser
Als Wasserschloss liefern die Alpen seit langem Energie aus Wasserkraft. Laut dem Bundesamt für Energie (BFE) deckt die Wasserkraft aktuell rund 57% des einheimischen Strombedarfs und trägt mit 96% fast die gesamte erneuerbare Stromproduktion. Rund 63% dieser Energie stammt aus den Bergkantonen Uri, Graubünden, Tessin und Wallis. Mit der Energiestrategie 2050 soll die durchschnittliche Jahresproduktion von Elektrizität aus Wasserkraft bis ins Jahr 2050 durch den Ausbau und die Erneuerung bestehender Werke und den Bau neuer Wasserkraftwerke um 10% gesteigert werden — obwohl das Potenzial in der Schweiz derzeit fast vollständig ausgeschöpft ist. Doch Wissenschaftler schätzen, dass sich mit dem fortschreitenden Temperaturanstieg und Gletscherschwund in den Hochgebirgen weltweit viele neue Seen bilden werden. Modellrechnungen zeigen, dass sich die heute noch existierenden Gletscher-Landschaften in den Schweizer Alpen in den kommenden Jahrzehnten in Fels-Schutt-Seen-Landschaften verwandeln werden. Experten debattieren deshalb über die Möglichkeit, die schwindende Speicherfunktion der Gletscher künftig mit Stauseen zu ersetzen. Die Folgen solch massiver Eingriffe für die örtlichen Ökosysteme sind noch weitgehend ungeklärt. Die neu errichteten Talsperren vor den aktuellen Gletscherzungen würden zahlreiche technische, ökonomische und ökologische Probleme mit sich bringen. Vordringlich gilt es deshalb, den Klimawandel schnellstmöglich aufzuhalten und unsere unersetzbaren Gletscher zu schützen.
Beispiele: Wasserkraft in der Schweiz
Das laufende Projekt «Kraftwerk Trift» im Berner Oberland: Das Kraftwerk Oberhasli (KWO) will bei einem natürlichen Felsriegel auf gut 1700 Metern über Meer eine 167 Meter hohe Staumauer errichten und in der Mulde, die der Triftgletscher auf seinem Rückzug freigegeben hat, einen See mit einem Volumen von 85 Millionen Kubikmetern aufstauen. Dadurch wird unwiderruflich in das artenreiche Gletschervorfeld eingegriffen.
Der Grimselsee, ein 100 Millionen Kubikmeter grosser Stausee im Quellgebiet der Aare im Kanton Bern, sollte durch das KWO mit einer Erhöhung seiner Staumauer um 23 Metern um 75 Millionen Kubikmeter vergrössert werden. Dadurch würden die oberhalb des Sees gelegenen, geschützten Moore überflutet werden.
Wind
Das Potenzial für Windkraft in den Schweizer Alpen scheint noch nicht gänzlich geklärt. Natur- und Landschaftsschützer argumentieren, dass in der Schweiz wegen ungünstiger Windverhältnisse und der schwierigen Topografie nur ein bescheidenes Potenzial für die Windenergie bestehen würde. Die negativen Auswirkungen auf Landschaft und Natur seien hingegen gravierend. Richard Patthey von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz schätzt, dass in der Schweiz fünf bis zehn Windparks sinnvoll wären. Ihr Beitrag zur Stromversorgung wäre minimal — seiner Einschätzung nach weniger als 1%.
Die Befürworter dagegen glauben, dass ein substanzieller Anteil des Strombedarfs durch Windstrom gedeckt werden kann. Dazu müssten an allen geeigneten Standorten Windkraftanlagen gebaut werden. Laut Standortbestimmung durch das BFE, das BAFU und das Bundesamt für Raumentwicklung würden dafür hauptsächlich der Jura und die Alpen infrage kommen.
Derzeit gibt es in der Schweiz knapp 40 Grossanlagen, die insgesamt rund 140 Gigawattstunden (GWh) Windstrom produzieren. Das entspricht lediglich 0,2% der inländischen Elektrizitätsproduktion und deckt nur 0,06% des Schweizer Endenergieverbrauches in einem Jahr. Der grösste Windpark befindet sich auf dem Mont Crosin im Berner Jura: Hier stehen 16 Windturbinen mit einer Gesamtleistung von 37,2 Megawatt.
Die gängigsten Kritikpunkte an Windenergieanlagen sind, dass sie das Landschaftsbild stören, die Biodiversität beeinträchtigen sowie die Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen einschränken. Um diese Probleme zu vermeiden, würden sich kleine bis mittlere, konzentrierte Windkraftanlagen für die dezentrale Energieerzeugung anbieten. Diese können auf Flachdächern von Industriebauten, Mehrfamilienhäusern oder Bauernhöfen montiert werden.
Eine Windturbine in Andermatt. Peter Wormstetter, Unsplash
Sonne
Bis zum Jahr 2050 will der Bund rund 20% des derzeitigen Strombedarfs durch Photovoltaik decken. Ein möglicher Kandidat für Solaranlagen: Die Schweizer Alpen. Dank starker Sonneneinstrahlung sind die Alpen optimal für die Gewinnung von Sonnenenergie. Experten zufolge beträgt die durchschnittliche Sonneneinstrahlung in den Alpen bis zu 1600 Kilowattstunden pro Quadratmeter — sogar im Winter. Während Solaranlagen im Mittelland im Winter halb so viel Energie wie im Sommer liefern, lässt sich im Alpenraum in der kalten Saison fast gleich viel Strom wie im Sommer produzieren. Das liegt daran, dass die Solaranlagen im Flachland während der Wintermonate häufig unter einer Nebeldecke liegen, während in hohen Lagen die Sonne viel öfter ungehindert einstrahlt. Da Solarfelder nur dann effizient sind, wenn sie sich in Gebieten befinden, die den grössten Teil des Tages besonnt sind, wären sie in den Alpen gut sichtbar. Das kann — wie bei der Windkraft — zu Problemen mit der Landwirtschaft und dem Naturschutz führen. Die Errichtung von Photovoltaikanlagen setzt deshalb eine integrale Planung voraus.
Ein aktuelles Bauprojekt der Axpo und der IWB will nun Wasserkraft mit Photovoltaik kombinieren. Im Sommer 2021 wird die grösste alpine Solaranlage an der Muttsee-Staumauer gebaut. Auf einer Fläche von 10’000 Quadratmetern sollen 5000 Solarmodule installiert werden, die jährlich rund 3,3 Gigawattstunden produzieren — das entspricht etwa dem durchschnittlichen Verbrauch von 740 Vierpersonenhaushalten. Der Lebensmittelhändler Denner wird den gesamten Solarstrom über die nächsten 20 Jahre abnehmen.
Die Alpen sind optimale Standorte für Solaranlagen. neuronasinquietas, pixabay
Umsichtige Planung ist notwendig
In den Alpen schlummern nicht nur ungenutzte Potenziale für die Stromproduktion, sondern auch Naturgefahren. Grosse Infrastrukturprojekte müssen Lawinen, Erdrutschen, Stürmen und Hochwasserereignissen trotzen. Daher ist beim Ausbau der Energieerzeugungsanlagen in den Alpen eine umsichtige und ausgewogene Abklärung und Planung notwendig. Die erneuerbare Energieerzeugung muss mit Energieeinsparungen sowie mit der Verbesserung der Energieeffizienz, insbesondere im Verkehr und bei Gebäuden, Hand in Hand gehen.
Quellen und weitere Informationen:
WSL: Energiepotenzial Schweizer Alpen
BFE: Wasserkraft
BFE: Windkraft
BFE: Solarenergie
Farinotti et al. (2019): Large hydropower and water-storage potential in future glacier-free basins
SAC: Pro und kontra Windkraft in den Alpen
Kommentare (1) anzeigenausblenden
Wie lange dauert es eigentlich noch, bis auch die letzte Umweltorganisation merkt, dass es hier nur ums Geld geht und alles andere als Deckmäntelchen missbraucht wird?
Schon 2019 hat das Bundesamt für Energie aufgezeigt, dass erstens die Stromverschwendung (d.h. ohne Nutzen!) bei rund 25-30% liegt und das Stromproduktionspotential im Gebäudebestand höher ist als der aktuelle Stromverbrauch.
Solange billiger Strom aus der Landschaft gepresst wird, so lange wird es auch mit dem Energiesparen nichts werden.
Also, hört endlich auf, die Landschaft zu quälen!