Wasserkraft — Wenn das Wasser bis zum Halse steht

Die zwei Seiten der Wasserkraft Die zwei Seiten der Wasserkraft

Die Wasserkraft ist die wichtigste erneuerbare Energiequelle für die Schweiz, doch für die Natur vor Ort hat sie missliche Folgen. Im Rückblick auf den Aktionstag gegen Staudämme vom 14. März werfen wir einen Blick auf das zweischneidige Schwert.

Trockengelegte Bachläufe, zerschnittene Flusslebensräume, unnatürliche Abflussdynamik: Das sind die Folgen der Wasserkraftnutzung für Natur und Landschaft. In über 1’400 Fassungen wird das Wasser unserer Bäche abgeleitet und treibt über 1’000 Wasserkraftwerke an. Das Nutzungspotenzial ist damit weitgehend ausgeschöpft; ein naturverträglicher Ausbau ist kaum mehr möglich.


Zu viel des Guten

Hohe Berge, viel Wasser: Die Schweiz ist wie gemacht dafür, Strom aus Wasser zu gewinnen. Dementsprechend wird die Wasserkraft in der Schweiz im weltweiten Vergleich auch ausserordentlich stark genutzt. Der starke Ausbau von Wasserkraftwerken in der Schweiz über die letzten einhundert Jahre führte dazu, dass Wasserkraft heute das Rückgrat unserer Stromversorgung ist. Knapp 57% des im Inland erzeugten Stroms stammen derzeit aus der Nutzung von Gewässern.
Aber: Die Wasserkraft ist nur bedingt umweltverträglich. Viele Flüsse und Bäche sind bedroht, weil sie mit Kraftwerken verbaut werden. Fliessgewässer werden zur Stromerzeugung in dunkle Stollen abgezweigt, gestaut oder überflutet. Bäche werden vollständig trockengelegt und Fischwanderungen unterbrochen. Mehr als 2’700 Kilometer der Schweizer Flüsse liegen heute trocken oder führen zu wenig Wasser, sodass Fische und all die anderen Wasserlebewesen darin kaum mehr ein Auskommen finden. Flüsse und Bäche können zudem wichtige Funktionen für die Menschen nicht mehr erfüllen — sie liefern Trinkwasser, dienen der Bewässerung oder der Abwasserreinigung.
Mehr als 95% des nutzbaren Potenzials der Wasserkraft in der Schweiz sind bereits ausgeschöpft, die Grenze der ökologischen Belastbarkeit ist überschritten. Ein weiterer Ausbau durch Anlagen an bislang ungenutzten Standorten würde die letzten natürlichen Fliessgewässer der Schweiz zerstören. Die Wasserkraft stösst somit an die Grenzen des Erträglichen.


Das Wasser steht der Trift bis zum Hals

Dennoch plant der Bund, mit der Energiestrategie 2050 die durchschnittliche Jahresproduktion von Elektrizität aus Wasserkraft bis ins Jahr 2050 zu steigern. Um dies zu erreichen, sollen sowohl bestehende Werke erneuert und ausgebaut als auch neue Wasserkraftwerke realisiert werden.
So soll unterhalb des schmelzenden Triftgletschers im Berner Oberland ein Stausee gebaut werden. In den letzten 20 Jahren schmolz der Gletscher so stark, dass ein Gletschersee von 5 Millionen Kubikmetern entstanden ist — der Triftsee. Dieses Triftwasser gehört zu den wertvollsten und natürlichsten Gewässern des Berner Oberlands. Die Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) planen nun eine 20 Meter dicke und 177 Meter hohe Staumauer, die dereinst 85 Millionen Kubikmeter Wasser zurückhalten soll. Damit würde nicht nur der natürliche Triftsee, sondern auch das bisher fast unberührte Gebirgstal mit seinen frei fliessenden Bachläufen, bunten Alpwiesen und wertvollen Waldflächen unter Wasser gesetzt. Das Wasser soll künftig durch einen sechs Kilometer langen Stollen vom östlich gelegenen Steiwasser in den Stausee führen. Doch damit wäre noch nicht genug verbaut: Um ein Bauprojekt an einem unzugänglichen Ort wie dem Triftgletscher zu realisieren, wohin der schnellste Weg über einen eineinhalbstündigen Fussmarsch führt, bräuchte es einen 4 Kilometer langen, doppelspurigen Tunnel. Durch diesen würde das ganze Baumaterial hinaufgeschleppt und das Ausbruchmaterial abtransportiert. Erstmals in 30 Jahren würde damit in der Schweiz wieder ein Stück unersetzbare Natur zu Gunsten eines Wasserkraftwerks zubetoniert.

Ein Ausbau der erneuerbaren Energiequellen ist grundsätzlich durchaus zu begrüssen. Doch solange in unseren Städten und bereits kultivierten Landschaften noch so viele Potenziale einer nachhaltigen Energieerzeugung brachliegen, sollten wir es uns sehr gut überlegen, ihr stattdessen unsere letzten, unwiederbringlichen Rückzugsgebiete einer weitgehend unberührten Natur zu opfern.

 

„Die Alpen und die Wildnis sind ein Allgemeingut, das nicht einfach von ein paar Leuten gepachtet werden kann. Alle haben ein Mitspracherecht.“
Sebastian Moos, Mountain Wilderness

 

Quellen und weitere Informationen:
umweltnetz-schweiz: Interview Sebastian Moos, Mountain Wilderness
BFE: Wasserkraft
SWV: Umweltauswirkungen Wasserkraft
Rettet die Trift

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