Wenn sich ganze Gemeinden selber mit Energie versorgen

Windräder liefern sowohl in Feldheim und dem Flecken Steyerberg Strom für die Haushalte. Windräder liefern sowohl in Feldheim und dem Flecken Steyerberg Strom für die Haushalte.

Die drohende Energiemangellage zeigt deutlich, dass unser Energiesystem einen Wandel braucht. Zwei Beispiele aus Deutschland demonstrieren, wie sich Gemeinden bereits heute vollständig selbst mit Strom und Wärme versorgen können.

Spätestens seit diesem Herbst ist klar, dass Energie in der heutigen Form ein begrenztes Gut ist. Der Ukraine-Russland-Krieg zeigt die Defizite der Europäischen Energieversorgung deutlich auf. Die Energieknappheit und die Abhängigkeit von Energielieferanten aus aller Welt verdeutlicht die Notwendigkeit einer Energiewende drastisch. Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist jedoch nicht erst seit diesem Jahr ein Thema. Durch den fortschreitenden Klimawandel und die schwindenden Ressourcen (Erdöl, Gas, etc.) ist diese Problematik schon länger akut.

Zwei Gemeinden in Deutschland sind bereits seit Jahren energieautark und versorgen ihre Haushalte mit regional produzierter Wärme und Strom. Die drohende Energiekrise macht ihnen wenig Sorgen.

Energieautarkie:
Energieautarke Orte haben eine Energieversorgung ohne Abhängigkeit von entfernten Quellen oder Lieferanten. Die Energiebereitstellung basiert auf erneuerbaren Energien und passiert dezentral im Ort. Energieautarke Orte tragen einen wesentlichen Teil zur Energiewende und zur Abwendung von fossilen Energieträgern bei. Das Gegenteil von Energieautarkie ist die Energieabhängigkeit.

Feldheim in Brandenburg

Die kleine Gemeinde Feldheim liegt zwischen Leipzig und Berlin und gehört zur Stadt Treuenbrietzen. Sie hat rund 130 Einwohner und Einwohnerinnen. Im Oktober 2010 wurde Feldheim als erste energieautarke Gemeinde Deutschlands ausgezeichnet.

2008 baute die Gemeinde eine Biogasanlage, die mit Maissilage, Getreideschrot, Rinder- und Schweinegülle von den umliegenden Höfen betrieben wird. Sie liefert Wärme in die Haushalte. Im Winter kann zusätzlich eine Holzhackschnitzelheizung mit Holz aus der Umgebung in Betrieb genommen werden.

Für Strom sorgen vor allem 55 Windräder, die in Gemeindenähe aufgestellt sind. Die Gegend rund um Feldheim ist ideal für Windkraftwerke, da sie auf dem Höhenzug des Flämings liegt. Der produzierte Strom der Windräder versorgt über 65‘000 Haushalte, also mehr als nur jene der Gemeinde Feldheim. Verschiedene kleinere Solaranlagen und ein Regelkraftwerk mit Speicherkapazität komplettieren die Stromversorgung.

Die Energieproduktion ist nur die eine Seite der Medaille. Die Verteilung des Stroms und der Wärme erfolgt an den meisten Orten über das öffentliche Netz. Nicht so in Feldheim: Die Einwohner und Einwohnerinnen entschieden sich für ein eigenes Netz. Mit Ausnahme von 2 Haushalten beteiligten sich alle Einheimischen mit 3‘000 Schweizer Franken Eigenkapital am Ausbau der Leitungen. Der restliche finanzielle Aufwand des 1.7-Millionen-Projekts wurde durch Fördergelder finanziert. Das eigene Verteilernetz bringt der Gemeinde die Unabhängigkeit von den öffentlichen Strom- und Wärmeversorgern in Deutschland. Die eigens dafür gegründete „Feldheim Energie GmbH & Co. KG“ besteht aus den angeschlossenen Haushalten, den Unternehmen sowie der Stadt Treuenbrietzen. Die Feldheimer zahlen dank ihrer dezentralen Energieversorgung nur rund die Hälfte des Energiemarkt-Preises für ihren Strom und die Wärme. Der überschüssige Strom wird in das öffentliche Netz eingespeist und finanziell entschädigt. Ein nächster Schritt wäre der Ausbau des Verteilernetzes in die nahe gelegene Stadt Treuenbrietzen, um den überschüssigen Strom direkt vor Ort weiter zu verwenden.

Steyerberg in Niedersachsen

Die Gemeinde Steyerberg in Niedersachsen zählt rund 5‘000 Einwohner und Einwohnerinnen und versorgt sich selbst mit Energie. Der energieautarke Ort setzt auf 41 Windräder, diverse Photovoltaik-Anlagen, ein kleines Wasserkraftwerk und eine Biogasanlage.

Seit diesem Jahr gibt es neu auch ein Fernwärmenetz. Die Chemiefirma „OXXYNOVA“ hat ihren Sitz in Steyerberg. Die bei der Produktion von Flüssig-Kunststoff anfallende, überschüssige Wärme erhitzt in einem Austauscher Wasser, welches dann in die Haushalte geleitet wird und für warmes Wasser und beheizte Wohnungen sorgt.

Vor dem Gemeindehaus des Fleckens Steyerberg steht seit 7 Jahren eine Ladestation für Elektro-Autos. Daran besonders ist, dass das Laden der Autos dank der selber produzierten Energie nichts kostet. Das soll als Anreiz für den Kauf von Elektrofahrzeugen dienen. Zusätzlich betreibt Steyerberg ein Elektro-Carsharing.

Anders als in Feldheim besitzt man hier noch kein eigenes Verteilernetz. Die Energie kann trotzdem zu günstigeren Konditionen bezogen werden – dank eines Bürgertarifs, der für den Strom-Mix aus erneuerbaren Energien aus Steyerbach gilt.

Dezentrale Energiesysteme sind die Zukunft

Die beiden Beispiele aus Deutschland zeigen, dass eine dezentrale, unabhängige Energieversorgung mit erneuerbaren Energien bereits heute Tatsache sein kann. Für den weltweiten Ausbau der erneuerbaren Energien in kleineren Versorgungssystemen bedarf es allerdings mehr Akzeptanz in der Bevölkerung, schnellerer und einfacherer Genehmigungsverfahren und rechtlicher Anpassungen. Sowohl die Politik als auch die Bevölkerung können ihren Beitrag zu einer nachhaltigen, dezentralen Energiewende leisten.

 

Quellen und weitere Informationen:
Deutschlandfunk Kultur: Ein Dorf versorgt sich selbst
Neue Energien Forum Feldheim: Energieautarkes Dorf
SRF: Energieautarke Gemeinde Feldheim in Brandenburg
Das Erste: Dorf in Niedersachsen versorgt sich selbst mit Strom und Wärme
Flecken Steyerberg: Klimastark auf allen Linien


 

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