Der Bundesrat und das Parlament haben nach der verheerenden Nuklearkatastrophe in Fukushima rasch reagiert. Ähnlich wie in Deutschland wurde eine Energiewende beschlossen: „Um eine zuverlässige und wirtschaftliche Energieversorgung der Schweiz sicherzustellen, setzt der Bundesrat auf einen etappenweisen Umbau des Energiesystems" (Vgl. Pressemitteilung Bundesamt für Energie (BFE) vom 28.09.2012). Die Regierung hat sich auf ein Vorgehen in zwei Schritten geeinigt: Im ersten Schritt stehen Massnahmen wie der Atomausstieg, das Senken des Energie- und des Stromverbrauchs sowie die Förderung und der Ausbau von erneuerbaren Energien im Vordergrund. Ab 2020 soll in der zweiten Etappe die Klima- und Energiepolitik neu ausgerichtet werden: Dabei plant der Bundesrat etwa eine Energieabgabe (die aus einer Zusammenführung der CO2-Abgabe und der Einspeisevergütung besteht) oder eine ökologische Steuerreform. Im ersten Teil der Energiestrategie 2050 stehen vier Punkte im Zentrum (Vgl. SRF Tagesschau vom 31.01.2013):
- Atomausstieg: Der Bundesrat sieht in seinem Entwurf vor, dass es zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit vorerst noch Importe von Energie und Strom brauche und vorläufig einen befristeten Ausbau der fossilen Stromproduktion (die oft diskutierten Gaskombikraftwerke) benötige. Ein klares Abschaltdatum für die AKWs wurde noch nicht festgelegt.
- Energieverbrauch senken: Der Energieverbrauch pro Person und Jahr soll (verglichen mit dem Referenzjahr 2000) bis 2035 um 35 % gesenkt werden.
- Energie aus erneuerbaren Quellen: Hier stehen die Förderung und der Ausbau von erneuerbaren Energiequellen wie Wasserkraftwerken, Photovoltaikanlagen und Windräder im Vordergrund. Hierzu sollen die Kantone Gebiete ausscheiden, in denen die Nutzung dieser neuen Technologien sinnvoll ist. Dabei wird im Entwurf festgehalten, „dass die Nutzung erneuerbarer Energien und ihr Ausbau in der Regel von nationalem Interesse sind, was gleich- oder höherwertig als Umwelt- und Landsschaftsschutzinteressen zu gewichten ist“ (Vgl. Pressemitteilung BFE vom 28.09.2012).
- Stromnetz ausbauen: Ob mit oder ohne Atomausstieg müssen die Stromnetze modernisiert und erweitert werden.
Wie nicht anders zu erwarten war, wird diese Strategie kontrovers diskutiert. Seit Ende Januar positionieren sich Umwelt-, Wirtschaftsverbände, Parteien und andere Interessenvertreter und präsentierten, um ihre Positionen zu festigen auch wissenschaftliche Studien. Besonders zwei Forschungsberichte sorgen zurzeit für einen grossen Pressewirbel:
Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) veröffentlichte im Auftrag des Wirtschaftsverbands Economiesuisse ein Papier, welches die volkswirtschaftlichen Kosten der Energiewende berechnet: Vom Basisjahr 2000 ausgehend, berechnen die Autoren die vermuteten Auswirkungen der Energiewende auf das Wirtschaftswachstum (reales BIP pro Kopf) (Vgl. NZZ vom 31.01.2013). In der Studie werden vier Modelle durchgerechnet; wenn sowohl von einer CO2-Steuer, dem Atomausstieg und einem Ersatz durch erneuerbare Energien ausgegangen würde, meinen die Forscher, dass bis 2050 mit Wohlfahrtseinbussen von mehr als 20% zu rechnen wäre. Economiesuisse interpretierte diese Zahlen eigenwillig; der Vorsitzende der Geschäftsleitung – Pascal Gentinetta – meint, dass die Grundlagen der Energiestrategie 2050 unsolide und volkswirtschaftlich gefährlich seien. Die Vorlage des Bundesrats führe in eine wirtschaftliche Sackgasse . Die Autoren der KOF-Studie distanzierten sich kurz darauf von diesen Äusserungen: „Die Studie stelle nicht den Atomausstieg oder die Ökostrom-Strategie in Frage“, so Peter Egger (Vgl. NZZ, 01.02.2013). Im Gegenteil enthalte sie sich „jeglicher Empfehlungen oder normativen Aussagen“. Es gelte nämlich zu berücksichtigen, dass die Studie vom Status Quo ausgehe, womit der technologische Fortschritt nicht berücksichtigt sei. Das heisst, es wird nicht die bundesrätliche Energiestrategie überprüft, sondern nur welche ökonomischen Auswirkungen auftreten könnten, wenn die CO2-Abgabe schon heute (Basisjahr 2000) eingeführt würde (Vgl. NZZ 02.02.2013).
Die Energiewende ist technisch machbar – das ist breit abgestützt. Im schlechtesten Fall führt sie zu verkraftbaren Mehrkosten. swisscleantech
Ebenfalls präsentierte der Wirtschaftsverband swisscleantech, der sich für eine nachhaltige und liberale Wirtschafspolitik einsetzt, eine Auftragsarbeit zum Thema. Der Verband hält fest, dass die Energiewende technisch machbar sei und im schlechtesten Fall zu verkraftbaren Mehrkosten führe (Vgl. Pressemitteilung swisscleantech). Dies ist aus der Studie abzuleiten, in der 13 bisherige wissenschaftliche Arbeiten zur Schweizer Energiewende berücksichtigt werden. Dabei stellen die Forscher fest, dass die Energiewende bis 2050 ungefähr 50 bis 100 Milliarden Franken oder aber ca. zwei Milliarden CHF pro Jahr kosten würde. Bezogen auf den BIP-Wachstumseffekt erscheinen ihnen Werte auf einer Bandbreite von -0.5 % bis +2.0 % als realistisch. Dabei wurden aber monetär positive Zusatzeffekte wie verminderte Risiken, Schaffung von Arbeitsplätzen, tiefere Gesundheitskosten, Know-How etc. noch nicht berücksichtigt. Auch die Studie von swisscleantech widerspricht nicht der KOF-Studie, sondern beleuchtet einen anderen Aspekt.
Diese zitierten und die diversen anderen bisher in der Schweiz erschienen Studien, mögen zwar ein unvollständiges Bild abgeben, aber ohne erhebliche Kosten wird der Umbau der Energieversorgung nicht möglich sein. Es ist hingegen auszuschliessen, dass damit eine volkswirtschaftliche Katastrophe bevorstehen würde (NZZ 02.02.2013). Eine (wie auch immer ausgerichtete) Energiewende scheint also nicht nur im Sinne von Umwelt- und Klimaschutz sinnvoll, sondern auch volkswirtschaftlich machbar zu sein. Mit Sicherheit gilt auch festzuhalten, dass später einsetzende Massnahmen teuer zu stehen kämen.
Weitere Informationen:
Bundesamt für Energie: Energiestrategie 2050.
SRF Tagesschau: "Energie 2050", 31.01.2013.
Swisscleantech: "Schweizer Energie- und Stromstudien im Vergleich. Kurzfassung", 31.01.2013.
Swisscleantech. Medienmittelung: "Medienkonferenz zur Energiestrategie 2050", 31.01.2013.
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