Sollen wir gezielte Eingriffe in das Klimasystem setzen, um die Erderwärmung zu reduzieren? Mit dieser Frage beschäftigte sich Mitte Oktober eine internationale Gruppe von Forschern an einer Konferenz zum Thema „Climate Engineering“ in Berlin, einem Thema, das noch wenig diskutiert wird, doch laut Umweltschützern und Wissenschaftlern aufgrund unvorhersehbarer Nebenwirkungen mit grösster Vorsicht zu betrachten ist.
Worum geht es?
Bei „Geoengineering“ handelt es sich um bewusst gesetzte Manipulationen am Klimasystem, um die vom Menschen verursachte globale Erwärmung abzuschwächen. Dabei kann man prinzipiell zwei Ansätze unterscheiden: Einerseits sind das Methoden, die der Atmosphäre das freigesetzte Kohlendioxid entziehen. Andererseits gibt es Methoden, die die Sonneneinstrahlung auf die Erdoberfläche reduzieren und damit einer Erwärmung entgegen wirken. Letztere würde beispielsweise durch Freisetzung von Schwefelpartikeln in der Stratosphäre erreicht, die die Sonneneinstrahlung reflektieren sollen. Damit würde diese Methode die Treibhausgaskonzentration der Atmosphäre nicht reduzieren und damit einhergehende Auswirkungen wie die Versauerung der Ozeane nicht verhindern.
Das Ziel steht seit dem Klimagipfel in Paris 2015 fest: Die Erderwärmung soll auf unter zwei Grad begrenzt werden. Die freiwilligen Verpflichtungen der Länder, den CO2-Austoss zu reduzieren, reichen bisher noch nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen. Wissenschaftler, die sich mit Geoengineering beschäftigen, drängen immer mehr darauf, ihre Methoden in Experimenten prüfen zu dürfen. Wenn es den Ländern nicht gelingt, ihre Ziele zu erreichen, könnten diese Methoden der letzte Ausweg sein, so ihre Hoffnung.
Welche Risiken sind damit verbunden?
Die Manipulation der Sonneneinstrahlung hätte nicht nur positive Folgen gegen die Erderwärmung, sondern auch unvorhersehbare Auswirkungen auf die Niederschlagsverteilung, wie Simulationen zeigen. Beispielsweise hätten Änderungen des Monsuns in Asien direkte negative Folgen für die Nahrungsmittelproduktion der Bevölkerung. Teile der Welt würden profitieren, andere wären die Verlierer solcher Methoden. Es stellt sich die Frage, wer die Verantwortung für diese Nebenwirkungen übernehmen würde. Vom ethischen Aspekt her betrachtet, wäre auch die Generationenfrage zu bedenken. Sind die Eingriffe in das Klimasystem erstmal implementiert, müssten sie über viele Jahrzehnte hinweg aufrechterhalten werden. Ein Rückzug erwiese sich nun schon deshalb als schwierig, da mit spontanen, drastischen Temperaturanstiegen gerechnet werden müsste.
Wie soll es weiter gehen?
Die Wissenschaftler sind sich einig: Allem voran muss an der Reduktion der Treibhausgasemissionen gearbeitet werden, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Gleichzeitig soll aber weiter am Thema geforscht werden, um bessere Einblicke in Risiken und Nebenwirkungen des Geoengineering zu erhalten. Somit hätte man allenfalls für den äussersten Notfall noch eine letzte Karte im Ärmel. Doch fest steht, es darf nicht suggeriert werden, dass die Reduktion der Treibhausgasemissionen vernachlässigt werden darf, weil die Wissenschaft schon an einer Lösung des Problems arbeitet.
Alle Eingriffe in das Klimasystem und die Ökosysteme haben weitreichende und unvorhersehbare Folgen und dürfen nicht die Lösung des Problems sein. Denn wie man sieht, kämpfen wir heute mit den Auswirkungen der Treibhausgasemissionen seit dem letzten Jahrhundert. Weitere Eingriffe sind nicht der Schlüssel zum Erfolg, wie sich schon bei der Hagelabwehrforschung zeigte.
Weiterführende Informationen:
Interview mit Harvard-Professor und Strahlungsmanipulations-Forscher David Keith
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