Industrielle Aktivitäten, Transport, Konsum und Energieverbrauch steigen als Folge der wachsenden Weltbevölkerung. Die dadurch erhöhten Treibhausgasemissionen verändern Klima und Ökosysteme in einer Weise, die immer mehr Menschen dazu bewegt - freiwillig oder nicht – ihr Herkunftsland zu verlassen. Neben plötzlich einsetzenden Katastrophen wie Hochwasser und Stürmen, die Hauptgründe umweltbedingter Migration zwischen 2008-2013, verlieren Menschen ihre Existenzgrundlagen auch durch langsame Klimaprozesse, etwa dem Anstieg der Meeresspiegel, der Versalzung von Böden oder dem Abschmelzen von Permafrost und Gletschern.
Migration ist multikausal
Nicht ohne Grund finden sich keine genauen Zahlen zur Umweltmigration. Während obig genannte Phänomene zweifelsohne zur Vertreibung Millionen von Menschen geführt haben, sind es oft nicht die einzigen Gründe, Klimaflüchtling zu werden. Nicht immer kann der Faktor Umwelt in Migrationsprozessen isoliert betrachtet werden; auch politische, demographische und wirtschaftliche Belastungen flechten sich vielerorts in die Analyse ein. Migrationsexperten betrachten den Begriff „Umweltmigration“ deshalb mit Skepsis: Migration sei in jedem Falle multikausal und die zunehmende Kategorisierung überflüssig.
Perspektivenwechsel
Die traurige Tatsache, dass Menschen aufgrund irreversibler Folgen des Klimawandels ihre Heimat verlassen müssen, gilt gemeinhin als Versagen der Menschheit. Unsere Aktivitäten führen zu Veränderungen von Klima und Lebensgrundlagen.
Dabei sind viele schreckliche Folgen für die Betroffenen unbestritten und zeigen Handelsbedarf auf. Überdies trägt diese Sichtweise massgeblich dazu bei, dass die Politik Massnahmen gegen den Klimawandel ergreifen muss.
Betrachtet man die Migration jedoch etwas weniger alarmistisch, öffnen sich neue Türen.
Im Rahmen der Klimakonferenz 2010 hat die UN die Migration in einen Text zum Thema „Strategien der Anpassung an den Klimawandel“ aufgenommen. Migration, eine wirksame Anpassungsstrategie? Suggeriert ein solcher Ansatz gar, dass es wünschenswert wäre, die Migration zu fördern? Was wären die Folgen und wo liegt allenfalls positives Potenzial?
Heimatüberweisungen
Der Ansatz, das Potenzial der Migration zur Anpassung an den Klimawandel zu nutzen, ist noch jung. Einige Staaten machen den Anfang, indem sie ausgewanderte Bürger dazu ermutigen, Geld zur Unterstützung von Umwelt- und Entwicklungsinitiativen in die Heimat zu schicken (Mexiko), oder die wirtschaftliche und gesellschaftliche Reintegration von Heimkehrern gesetzlich vorschreiben (Peru).
Migranten, die Verwandten und Gemeinschaften in ihren Herkunftsländern Geld überweisen, tragen dadurch massgeblich zu deren Unterstützung und Entwicklung bei. Beispielsweise waren im Dorf Salani auf den Samoa Inseln die Heimatüberweisungen nach dem Tsunami 2009 dreimal so hoch wie die Hilfe durch NGOs und mehr als doppelt so hoch wie die staatliche Unterstützung. Studien zeigen, dass der Geldtransfer bei geringer staatlicher Unterstützung zunimmt und damit als reales Sicherheitsnetz dient.
Transfer zwischen Ziel- und Herkunftsland muss nicht zwingend finanzieller Natur sein. Kehren Migranten zurück, beispielsweise nach Naturkatastrophen, könnten sie ihr Land mit neu erlernten Fähigkeiten, Wissen und Technologien beim Wiederaufbau unterstützen.
Gesteuerte Migration
Sollen Menschen, die auf versinkenden Inseln, an überflutungsgefährdeten Flussdeltas oder an Hängen aktiver Vulkane leben, präventiv umgesiedelt werden? Die Massnahme mag einleuchtend erscheinen, wirft aber gleichzeitig eine Menge wichtiger Fragen auf: Dürfen Personen gegen ihren Willen umgesiedelt werden? Wo werden sie in Zukunft leben? Welche Kompensationsmassnahmen sind notwendig? Wie stellt man sicher, dass Umsiedlungsmassnahmen mancher Regierungen nicht zur scheinheiligen Entledigung unerwünschter Bevölkerungsgruppen missbraucht wird?
Quelle und weiterführende Informationen
Buch: Atlas der Umweltinformation, 2017, oekom Verlag
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