Die Erdatmosphäre. Wäre die Erde ein Apfel, hätte sie gerade mal die Dicke seiner Schale. Ihrer Bedeutsamkeit tut das aber keinen Abbruch. Sie verleiht dem Himmel seine blaue Farbe, sorgt für bezaubernde Sonnenuntergänge, ermöglicht Vögeln und Flugzeugen das Fliegen, lässt uns atmen – und inszeniert unser Wetter.
Direkt über und um uns befindet sich die Trophosphäre, die sich je nach Breitengrad in eine Höhe von 8 km (an den Polen) bis 17 km (am Äquator) erstreckt. Weil sich hier etwa 90 % der gesamten Luft und beinahe aller Wasserdampf der Atmosphäre befinden, spricht man auch von der „Wetterschicht“. Aufgewärmt wird sie durch die von der Erde abgestrahlte Sonnenenergie – die Temperatur in der Trophosphäre nimmt mit zunehmender Höhe ab. Nicht so in der darüber liegenden Stratosphäre, wo die Ozonschicht wiederum für eine Zunahme der Temperatur sorgt. In der Grenzschicht zwischen Tropho- und Stratosphäre, der Tropopause, fliessen starke und für unser Wetter bedeutungsvolle Windströme, die Jetstreams.
Mit Rückenwind nach Europa
Jetstream – der Name rührt von der erstmals im zweiten Weltkrieg von Piloten wahrgenommenen kürzeren Flugdauer zwischen den USA und England her, verglichen mit demselben Flug in die umgekehrte Richtung. Heute werden Flugrouten oft bewusst entlang dem starken und recht verlässlichen Höhenwind geplant. Ein Jetstream entsteht durch die Temperaturunterschiede zwischen den Polen und den äquatornahen Regionen. Kalte Luft ist dichter als warme Luft. Deswegen nimmt der Luftdruck in kalten Regionen mit der Höhe schneller ab als in warmen Regionen. Es entsteht ein Druckunterschied in der Tropopause; um diesen auszugleichen, strömt Luft aus warmen Hochdruckgebieten in Richtung der kälteren Tiefdruckgebiete: Auf der Nordhalbkugel von Süden nach Norden, auf der Südhalbkugel von Norden nach Süden. Aufgrund der Erdrotation werden diese Winde durch die sogenannte Corioliskraft abgelenkt und verlaufen stattdessen tendenziell von West nach Ost. Es gibt mehrere Jetstreams in unserer Atmosphäre. Sie jagen in Höhen von sieben bis zwölf Kilometern mit Geschwindigkeiten von mehreren hundert Stundenkilometern dahin.
Der Wettermacher
Das Wetter in grossen Teilen Nordeuropas, Europas und Nordasiens wird massgeblich vom Polarjetstream zwischen dem 50. und 70. nördlichen Breitengrad beeinflusst. Der Polarjetstream verläuft nicht etwa geradlinig von West nach Ost, sondern schlägt weit nach Nord und Süd ausbuchtende Wellen. Er mäandert. Diese sogenannten Rossby-Wellen entstehen einerseits aufgrund kleiner atmosphärischer Instabilitäten, und andererseits durch hohe Gebirgsketten sowie Temperaturunterschiede zwischen Land- und Ozeanmassen. Rossby-Wellen bringen kalte, arktische Luft nach Süden und warme, tropische Luft nach Norden – sie verursachen dadurch die Hoch- und Tiefdruckgebiete auf der Nordhalbkugel.
Der Jetstream versiegt
Die Atmosphärenforscherin Jennifer Francis von der Rutgers Universität in New Brunswick, New Jersey, widmete sich in den letzten Jahren den Auswirkungen arktischer Klimaveränderungen auf die Wetterlagen der Nordhalbkugel. Aufgrund der höheren Durchschnittstemperaturen schmelzen Eis und Schnee, wodurch der Boden in der Arktis bereits im Frühling von der Sonneneinstrahlung erwärmt und ausgetrocknet wird, erklärt Francis in einem Interview mit The Guardian. Der arktische Sommer beginnt demnach immer früher im Jahr, und die Temperaturunterschiede zwischen Nord und Süd werden kleiner. Dies schwächt wiederum die ausgleichenden Höhenwinde – der Jetstream wird langsamer und beginnt ausserdem stärker zu mäandern. Dadurch stehen Rossby-Wellen zunehmend über längere Zeit in einem Gebiet still und verursachen andauernde, extreme Wetterereignisse. Beispiele dafür sind die heftigen Überschwemmungen in Pakistan 2010 sowie die gleichzeitige Hitzewelle in Russland.
Zu solchen Wetterereignissen führen jedoch nicht nur der kleinere Druckunterschied und der dadurch verlangsamte Jetstream, betont Francis. Vor allem über den Kontinenten teile sich dann der Jetstream oftmals in zwei separate Ströme; ein vor allem im Sommer zu beobachtendes Phänomen. Laut neuesten Erkenntnissen tendieren Hoch- oder Tiefdruckgebiete dazu, über längere Zeit zwischen diesen Teilströmen „eingeklemmt“ zu werden.
Die durchschnittliche Windgeschwindigkeit des Jetstreams hat sich seit 1990 um mehr als zehn Prozent reduziert. Ausserdem hat er sich zwischen 1981 und 2001 um mindestens 40 km nach Norden verlagert. Klimaforscher prognostizieren: Stossen wir weiterhin Treibhausgase aus und erwärmen damit die Atmosphäre, dann werden Hitzesommer nicht nur häufiger, sondern auch heisser. Der Rolle, die der Jetstream dabei spielt, wird zurzeit viel Aufmerksam geschenkt.
Quellen und weitere Informationen:
Heatwaves: The next silent killer? – Science weekly podcast
Why is Europe going through a heat wave?
Das Wetter schlägt Wellen
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