Die Winter werden kürzer, der Frühlingsanfang verschiebt sich zunehmend in die Wintermonate. Da es früher wärmer wird, beginnen die Pflanzen teilweise, früher zu wachsen. Daraus schloss die Forschung, dass der Klimawandel etwas gebremst werde, da die Pflanzen wegen der verlängerten Vegetationsperiode länger Photosynthese betreiben könnten und folglich mehr CO2 aufnehmen und mehr Biomasse produzieren würden. Eine kürzlich im Wissenschaftsjournal „Nature“ publizierte Studie kommt zum Schluss, dass diese Annahme revidiert werden sollte.
Die Lage ist prekärer als angenommen
Forscher der Technischen Universität (TU) Wien, der britischen Universität Leeds und weitere Klima- und Umweltforschungsgruppen analysierten Feld- und Satellitendaten sowie modellierte Daten aus 30 Jahren, von 1982 bis 2011. Dabei konzentrierten sie sich auf die Nordhalbkugel ab 30° nördlicher Breite. Sie verglichen die Dichte der grünen Vegetation im Frühling mit jener im Sommer und Herbst. Je mehr Pflanzengrün vorhanden ist, desto mehr Fotosynthese wird betrieben und desto mehr CO2 wird aus der Luft gefiltert. Es zeigte sich: Bei einem vorverlegten, warmen Frühling wachsen die Pflanzen tatsächlich früher und sind produktiver. Im Sommer und Herbst hingegen sinkt in solchen Jahren in vielen Regionen das Pflanzenwachstum. Damit wirkt sich der Klimawandel auch auf die Fotosyntheseleistung der Gewächse aus.
Bild: TU Wien
Matthias Forkel von der TU Wien, der an der Studie beteiligt war, sieht die Lage angespannter als gedacht:
„Leider verändern sich dadurch die Klimaprognosen in eine eher unerfreuliche Richtung. (…) Wir müssen davon ausgehen, dass die Folgen der Erderwärmung dadurch noch dramatischer sein werden als bisher berechnet.“
– Matthias Forkel, Klimaforscher
Warum sinkt das Wachstum?
Warum die Vegetation auf der Nordhalbkugel in Jahren mit einem warmen Frühling zurückgeht, kann die Studie nicht abschliessend beantworten. Das Forschungsteam stellt aber Thesen auf. So könnten die Ergebnisse mit der Wasserversorgung der Pflanzen zusammenhängen: Da sie früher wachsen, benötigen sie mehr Feuchtigkeit. Zudem verdunstet im warmen Frühling bereits relativ viel Wasser. In Trockenperioden könnte den Pflanzen diese Bodenfeuchte fehlen, weshalb dann auch das Pflanzengrün abnimmt.
Ein weiterer Grund könnte sein, dass bestimmte Pflanzen eine genetisch bedingte Wachstumsdauer aufweisen: Wenn das Wachstum früher einsetzt, wird dieses auch früher beendet.
Diese These ist allerdings kritisch zu betrachten: Viele Befunde zeigen, dass Pflanzen so lange wachsen, wie die Bedingungen günstig sind.
Das Klima ist äusserst komplex und von vielen Faktoren abhängig. Es ist daher fast unmöglich, die Ergebnisse auf einige wenige Gründe zurückzuführen.
Quellen und weitere Informationen:
Studie "Widespread seasonal compensation effects of spring warming on northern plant productivity", Nature (2018)
Bericht der Technischen Universität Wien
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