Das diesjährige Formel-E-Rennen in Bern war laut den Organisatoren ein grosser Erfolg. Im Vorfeld wurde die Grossveranstaltung vom Berner Regierungsrat als wichtiges Element der Tourismuswerbung begrüsst. Die Stadtregierung befand, der E-Prix sei ein gutes Mittel, um die Elektromobilität und neue Technologien zu fördern. Doch das Wettrennen der Elektroboliden löste nicht nur Begeisterung aus. Besonders die Bevölkerung nahe der Rennstrecke begann sich zu wehren. Angeprangert wurde auch die mangelnde Nachhaltigkeit. Nur schon der Transport der Absperrteile von Zürich nach Bern benötigte über 200 Fahrten mit 40-Tonnen-Sattelschleppern; denn letztes Jahr wurde das Rennen in Zürich durchgeführt. Warum das Rennen nicht nochmals in der Limmatstadt stattfand, hat seine Gründe. Von offizieller Seite her war der Anlass auch hier sehr willkommen. Man erhoffte sich einen Schub als Forschungsort für E-Mobilität. Die Gemeinderatsfraktion der SVP Zürich sah die Stadt schon als Monaco der Formel-E. Diesen Träumen machte aber die Stadtzürcher Bevölkerung einen Strich durch die Rechnung. So kam Bern als nächster Austragungsort ins Spiel. Doch auch in der Bundesstadt bildete sich eine Gruppe aus Anwohnern und weiteren Aktivistinnen, die das nicht so toll fand. Sie demonstrierte im Vorfeld des Rennens und randalierte. Plakate wurden herunter gerissen und Kabel zerschnitten. Einerseits ging es um das Ereignis selbst, andererseits geht aber ihre Kritik noch viel weiter.
Kritik an der Elektromobilität
Der Ersatz von Benzinern und Dieselfahrzeugen durch Elektroautos trage nicht dazu bei, den Klimawandel zu stoppen. Mit technischen Lösungen sei dem Problem grundsätzlich nicht beizukommen. Mit der Formel-E werde suggeriert, dass die Elektromobilität das Klima rette. Die Gruppe Formel-E ade plädiert, dass der gesamte Automobilverkehr drastisch reduziert werden muss. Für unvermeidbare Fahrten seien Elektro-Fahrzeuge einzusetzen.
„Angesichts der Klimakrise braucht es dringend einen System- und Gesellschaftswandel. Nur mit technischen Mitteln wird die Klimaerwärmung nicht aufzuhalten sein.“
Formel-E ade Bern
Die Argumente sind prüfenswert. Laut Statistik nimmt der Fahrzeugbestand in der Schweiz alljährlich kontinuierlich zu. Die Anzahl von Elektroautos steigt langsam an, Benziner werden jedoch von Autokäufern nach wie vor bevorzugt. Es werden immer effizientere Benzinmotoren entwickelt. Für den Entscheid gegen das Elektroauto werden meist die zu spärlichen Ladestationen und die geringe Reichweite ins Feld geführt.
Es gibt inzwischen eine Handvoll Studien, die untersuchen, welche nun umweltfreundlicher sind. Im Betrieb ist das E-Mobil klar im Vorteil, da es klimaneutral unterwegs ist. Doch wird der ganze Lebenszyklus einbezogen, schrumpft der Vorsprung beträchtlich. Alle Blechkisten brauchen Unmengen von Ressourcen, deren Förderung und Verarbeitung oft alles andere als umwelt- und menschenfreundlich sind. Und nicht nur das: Alle Autos, unabhängig von der Antriebstechnik, brauchen Abstellplätze und Strassen. Sie setzen Schadstoffe in die Luft, wie beispielsweise Reifenabrieb. Der Stau am Gotthard wird nicht kleiner mit Elektrofahrzeugen, die Nadelöhre im Verkehrsnetz bleiben bestehen. Auch Verkehrsunfälle sind damit nicht aus der Welt geschafft. Nicht zu unterschätzen ist ausserdem die Macht der Automobilindustrie. Sie weckt immer wieder neue Bedürfnisse: mehr Fahrleistung, bessere Ausstattung, grössere Fahrzeuge. Die Automobilistengemeinschaft folgt diesen Mantras wie die Ratten von Hameln dem Flötenspieler.
Anderes Denken erforderlich
Nach Hermann Knoflacher, Professor für Verkehrswissenschaften in Wien, muss ein fundamentales Umdenken stattfinden. Nach seiner Überzeugung nimmt die Automobilität dann zu, wenn falsch geplant wird. Die Städte und Siedlungen werden immer noch vorrangig nach den Forderungen von Autofahrern gebaut. Die Bedürfnisse der Fussgänger, Velofahrer und des öffentlichen Verkehrs erfahren kaum Berücksichtigung. Er weist auf den Missstand hin, dass die an der Planung Beteiligten erstens nicht zusammenarbeiten und zweitens sich nicht an den Urbedürfnissen der Menschen orientieren. Städte und Siedlungen müssen anders geplant und gebaut werden - auf den Menschen als Fussgänger und Radfahrer bezogen und nicht auf das Auto. Dazu gehört auch die Anpassung von gesetzliche Grundlagen.
Menschen müssen sich als Fussgänger wohl fühlen in ihrer Wohnumgebung, sonst entsteht der Sog aus der Stadt. Wenn dies gelingt, so seine Folgerung, nimmt auch der Automobilverkehr ab.
„Nur wenn der Reiz für das Zu-Fuss-Gehen und Radfahren grösser ist als der Reiz, das Auto zu benutzen, entstehen wieder menschliche Siedlungen und Städte.“
Hermann Knoflacher, Professor für Verkehrswissenschaften Wien
Zurück zur Formel-E: Können Autorennen grundsätzlich verboten werden? Wohl kaum. Mit Murren kann vielleicht eingestanden werden, dass diese besser mit Elektroboliden auszutragen wären, wenn es denn sein muss. Aber bitte nicht durch Wohngebiete, sondern auf dafür vorgesehenen Rennstrecken.
Quellen und weitere Informationen:
Formel-E ade
Haltung VCS zur Elektromobilität
Informationen zu Elektroautos
Hermann Knoflacher
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