Grönlands Schmelzwasser: Profite aus dem Klimawandel?

Vom Kühlregal der Erde bald ins Kühlregal des Supermarktes: Grönlands Schmelzwasser. Vom Kühlregal der Erde bald ins Kühlregal des Supermarktes: Grönlands Schmelzwasser.

Nicht jedes Land verfügt über so grosse Trinkwasservorkommen von so guter Qualität wie die Schweiz. Mehr als zwei Milliarden Menschen auf der Welt sind ohne sicheren Zugang zu Trinkwasser. Ob Grönlands Schmelzwasser dieses Ungleichgewicht zu verschieben hilft, bleibt derweil fraglich.

Weltweit nimmt die Wasserknappheit zu, dies zeigt der UN-Weltwasserbericht von 2019. Der Klimawandel fördert diese Entwicklung, gleichzeitig setzt er aber auch gewaltige Süsswassermengen frei, wenn mit den erhöhten Temperaturen die Gletscher schmelzen. 
Gerade an den Polen schmilzt das Eis noch schneller als bisher erwartet. In Grönland beispielsweise schmolzen einer im Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlichten Studie zufolge seit 1992 3,8 Billionen Tonnen Eis. Die Forscher ermittelten ebenfalls den Meeresspiegelanstieg, für den das Abschmelzen des Grönlandeises verantwortlich ist: 10,6 Millimeter waren hier sein Beitrag.  

Die grönländische Regierung will nun aus dem Klimawandel ein Geschäft machen. Aus dem Schmelzwasser der Gletscher soll „ein marktfähiges Produkt werden, dass andernorts fehlt“, so der Energieminister Jess Svane. „Die grossen Mengen reinsten Wassers sollen der Welt angeboten werden und die Ressource verfügbar gemacht werden“, so berichtete er in der deutschen Nachrichtensendung „Tagespiegel“. 
Insgesamt 16 Lizenzen zur Wassergewinnung hat die grönländische Regierung ausgeschrieben. Auf welche Märkte dann exportiert wird, liegt unter der Entscheidungsgewalt der Unternehmen. 
Besonders betroffen von der Wasserknappheit sind Menschen in den ärmsten Regionen der Erde. Ob sie als Exportmarkt für das Grönlandwasser in Frage kommen, bleibt zu bezweifeln. Natürlich ist es sinnvoll, das kostbare Süsswasser zu nutzen und zu verhindern, dass es den Salzgehalt der arktischen Ozeane noch zusätzlich vermindert. (Neben den Auswirkungen auf die arktischen Habitate wirkt sich der Verlust der Salinität speziell auch auf die „Umwälzpumpe“ der Meeresströmungen, in diesem Fall des Golfstroms aus.) Ob die Ausbeutung des wertvollen Trinkwassers aber gewinnorientierten Unternehmen überlassen werden sollte, bleibt fraglich. Die Versuche der Etablierung des Grönlandwassers als profitablem Lifestyle-Produkt sind bereits angelaufen. 

Kritisiert werden kann die zu Dänemark gehörende Insel zudem für ihre 2020 verabschiedete Öl- und Gasstrategie. Die grossen Ölkonzerne sollen mit der Aussicht auf neue Felder für die Ölförderung und mit Steuervergünstigungen angelockt werden. Laut Angaben der Regierung sind 90% der Wirtschaft bisher abhängig von der Fischerei. Es ist demnach verständlich, dass Grönland seine wirtschaftliche Produktivität auf weitere Standbeine ausweiten will. Laut Energieminister soll das auch in nachhaltiger Weise geschehen: Durch Tourismus, den Betrieb grosser Rechenzentren auf Basis sauberer Energie, oder eben durch den Verkauf von Schmelzwasser. Bis die erneuerbaren Energien die weltweite Energieversorgung gewährleisten könnten, sei es durchaus legitim, die fossilen Brennstoffe weiterhin als Einkommensquelle zu nutzen, so der Energieminister. Diese Argumentation ist beliebt: Sie lässt aus, dass alle Verfügbarkeit reichlicher und preisgünstiger fossiler Brennstoffe die rasche Umstellung zur Erneuerbaren Energie potentiell hinauszögert und den Klimawandel weiter anheizt.  
 
 
 

Quellen und weitere Informationen:  
UNESCO: Weltwasserbericht 2019
Nature: Unprecedented Greenland melt
Nature: Mass balance of the Greenland Ice Sheet from 1992 to 2018
Spiegel: Geschäftsidee Schmelzwasser

  
  

 

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Kommentare (1) anzeigenausblenden 

0 #Uwe Scheibler2020-07-27 11:47
Wer Wasser in andere Regionen transportiert oder transportieren lässt, macht sich eines kapitalen Umweltverbrechens schuldig. Und die Ölförderung ist ja wohl total inakzeptabel. Nur weil wir schon schwere Fehler gemacht haben, ist das kein Grund, um andere dasselbe wiederholen zu lassen. Schlimmer geht's kaum!
Viel einfacher und günstiger und mit sehr viel weniger Umweltbelastung verbunden wäre es, wenn Grönlands Bewohnerinnen auf andere Regionen verteilt würden. Dann gäbe es auch keinen Grund mehr, diese Insel zu "entwickeln". Als Naturreservat wäre Grönland von unschätzbarer Bedeutung für die Welt und die Menschheit.
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