Die Coronakrise, die monatelang das gesellschaftliche Leben weitgehend lahmlegte, hat auch den Klimawandel von den medialen Tagesthemen verdrängt. Doch mit den Beratungen zu weitreichenden staatlichen Stützungsmassnahmen für die private Wirtschaft einerseits und zum CO2-Gesetz in den eidgenössischen Räten andererseits geriet jetzt auch der Klimaschutz wieder in den Fokus breiter Diskussionen. Dabei forderten weite Kreise, dass die öffentlichen Gelder an Bedingungen zu knüpfen seien, die Investitionen als Anstoss für ein klimagerechtes Handeln einzusetzen. Tatsächlich Es macht es weder betriebs- noch volkswirtschaftlich Sinn, alte klimaschädliche Strukturen aufrechtzuerhalten!
Damit verbunden ist die Chance, den notwendigen Umbau der Wirtschaft hin zu einer nachhaltigen Entwicklung wahrzunehmen und diese künftig umwelt- und klimagerecht zu gestalten. Dies ist dringender denn je, wie auch die Jahrestagung der Schweizerischen Energiestiftung SES «Power fürs Klima» wieder zeigte.
Im Pariser Klimaabkommen haben sich die Staaten verpflichtet, die Treibhausgase bis 2050 auf Netto Null zu reduzieren, um die Erderwärmung möglichst bei +1,5°C zu stabilisieren, mindestens aber nicht über +2°C ansteigen zu lassen. Das bedeutet, dass bis dann auf sämtliche fossile Energieträger zu verzichten sein wird. Das gilt auch für die nukleare Energie, denn die Atomkraftwerke sind -entgegen einer leider weitverbreiteten Meinung- vom Uranabbau über die Brennstäbe und den Wasserdampf der Kühltürme bis hin zur noch nicht gelösten Endlagerung radioaktiver Stoffe keineswegs treibhausgas- und CO2-frei! Auch auf die fossile Chemie und die industrielle Landwirtschaft wird künftig zu verzichten sein.
Der globale Temperaturanstieg hat mittlerweile bereits +1,1°C erreicht. Damit sind 2/3 des Budgets bereits verbraucht. In diesem Zusammenhang ist es geradezu irre, mit Emissions-“Rechten“ zu handeln!
Die Dekade 2010 – 2019 mit einer Zunahme von 0,18°C ist die wärmste je gemessene Zehnjahresperiode. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 20% wird befürchtet, dass bereits in den nächsten fünf Jahren die +1,5°C-Limite überschritten wird. Deshalb verlangen renommierte Wissenschaftler, dass Netto Null bereits 2030, spätestens 2040, erreicht sein müsste, um der Erderwärmung im notwendigen Mass Einhalt zu gebieten. Sie zweifeln aber -angesichts bisheriger Erfahrungen- am politischen Willen, die klimaneutrale Gesellschaft wirklich anzustreben und sich gegen die massiven Widerstände einzelner Wirtschaftskreise erfolgreich durchzusetzen.
„Die Energiewende ist keine Frage der Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit, sondern eine des politischen Willens!“
Hans-Josef Fell, Präsident Energy Watch Group
Auch die Schweizer Klimajugend fordert Netto Null bis 2030 und hat mit ihren Aktionen bestimmt wesentlichen Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung und politische Meinungsbildung nehmen können.
Die Coronakrise zeigt zudem, dass - bei allem Respekt vor den wirtschaftlichen Auswirkungen - gemeinsames und politisch angeführtes schnelles Handeln zur Beherrschung einer gesundheitlichen Gefahr möglich ist - und dies doch auch für die noch weit grösseren Gefahren des Klimawandels möglich sein sollte! Im Gegensatz zu Corona lässt sich dafür planen und (noch) nicht im Krisenmodus rotieren.
Es gilt, den Umbau auf erneuerbare Energien intensiv und so schnell wie möglich voranzutreiben. Dabei muss aber dennoch Rücksicht auf elementare Bestandteile unserer Lebensräume genommen werden. Es kann nicht angehen, dass der letzte freifliessende Bach, das letzte urtümliche Gletschervorfeld zur Wassernutzung verbaut wird. Auch der Biodiversität und dem Landschaftsschutz gebührt die nötige Beachtung. Ob dabei aber jeder Windanlage mit teils unglaubwürdigen Argumenten angesichts der die Landschaften weitherum beeinträchtigenden Hochspannungsleitungen opponiert werden muss?
Zahlreiche Studien zeigen, dass in der verbauten Schweiz genügend Dachflächen bestehen, um mit Photovoltaik-Anlagen ausreichend Strom für das ganze Land zu produzieren. Selbst Fassaden lassen sich heute architektonisch gut integriert als Kraftwerke ausgestalten. Allerdings muss deren Erstellungsgeschwindigkeit massiv zunehmen. Auch die Fördermittel müssten angesichts der Bedeutung und Notwendigkeit der Energiewende entsprechend angehoben werden. Schon heute liegen die Energiepreise aus Wind- und Photovoltaikanlagen deutlich tiefer als aus herkömmlichen Kraftwerken. Ist es vernünftig, noch auf alte Technologien zu setzen und den Ausbau der neuen Erneuerbaren zu behindern?
Die Energiewende ist nicht nur eine Frage des politischen Willens, sondern vor allem auch der Vernunft!
Sicher sind künftig Gesamtenergiekonzepte erforderlich, wobei die erneuerbaren Energieträger Sonne, Wind, Erdwärme, Biomasse den regionalen Gegebenheiten entsprechend einzusetzen sind. Damit entsteht ein Innovationsmotor, der zu Energieunabhängigkeit, Wertschöpfung in der eigenen Region und Schaffung von Arbeitsplätzen führt.
Zusätzlich besteht eine breite Palette möglicher politischer Handlungsebenen wie auch privater Handlungsbereiche, die es umzusetzen gilt. Auf der politischen Ebene wären das etwa der Abbau administrativer Hürden und notwendige gesetzliche Anpassungen, die Streichung von Subventionen für fossile und atomare Energien, die Verminderung übermässiger Tierbestände, eine Klimabank für grüne Investitionen (zB. Postfinance), einheitliche Rückliefertarife für Einspeisungen ins Stromnetz (zB. mind. 12 Rp/kWh), die PV-Pflicht für Neubauten und für Kühlanlagen und die Förderung der Elektromobilität (ÖV, Taxis) allgemein. Im privaten Bereich eine fleischarme Ernährung, der Ersatz fossilbetriebener Heizungen, die Umstellung auf eine umweltverträgliche Mobilität, um nur einiges zu nennen.
Entscheidend für die notwendige Dekarbonisierung und den Umbau auf Nachhaltigkeit wird die nächste Dekade sein. Darin entscheidet sich, ob es gelingt, die Erderwärmung zu stoppen und zu verhindern, dass Klimaextreme weiter zunehmen und das Leben auf dem Globus massiv beeinträchtigen.
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