Netto-Null-Ziel bereits gefährdet

Die Erdöl- und Autolobby will wie gehabt emittieren Die Erdöl- und Autolobby will wie gehabt emittieren

Der Bundesrat hat erst letzte Woche beschlossen, dass der CO2-Ausstoss bis 2050 auf netto null sinken soll. Doch es formiert sich bereits Widerstand: Vertreter der Erdöl- und Autolobby haben über 100’000 Unterschriften für ein Referendum gesammelt.

Bis 2050 soll die Schweiz unter dem Strich keine Treibhausgase mehr ausstossen. Bereits 2019 hat das der Bundesrat beschlossen. Am vergangenen Donnerstag hat Bundesrätin Simonetta Sommaruga die «langfristige Klimastrategie der Schweiz» präsentiert, welche die Klimapolitik bis ins Jahr 2050 leiten soll. Der Bundesrat folgt damit einer Verpflichtung des Pariser Übereinkommens, wonach die Staaten bis Ende 2020 ihre Klimastrategien einreichen müssen.

 

Netto-Null für die Schweiz,…

Die Klimastrategie knüpft an das revidierte CO2-Gesetz an, welches eine Senkung der Treibhausgase um 50% bis 2030 vorsieht. Die Dringlichkeit des Handelns hat Katrin Schneeberger, Direktorin des Bundesamtes für Umwelt, an der Medienkonferenz unterstrichen. Die Temperaturen würden im Alpenland Schweiz doppelt so stark steigen wie im weltweiten Durchschnitt.

Dieses Ziel sei auch erreichbar. Die Schweiz sei als innovations- und finanzstarkes Land mit fast CO2-freier inländischer Stromproduktion in einer guten Ausgangslage, um das Netto-Null Ziel bis 2050 zu erreichen. Die langfristige Klimastrategie zeige, dass die Schweiz ihre Treibhausgasemissionen in den Verkehrs-, Gebäude- und Industriesektoren bis 2050 um knapp 90% vermindern könne. In den Bereichen Gebäude und Verkehr könne man bis 2050 emissionsfrei werden. Auch in der Industrie liessen sich die Emissionen aus dem Energieverbrauch praktisch vollständig beseitigen. In der Luftfahrt bieten laut Bundesrat erneuerbare Treibstoffe und neue Antriebstechnologien Potenzial zur Emissionsverminderung. Einzig im Bereich Landwirtschaft und Ernährung sei eine vollständige Reduktion der Emissionen noch schwierig. Man schätze, dass eine Emissionsreduktion im Ernährungssektor um mindestens 40% im Vergleich zum Jahr 1990 möglich sei. Die verbleibenden Emissionen sollen mittels CO2-Speicherung (CCS) sowie Negativemissionstechnologien (NET) ausgeglichen werden.


…aber nicht, wenn es die Erdöl- und Autolobby verhindern kann

Noch ist nicht sicher, ob das Gesetz überhaupt wie geplant im Jahr 2022 in Kraft treten kann. Ein Bündnis aus der Erdöl- und Autolobby, unterstützt von der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei SVP, hat in den letzten Wochen über 110’000 Unterschriften gegen das Gesetz gesammelt — und damit auch gegen den zweckmässigen Klimaschutz in der Schweiz. Dem selbsternannten Wirtschaftskomitee „Nein zum CO2-Gesetz“ gehören neben dem Automobil Club der Schweiz auch der Dachverband der Brennstoffhändler Swissoil und andere Interessenvertreter der Erdöl- und Autolobby an.

Die Argumente der Referendum-Ergreifer sind fragwürdig. So habe das Gesetz keinen „spürbaren Einfluss auf das Klima“ und bringe nichts, weil die Schweiz gerade einmal für ein Tausendstel des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich sei. Die Schweiz sei bereits vorbildliche Klimaschützerin — da führe das CO2-Gesetz nur zu mehr Bürokratie, Verboten, Vorschriften und neuen Steuern und Abgaben. Es widerspreche sämtlichen liberalen Traditionen der Schweiz, koste viel und bringe nichts, teilen die Initiatoren weiter mit.


Klimaschutz kostet weniger als der ungebremste Klimawandel

Zu ganz anderen Schlüssen kommt eine neue Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW. Sie hat verschiedene Massnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen untersucht und deren Kosten für die Wirtschaft im Jahr 2030 berechnet.
Das Resultat: Würde die Schweiz die untersuchten Massnahmen bereits ab heute umsetzen, könnte sie allein 2030 mehr als eine Milliarde Franken sparen. Die grössten Einsparmöglichkeiten bieten die Verkehrs- und Heizungssektoren — und das ohne grossen Aufwand: Würden zum Beispiel ab sofort alte Öl- und Gasheizungen zu 90% mit Wärmepumpen ersetzt oder beim Kauf eines neuen Autos Elektrowagen bevorzugt, könnte man Kosten in der Höhe von 1,7 Milliarden Franken vermeiden. Grund dafür sind die tieferen Betriebs- und Unterhaltskosten der neuen Technologien. Auch ein schnellerer Ausbau von Solaranlagen wäre rentabel. Gratis dazu kämen die positiven Klimaeffekte: Mit den technischen Massnahmen könnten im Jahr 2030 13,6 Millionen Tonnen Treibhausgase vermieden werden. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kosten eines ungebremsten Klimawandels übersteigen die Kosten von Massnahmen für den Klimaschutz somit bei weitem.

Das Netto-Null-Ziel ist für die Schweiz somit auch von grossem wirtschaftlichen Interesse. Die Schweiz vermindert mit der Abkehr von fossilen Brenn- und Treibstoffen wie Öl, Gas, Benzin und Diesel zudem ihre Abhängigkeit vom Ausland. Geld, das heute ins Ausland abfliesst, wird künftig im Inland investiert. Davon profitiert das einheimische Gewerbe. Dementsprechend sehen auch viele Schweizer Unternehmen und KMU’s das Gesetz positiv und organisieren sich im Komitee „Schweizer Wirtschaft für das CO2-Gesetz“.


Über das CO2-Gesetz wird voraussichtlich im Juni 2021 abgestimmt.

 

Quellen und weitere Informationen: 
Bundesrat: Medienmitteilung
Siegwart et al. (2020): Technische und Suffizienz-Massnahmen zur Reduktion der schweizerischen Treibhausgasemissionen — Der Vermeidungskostenansat
Klima-Allianz: Ja zum CO2-Gesetz
Schweizer Wirtschaft für das CO2-Gesetz

 

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