Nach zweiwöchigen Verhandlungen an der Weltklimakonferenz in Glasgow gibt es zum ersten Mal in der Geschichte eine von allen 197 Staaten akzeptierte Einigung: Mehr Tempo beim Klimaschutz und weltweite Solidarität mit den heute schon am schwersten vom Klimawandel betroffenen Ländern. Während an den vergangenen COPs (Conferences of parties) ein Hauptaugenmerk auf die Zielsetzung gelegt wurde, so ging es in Glasgow erstmals auch darum, wie die Ziele erreicht werden können. Die Resultate erhalten viel Lob seitens der Politik und einiges an Kritik von der Seite der Umweltschützerinnen.
Ausstieg oder Reduzierung?
Einer der wichtigsten diskutierten Punkte betrifft die globale Energiewende. So sollen der weltweite Ausstieg aus der Kohleindustrie angestrebt und ineffiziente Subventionen für fossile Brennstoffe künftig vermieden werden. „Das fossile Zeitalter geht zu Ende, die Energiewende wird weltweit zum Leitbild», meint die deutsche Bundesumweltministerin Svenja Schulze: «Die Aussagen zum Kohleausstieg hätte ich mir eindeutiger gewünscht […]». Und das zu Recht: Kurz bevor Alok Sharma, Präsident der 26. Weltklimakonferenz, die Abschlusserklärung des Glasgower-Klimapakts beschliesst, legten China, Indien und Iran ihr Veto ein. Das fertig ausgehandelte Papier wird – ohne allgemeine Absprache –ein letztes Mal abgeändert. Statt «phase out» für Kohle und Subventionen steht da nun «phase down»: Reduzieren statt Aussteigen. Eine «profunde Enttäuschung» meint auch Simonetta Sommaruga: «Das ist nicht gut für die Glaubwürdigkeit des Prozesses.» Viele der kleineren Mitgliedstaaten fühlten sich nach dieser Verwässerung in letzter Minute übergangen, Einspruch erhob jedoch letztlich niemand, um nicht das gesamte Glasgow-Paket zu gefährden. Die Frustration war jedoch gross. Auch Sharma kämpfte an der Schlussabstimmung mit den Tränen: «Ich bitte um Verzeihung für die Art, wie das gelaufen ist. Und es tut mir sehr leid».
Höhere und schnellere Klimaziele
Nebst der Reduktion der Kohleenergie fordert die Klimaerklärung von Glasgow die Staaten auf, bereits im nächsten Jahr ihre bestehenden Klimaziele für die 20er-Jahre zu verbessern. Das ist eine deutliche Beschleunigung gegenüber dem Pariser Abkommen, welches erst bis 2025 die Vorlage besserer Ziele für die 2030er Jahre vorsieht. Ausserdem soll von nun an jährlich - nicht wie bis anhin alle fünf Jahre - überprüft werden, wie gross die Lücke zur Erreichung des 1,5 Grad-Ziels noch ist. Während Europa bereits im letzten Jahr mit einer deutlichen Anhebung ihrer Klimaziele vorangeschritten ist, sind grosse Volkswirtschaften wie die USA gefolgt. Nun hat auch China an der Konferenz eine Erhöhung der Klima-Ambitionen für die kommenden Jahre angedeutet.
Zu den Finanzen
Die Klimafinanzierung galt lange als das Feld, an dem die Konferenz scheitern könnte. Jedoch konnten sich die Industrieländer in Glasgow einigen, zwischen 2021 und 2025 100 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen, welche für Klimaprojekte verwendet werden sollen. Zusätzlich wurde ein Zuschuss an finanzieller Hilfe für arme, bereits mit den fatalen Folgen des Klimawandels konfrontierten Staaten bestätigt, welcher bereits in Paris vereinbart, aber bislang nicht erreicht wurde. Diese Finanzhilfen sollten bis 2025 auf rund 40 Milliarden Dollar verdoppelt werden.
Sind die 1,5 Grad noch realistisch?
Ein Blick auf die Kurve der weltweiten Treibhausgasemissionen macht deutlich, dass das Klimaziel von 1,5 Grad unrealistisch ist. Momentan nehmen die Emissionen von Treibhausgasen insgesamt noch zu. Will man das Ziel erreichen, so müssten laut Klimamodellen der UNO die weltweiten Emissionen bis 2030 fast halbiert werden und bis 2050 vollständig enden. Jetzt allein der Weltklimakonferenz in Glasgow ein Versagen vor dieser Zielsetzung zuzuschieben, wäre jedoch falsch. Die Erfolgsaussichten waren - unter den gegebenen politischen und wirtschaftlichen Bedingungen - bereits in Paris schlecht. Sollten die in Glasgow neu vereinbarten Versprechungen der Regierungen umgesetzt werden, dürfte die Erwärmung gemäss Klimaexperten bei etwa 2,4 Grad liegen. Doch die Klimakonvention kennt auch weiterhin keine Sanktionsmittel. So bleiben alle Vereinbarungen freiwillig, die einzigen Waffen sind Transparenz und öffentlicher Druck.
Und die Schweiz?
Zwar präsentierte sich die Schweiz in Glasgow als Klimaschutz-Vorreiterin, doch viel mehr als eindringliche Worte kamen von ihrer Seite nicht. So verzichtete sie darauf, die Ausstiegsverpflichtung für Verbrennungsmotoren zu unterzeichnen. Auch wurde keine einzige konkrete Massnahme präsentiert, um den Schweizer Finanzplatz klimafreundlicher zu gestalten, geschweige denn im Inland Emissionen zu reduzieren. Stattdessen werden Abkommen mit dem globalen Süden geschaffen, nach welchen die Schweiz mehr CO2 im Ausland kompensieren kann. «Solange die Auslandkompensationen dazu genutzt werden, die Schweizer Klimabilanz schön zu rechnen, zementieren wir damit unseren zerstörerischen Lebensstil mit viel zu hohen Emissionen. Je länger wir wirkungsvolle Klimaschutzmassnahmen im eigenen Land hinauszögern, desto teurer und schwieriger wird es» meint Georg Klingler, Klimaexperte bei Greenpeace Schweiz dazu.
Von Alok Sharma wird die Schweiz hingegen für ihre aktive Rolle bei den COP26-Vorbereitungen und für die wichtige Zusammenarbeit mit anderen Staaten gelobt.
Quellen und weitere Informationen:
Srf: Staaten sollen Kohleausstieg einleiten
Greenpeace: COP26 ends in Glasgow
Swiss info: COP26 Glasgow: Präsident der UNO-Klimakonferenz setzt auf die Schweiz
Kommentare (0) anzeigenausblenden