Und schon wieder ist ein Jahr vergangen. Man fragt sich: „Vergeht die Zeit immer schneller oder bilde ich mir das nur ein?“ Wenn es Ihnen so vorkommt, als ob sich die Erde immer schneller drehen würde, sind Sie in bester Gesellschaft. Zeit scheint heute die wertvollste Ressource zu sein, noch wichtiger als Geld. Einige Zeitgenossen bemühen sich krampfhaft darum, sicherzustellen, dass niemand Ihre wertvolle Zeit stielt. Ein „Ich habe leider keine Zeit“ zu entgegnen, ist eine der höflicheren Varianten, dies zu verhindern. In gewissen Situationen, zum Beispiel im Strassenverkehr, kommt die Sorge um die Zeit dann oftmals auf eine weniger vornehme Art und Weise zum Ausdruck.
Wir sind uns also bewusst, dass Zeit wertvoll ist. Zumindest wenn es um uns selber geht. An anderen Orten gehen wir grosszügig mit ihr um. Die meisten von uns Schweizern nehmen beispielsweise den Klimawandel nicht als eine Gefahr war, die uns persönlich betrifft. Wahrscheinlich werden die Auswirkungen des Klimawandels den Grossteil von uns tatsächlich nicht stark beeinträchtigen. Trotzdem wird das Zeitfenster schnell kleiner; zumindest wenn wir die Lebensgrundlagen der Menschen schützen wollen, die davon betroffen sind oder betroffen sein werden.
Dringlichkeit ist uns zu wenig bewusst
Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Art und Weise, wie wir auf Gefahren reagieren. Wenn wir die Auswirkungen unseres Verhaltens unmittelbar sehen, sind wir motiviert, aktiv zu werden. Das zeigt die aktuelle Corona-Krise. Die Gesellschaft und die Regierung sehen sich mit einer unmittelbaren Gefahr konfrontiert und sind bereit, sofortige und strikte Massnahmen zu ergreifen. Zwei Wochen später ist ersichtlich, ob die Massnahmen ihr Ziel erreicht haben. Beim Klimawandel verhält es sich komplexer. Wenn ein Gesetz zum Klimaschutz eingeführt wird, ist zwei Wochen später noch kein Resultat zu sehen. In zehn Jahren kann eine Aussage darüber gemacht werden, wie sich das Klima verändert hat.
Der Erfolg ist nicht unmittelbar zu sehen, da CO2 ein langlebiges Gas ist, welches 500 Jahre oder länger in der Atmosphäre verbleiben kann. Folglich ist das CO2, dass in den letzten zehn Jahren in die Atmosphäre gelang, nur ein kleiner Teil des gesamten in der Atmosphäre vorhandenen CO2. Der Anteil des CO2, das bereits vorher in der Atmosphäre war, trägt weiterhin zur Erwärmung der Erde bei.
Marokko und Indien schneiden beim Klimaschutz besser ab als die Schweiz
Ein weiterer Grund, wieso wir beim Klimaschutz nicht aktiv werden, ist der kleine prozentuale Anteil, welchen die Schweiz zum Gesamtausstoss beiträgt. Wenn wir allerdings annehmen, dass wir in Sachen Klimaschutz ohnehin schon zu den vorbildlichsten Ländern gehören, täuschen wir uns. Während wir auf dem Wohlstandsindex zurzeit gemeinsam mit Irland Platz 2 belegen, schaffen wir es auf dem Klimaschutzindex lediglich auf Platz 14. Marokko und Indien schaffen es im Gegensatz zu uns in die Top Ten. Die ersten drei Plätze des Rankings bleiben frei, da kein Land genug unternimmt, um das Ziel einer Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2 C° zu erreichen. Wenn alle Länder denken, die anderen sollten zuerst mehr unternehmen, dann rennt uns die Zeit schnellen Schritts davon.
Aber dreht sich die Erde nun tatsächlich schneller?
Falls Sie sich immer noch fragen, ob sich die Welt nicht doch etwas schneller dreht, liegen Sie richtig. In diesem Jahr hat sich die Erde schneller gedreht als normalerweise. Der durchschnittliche Tag war 0.00018 Sekunden kürzer als 24 Stunden. Doch über längere Zeit gesehen ist das Gegenteil zu beobachten. Aufgrund der von den Gezeiten verursachten Reibung verlangsamt sich die Drehung der Erde.
Quellen und weitere Informationen:
CCPI: Ranking Klimamassnahmen 2022
timeanddate: Is Earth On Course for the First Negative Leap Second?
Quarks: So eine große Wirkung hat so wenig CO2