Die Niederlande waren seit eh und je ein „niedrig gelegenes Land“ und daher anfällig für Überschwemmungen. Deshalb wurden schon vor 1000 Jahren erste Dämme gebaut. Über die Jahrhunderte hinweg wurden die Konstruktionen zum Schutze gegen Hochwasser immer robuster und wirksamer. Gleichzeitig wird aber auch deren Gegenspieler – das Wasser – „immer stärker“. An der Küste droht es das Land zu verschlucken. Von der anderen Seite, aus Deutschland, fliessen immer häufiger grosse Wassermengen in die holländischen Flüsse.
Besonders verheerende Überschwemmungen trafen das Land im Jahr 1953. Die Nordsee-Sturmflut fegte bis weit ins Landesinnere und riss 2‘000 Menschen in den Tod. Um sich gegen weitere Invasionen des Meeres zu rüsten, wurde das sogenannte Deltaprojekt initiiert. Die im Jahr 1997 fertiggestellten Deltawerke schützen heute das Festland durch ein weitreichendes System aus Dämmen, Deichen und Schleusen. Die Küstenlinie der Provinz Zeeland wurde so um ca. 700 km verkürzt.
Wissenschaft und Politik in den Niederlanden machen sich seit Jahren intensiv Gedanken darüber, wie dem steigenden Meeresspiegel begegnet werden soll. Eine der Hauptstrategien ist der Ausbau der Dämme: Bis 2050 sind alleine dafür Gelder von 1.2 bis 1.9 Milliarden Euro pro Jahr festgelegt. Seit einigen Jahren wird zudem eine neue Strategie verfolgt: Im Rahmen des Programms „Room for the River“ werden Flussbette an vielen Stellen verbreitert. Damit können die Fliessgeschwindigkeit und der Wasserpegel verringert werden. Die Einrichtung von sogenannten Pufferzonen, welche der Fluss bei hohem Pegelstand überfluten darf, ist sicherer als die Erhöhung der Staudämme - denn je höher der Staudamm, umso verheerender die Katastrophe im Falle eines Dammbruchs.
Nicht alle haben die Möglichkeit, sich zu schützen
Ca. 38% der Landesfläche der Niederlande liegt unter dem Meeresspiegel. Umso eindrücklicher ist es, wie erfolgreich sich das Land gegen Überschwemmungen rüsten konnte. Insbesondere, wenn man in andere Regionen unserer Welt schaut: In Bangladesch liegt rund ein Viertel der Landesfläche auf einer Höhe von maximal fünf Metern über Meeresspiegel. Es hat also auf den ersten Blick bessere Voraussetzungen als die Niederlande: Das flache Küstengebiet Bangladeschs wird allerdings regelmässig von riesigen Flutwellen überschwemmt, die nicht selten bis zu fünf Meter hoch werden. Dazu kommen enorme Wassermengen aus dem Himalaya-Gebirge. Da hunderte Flussmündungen die Küste durchbrechen und die Flussverläufe sich ständig ändern, ist eine flächendeckende Eindeichung wie in den Niederlanden nicht umsetzbar. Der Hochwasserschutz in Bangladesch ist also nicht nur aus wirtschaftlicher, technischer und organisatorischer Sicht schwieriger als in den Niederlanden. Die geomorphologischen Bedingungen in Kombination mit der hohen Bevölkerungsdichte machen einen ausreichenden Hochwasserschutz leider unmöglich.
Das heisst aber nicht, dass gar keine sinnvollen Massnahmen getroffen werden können. Mithilfe verbesserter Technologien könnten möglicherweise die riesigen Mengen an Sediment, die von den Strömen angespült werden, nutzbar gemacht werden. In internationaler Zusammenarbeit konnten bereits entscheidende Massnahmen umgesetzt werden, die die Opferzahlen von Überschwemmungen deutlich drückten. So wurden etwa Schutzhütten auf fünf Meter hohen Pfählen gebaut und Frühwarnsysteme eingerichtet.
Der Zerstörung ihres Landwirtschaftslandes müssen die Menschen jedoch weiterhin tatenlos zusehen. Eine zufriedenstellende Lösung ist keine in Sicht – langfristig werden Millionen von Menschen flüchten müssen. In der Zwischenzeit sollten sich die Industrienationen und Nachbarländer darüber verständigen, wie mit den Millionen von Klimaflüchtlingen umgegangen werden sollte und wie sie unterstützt werden können. Verursacher des Klimawandels sind ja bekanntlich nicht die Länder des globalen Südens.
Quellen und weitere Informationen:
Planet Wissen: Deichbau
Europäische Umweltagentur: Die Niederländer machen Platz für den Fluss
Der Meeresspiegelanstieg in Bangladesch und den Niederlanden
DER SPIEGEL: "Wir brauchen Technologie, kein Geld"
The Third Pole: Silt, a blessing or a misery for Bangladesh?
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