Ursprünglich gab es einmal die Gletscherinitiative. Nach dem Start der Unterschriftensammlung im Mai 2019 wurde die Initiative mit 113‘000 beglaubigten Unterschriften noch im gleichen Jahr bei der Bundeskanzlei eingereicht. Nachdem der Bundesrat die Initiative – nach der Ablehnung des CO2-Gesetzes durch das Volk – abgelehnt hatte, wurde ein indirekter Gegenentwurf ausgearbeitet: Das Klima- und Innovationsgesetz, über welches die Schweizer Stimmberechtigten am 18. Juni abstimmen.
Die Ausgangslage in der Schweiz
Rund drei Viertel der in der Schweiz verbrauchten Energie wird importiert – Erdöl und Erdgas stammen vollständig aus dem Ausland. Spätestens seit dem Klimaabkommen von Paris gibt es weltweit Bemühungen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Die Vorlage verlangt die schrittweise Senkung des Gebrauchs von fossilen Energien zum Netto-Null-Ziel: Ab 2050 soll die Schweiz nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre ausstossen, als durch natürliche und technische Speicher aufgenommen werden. Ausserdem sollen Massnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs ergriffen werden. Im Gegensatz zur Gletscherinitiative ist dies eine Abschwächung der Vorlage insofern, dass fossile Energieträger wie Benzin, Diesel, Heizöl oder Gas nicht per se verboten werden. Ausserdem sollen Ausnahmen möglich sein, sollten alternative Technologien wirtschaftlich oder sozial nicht tragbar sein. Das „Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit“ soll eine finanzielle Entlastung ermöglichen für alle, die ihre Öl-, Gas- oder Elektroheizung ersetzen. Zudem werden Unternehmen, die in klimafreundliche Technologien investieren, unterstützt. Insgesamt würden vom Parlament 3.2 Milliarden Franken an Finanzhilfen bereitgestellt.
Verschandelung der Natur?
Mit der grünen Energiewelle würden unweigerlich mehr Photovoltaik-Anlagen und Windräder installiert. Dies ist manchen Gegnern ein Dorn im Auge; sie sehen darin eine Verschandelung der Landschaft. Dies ist eine subjektiv berechtigte Einschätzung. Zumindest Photovoltaik-Anlagen werden jedoch zumeist auf bereits bestehenden Gebäuden oder etwa auch Staumauern installiert. Ausserdem muss man sich bewusst sein, dass die Gewinnung fossiler Rohstoffe – wenn auch nicht im eigenen Land – bei ihrer Gewinnung schädliche Auswirkungen auf Umwelt und Landschaft haben, beispielsweise durch Kontaminationsgefahr, grossem Wasserverbrauch, Chemikalieneinsatz und Methanemissionen.
Der Einsatz von finanziellen Mitteln
Gegner des Gesetzes sehen vor allem ein Problem in der Abdeckung des Strombedarfs durch rein umweltfreundliche Energie. Sie geben zu bedenken, dass ein solches Vorgehen die Versorgungssicherheit gefährden und zu höheren Strompreisen führen könnte, was wiederum verschiedene Industriezweige hart treffen würde. Dadurch seien der Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes durch das Gesetz bedroht.
Es ist klar, dass der Klimaschutz ein schwieriger und langwieriger Prozess ist. In den letzten fünf Jahren war die Schweiz zu rund 70 Prozent von der ausländischen Stromproduktion abhängig. Angesichts des gegenwärtigen Russland-Ukraine-Konfliktes wäre es aber sicherlich sinnvoll, in dieser Hinsicht so unabhängig wie möglich zu werden. Experten sind sich bewusst, dass die Speicherung erneuerbarer, einheimischer Energie teurer sein wird als der Import fossiler Energie. Um die Energieproduktion in der Schweiz soweit anzukurbeln, dass sie sich zu einem grossen Teil selber versorgen kann, ist ein Kraftakt nötig. Allerdings haben innerhalb der letzten Jahre erneuerbare Energien, und dabei insbesondere die Sonnenergie, bereits eine stetige Zunahme verzeichnen können. Zusätzlich ist auch der Energieverbrauch pro Person rückläufig: Die Bevölkerung hat zwar zwischen 1990 und 2020 um 28.7 Prozent zugenommen, der Energieverbrauch hat im selben Zeitraum allerdings um knappe 6 Prozent abgenommen.
Langfristiges Denken grundlegend für die Zukunft
An dieser Stelle ebenfalls erwähnenswert ist, dass (Schätzungen einer Studie der ETH Lausanne zufolge) sich die Kosten eines ungebremsten Klimawandels für die Schweiz im Jahr 2060 auf bis zu 8-10 Milliarden Franken jährlich belaufen könnten. Miteinbegriffen sind hier Einnahme-Ausfälle in Landwirtschaft und Tourismus sowie auch höhere Versicherungsprämien und Energiepreise. Bereits heute werden für ausserordentliche Naturereignisse in der Schweiz rund 840 Millionen Franken im Jahr aufgewendet; vor allem der Hochwasserschutz ist teuer. Bis im Jahre 2040 werden laut Experten Hochwasserschäden durch den Klimawandel weiterhin stark zunehmen – etwa um 8 Prozent. Ausserdem muss davon ausgegangen werden, dass zunehmende Hitzeereignisse die Arbeits-Produktivität massiv senken und die Sterblichkeit erhöhen werden. All diese Faktoren hängen deutlich davon ab, wie rasch die CO2-Emissionen reduziert werden können. Nicht nur die Energiewende wird also teuer, die Fortsetzung des momentanen Kurses kommt uns noch teurer zu stehen. Hier wären vor allem langfristige Überlegungen erwünscht.
Innovative Technologien als A und O der Klimapolitik
Der seit August 2013 als Professor für Klimapolitik an der ETH Zürich amtende Anthony Patt ist zuversichtlich, dass es die europäischen Staaten schaffen können, bis 2050 ihre Emissionen auf Null zu bringen. Investitionen in die Entwicklung und Verbreitung neuer Technologien seien dafür allerdings essenziell. Innovative Technik für den Klimaschutz und die Förderung von neuen Technologien sind nun wichtiger denn je. Dadurch können auch neue Märkte im In- und Ausland erschlossen werden.
Die Investitionen, die wir heute und in den nächsten knapp 30 Jahren tätigen, werden zukünftigen Generationen zugutekommen. Der Klimaschutz unterstützt die Biodiversität ebenso wie die Sicherheit der Wasser- und Nahrungsversorgung und damit die Lebensqualität insgesamt.
Quellen und weitere Informationen:
EDA: Energie - Fakten und Zahlen
BAFU: Netto-Null-Ziel 2050
SRF: Die Kosten des Klimawandels
Klima- und Innovationsgesetz
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