Der traurige Schoggihase zu Ostern?

18 Mär 2013

Zur Osterzeit ist die Schokolade besonders in der Schweiz nicht wegzudenken. Bereits Wochen vor dem Fest sind die Geschäfte überfüllt mit Osterhasen und Schoggieiern. Doch Tausende Kinder, in Europa wohl die grössten Fans der Süssigkeit, müssen für unseren Genuss in Afrika hart schuften...

Die Schweizer sind, mit einem Verzehr von rund 12 Kilogramm Schokolade pro Kopf und Jahr, die grössten Schoggi-Konsumenten weltweit. Weil die Qualität der Schweizer Schokolade bekannt ist, sind wir auch im Export Spitzenreiter. Doch woher kommt eigentlich der Kakao für die Schoggiproduktion, und unter welchen Bedingungen wird er angebaut?

Rund 70 Prozent des gesamten Kakaos für die Schokoladenherstellung in Europa wird in Westafrika, grösstenteils an der Elfenbeinküste und in Ghana, angebaut. Doch obwohl der Kakao für mehrere Millionen Bauern eine wichtige Einkommensquelle darstellt, sind grosse Armut und ausbeuterische Kinderarbeit in den Kakaoplantagen an der Tagesordnung (vgl. Umweltnetz-Beitrag "Kakao Barometer – Wie nachhaltig ist Ihre Weihnachtsschoggi?", 18. Dez 2012).

Den grossen Schokoladenfirmen, wie z.B. Lindt, Nestlé, Mars, Mondelez und Cargill, welche ihren Kakao fast ausschliesslich aus Westafrika beziehen, ist das Problem der Kinderarbeit offenbar seit längerem bekannt. Deswegen haben sie bereits 2001 das Fairtrade-Protokoll Harkin-Engel ausgearbeitet und unterzeichnet, welches jegliche Zwangs- und Kinderarbeit auf den Plantagen verbietet. Die Umsetzung des Protokolls war ursprünglich für das Jahr 2005 vorgesehen, wurde aber schliesslich auf 2010 verschoben. In den vergangen zwölf Jahren hat die Schokoladenindustrie in diesem Zusammenhang diverse Hilfs- und Bildungsprojekte gestartet und in der Öffentlichkeit wiederholt garantiert, dass ihre Schokolade nicht (mehr) mithilfe von Kinderarbeit produziert werde. Die Projekte wurden von der International Cocoa Initiative (ICI), bestehend aus Vertretern der Kakao-Industrie und einigen NGOs, gestartet und überprüft.

UNICEF und terre des hommes schätzen die Anzahl der Kinder, die auf Plantagen in West- und Mittelafrika zur Arbeit gezwungen werden, auf über 200‘000.

Mehrere unabhängige Kontrollen und Untersuchungen zeigen jedoch, dass sich bis heute auf den Plantagen kaum etwas verändert hat! Die Dokumentarfilme "Schmutzige Schokolade" Teil I (2011) und Teil 2 (Dez 2012) des dänischen Journalisten Miki Mistrati belegen, dass weiterhin Tausende Kinder auf den Plantagen arbeiten. Die Projekte waren alles andere als erfolgreich und wurden zum Teil gar nicht erst gestartet bzw. zu Ende geführt. Offenbar hatten gerade mal 2,4 Prozent der betroffenen Kinder im Alter zwischen fünf und 17 Jahren überhaupt Kontakt zu einem der Projekte. Nach wie vor gibt es Akteure der Kakaoindustrie, welche die Kinderarbeit vehement leugnen. Der Direktor von SAF-Cacao, dem grössten Kakaoproduzenten der Elfenbeinküste, will beispielsweise trotz seiner langjährigen Erfahrung nie ein Kind auf einer Plantage arbeiten gesehen haben. Es ist aber eine mittlerweile sehr breit abgestützte Tatsache, dass Millionen Kinder von schlecht bezahlten Kakaobauern aus finanziellen Gründen auf den Plantagen arbeiten müssen, statt die Schule zu besuchen. Zudem werden Tausende Kinder in Nachbarländern wie Mali und Burkino Faso aus ihren Familien entführt und nach Ghana oder Elfenbeinküste gebracht, wo sie gratis auf den Plantagen schuften müssen. Angesichts dieser Tatsachen scheint es sehr fragwürdig, weshalb die grossen Firmen bisher nicht effizienter gegen die Sklaverei und den Missbrauch unschuldiger Kinder vorgehen konnten (oder wollten?)

Um die Bevölkerung auf diese Missstände aufmerksam zu machen und die grossen Unternehmen zu mehr Engagement zu bewegen, hat die Erklärung von Bern (EvB) pünktlich zu Ostern die Schoggikampagne 2013 gestartet. In einer Studie hat die NGO das Fair-Trade-Engagement der grössten Schweizer Schoggifirmen verglichen. Die Ergebnisse sind für den grössten Teil der Firmen negativ ausgefallen. Selbst bei der Herstellung von Fair Trade zertifizierter Schokolade wurde teilweise Kinderarbeit nachgewiesen – wenn auch seltener.

Durch die Internet-Aktion Stop Bad Chocolate der EvB kann sich jedermann selbst auf einer online Fairtrade Schokolade eintragen und ein Zeichen gegen die Kindersklaverei setzen.

Weiterführende Links

Dokumentation:
Schmutzige Schokolade - Kindersklaven schuften für unseren Genuss, 2011.
Schmutzige Schokolade II, Dezember 2012.
NDR-Dossier: Schokolade – Immer noch kein harmloser Genuss?
Erklärung von Bern: Schoggikampagne 2013.
EvB-Publikation (2012) Firmenengagement für Menschenrechte im Kakaoanbau – Schweizer Kakaoverarbeiter und Schokoladehersteller im Vergleich.
Das Kakaoprotokoll Harkin-Engel (En).
Ngo Aktiv gegen Kinderarbeit – Schokolade: Genuss durch Kinderarbeit.
Umweltnetz-Beitrag Kakao Barometer – Wie nachhaltig ist Ihre Weihnachtsschoggi?, 18. Dez 2012.
International Cocoa Initiative (En).

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