Von „Blauen Schweden, Herrenäpfeln und Ärmelbirnen“

Einheitsobst und -gemüse schmücken überwiegend die Supermarkttheken. Dass Schlangen- und Landgurken nur zwei Sorten von mehr als 700 möglichen sind, ist vermutlich den wenigsten bekannt. Aber woran liegt das, dass die Sortenvielfalt derart begrenzt ist, und warum sollten alte Sorten vielmehr gefördert werden?

Das Obst-, Gemüse- und Getreideangebot der Detailhändler ist zwar quantitativ sehr üppig, aber nicht vielfältig. Die in der industriellen Landwirtschaft erzeugten Produkte stammen überwiegend aus Saatgut bzw. Setzlingen, welche im grossen Stil produziert werden und an die Landwirte verkauft werden. Da bei diesen Massenproduktionen einheitliche Wachstums- und Anzuchtbedingungen herrschen, können dafür nur speziell angepasste Sorten verwendet werden. So kommt es, dass Supermarktangebot nur zwei, von über 700 möglichen Gurkensorten erfasst. Nicht nur, dass dem Verbraucher die vielen verschiedenen Geschmackserlebnisse unterschlagen werden, die Sorteneinfältigkeit birgt auch viele Nachteile:
Die industriell produzierten Pflanzen sind nahezu ausnahmslos Hybride, was bedeutet, dass sie keine fertilen Samen für eine Weiterzüchtung bilden. Dies hat zur Folge, dass die Landwirte auf das Saatgut der Hersteller angewiesen sind. Die Produktion des Saatgutes und der Setzlinge findet primär in Treibhäusern statt, welche meist beheizt werden müssen, viel Düngemittel, Wasser und andere Ressourcen benötigen. Hinzu kommt ebenfalls, dass die Setzlinge meist in Torf gebettet transportiert werden, worunter viele wertvollen Moorgebiete, welche nicht unter Schutz stehen, zu leiden haben.

"Von über 3‘000 verschiedenen Kartoffelsorten werden nur 25 Sorten für Erwerbszwecke an gebaut."

Heide Hasskerl


Im Laufe des Sesshaftwerdens hat die Menschheit viele Tausende Nutzpflanzensorten aus Wildpflanzen gezüchtet, die in den unterschiedlichsten geografischen Bereichen und klimatischen Gebieten gedeihen können. So gab es beispielsweise ca. 3‘000 verschiedene Kartoffelsorten, von denen heute nur noch 25 Sorten für Erwerbszwecke angebaut werden. Insgesamt geht man davon aus, dass mehr als 75 Prozent der Kulturpflanzensorten unwiederbringlich verloren gegangen sind.
Auch hier gibt es viele Gründe, warum die noch vorhandenen erhalten werden sollten:
Diese Sorten sind optimal an die jeweiligen Standortbedingungen angepasst und entsprechend robust. Dies bewirkt, dass die meisten Pflanzen keine Wachstumseinschränkungen sollte der Sommer verregnet oder kalt sein. Auch wenn die eigene Saatgutproduktion aufwändiger sein kann, da sie mehr Zeit in Anspruch nimmt, sind die Samen der Nutzpflanzen fertil, sogenannt „samenfest“. Hinzukommt, dass bei den meisten Pflanzen nahezu alle Teile vollständig verwendet werden können, sei es zum Verzehr oder zum Gebrauch in der Hausapotheke.

Obwohl diese alten Sorten derart wertvoll sind, sind sie immer mehr vom Verschwinden bedroht. Um diesem Trend entgegen zu wirken haben es sich einige Organisationen zur Aufgabe gemacht, alte Kultursorten zu erhalten. Auch auf politischer Ebene wurde bereits in den 1990er Jahren die Wichtigkeit der alten Sorten erkannt und daraufhin die SKEK (Schweizerische Kommission für die Erhaltung von Kulturpflanzen) gegründet. Im Rahmen dessen wurde eine Inventarisierung alter Obst- und Beerensorten in der Schweiz durchgeführt. Von den knapp 9‘000 erfassten Sorten stammen rund zwei Drittel aus der Schweiz, und drei Viertel gelten als hochgradig gefährdet. Aber auch längst verschollen geglaubte Sorten, wie die Ärmelbirne oder der Huebech-Apfel wurden wieder entdeckt.

Auch ProSpecieRara ist um den Erhalt der Sortenvielfalt bemüht. In Zusammenarbeit mit 400 ehrenamtlich schaffenden GärtnerInnen, Landwirten und GartenliebhaberInnen werden mehr als 3‘000 verschiedene Schweizer Nutzpflanzensorten gezüchtet und bewahrt. Wer sich bei einer Wanderung über alte Obstsorten und die Kunst des Anbaus informieren möchte, dem sei der Obstlehrpfad von Hörni nach Steinmaur, ein Pfad von der Vereinigung Fructus initiiert, empfohlen.

Wer nicht nur Einheitsobst, -gemüse und –getreide auf dem eigenen Teller möchte, dem/der sei empfohlen, beim Einkauf auf dem Wochenmarkt auf besondere Namen, wie „Blaue Schweden“, „Blaue St. Galler“, „Herrenapfel“ oder ähnliches, zu achten.

Agroscope „Inventar der Obst- und Beerensorten in der Schweiz“
ProSpecieRara Sortenfinder

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