Zuerst die gute Nachricht: Ein schlechtes Gewissen beim Verzehr von Crevetten ist nicht zwingend. Es hängt davon ab, woher die Crevetten stammen und wie sie gezüchtet oder gefangen werden. Die schlechte Nachricht: Crevetten – auch bekannt als Garnelen oder Shrimps – aus herkömmlicher Zucht und aus Wildfang in tropischen Meeren sind problematisch. Die kleinen Krebstiere, zu denen Crevetten gehören, kommen in allen Weltmeeren, aber auch in Flüssen und Seen vor. In warmen Meeren werden sie grösser, weshalb sie meistens dort gefangen oder an den Küsten gezüchtet werden. Die Nachfrage nach Crevetten ist ungebrochen und somit nimmt auch der Druck auf die Fischbestände in Form von Beifang und auf das Ökosystem Mangrovenwald in Form von Zuchten weiter zu.
Crevetten aus Wildfang gefährden Meerestiere, da zum Fischen der bodenlebenden Tiere Grundschleppnetze eingesetzt werden. Bei dieser Fangmethode wird einerseits der Meeresboden zerstört, andererseits werden enorme Zahlen ungewünschter Tiere ebenfalls gefangen, die als Beifang verletzt oder tot über Bord geworfen werden. Der Beifang beträgt für ein Kilogramm tropischer Crevetten bis zu zwanzig Kilogramm!
Viele Crevetten werden heute in intensiven Zuchten an Küsten produziert, die problematisch für die Umwelt sind. Einerseits liegt dies am enormen Nahrungsmittelbedarf der Tiere von bis zu vier Kilogramm Fischmehl, um ein Kilogramm Crevetten aufzuziehen, wie Corinna Gyssler vom WWF gegenüber dem Tagesanzeiger erklärt. Andererseits werden Mangrovenwälder an den Küsten der tropischen und subtropischen Meere abgeholzt, um Platz für die Becken zu schaffen. Diese wertvollen Küstenwälder beherbergen zahlreiche Reptilien- und Vogelarten und sind die Kinderstube vieler Jungfische. Neben ihrer Bedeutung für die Artenvielfalt haben die Mangrovenwälder auch eine wichtige Funktion für den Küstenschutz. Sie verhindern die Erosion und schützen die Küstengebiete bei Stürmen und Tsunamis. In den intensiven Zuchten werden die Crevetten in extrem dichten Beständen gehalten: So werden pro Hektare bis zu 10‘000 Kilogramm Crevetten produziert. Bei diesen engen Verhältnissen können sich rasch Krankheiten ausbreiten, weshalb vorbeugend Antibiotika und Chemikalien eingesetzt werden; durch die Ausscheidungen der Tiere werden zudem die Gewässer der Umgebung gedüngt. Diese Einträge führen dazu, dass bereits nach fünf bis zehn Jahren die Becken nicht mehr für eine Nutzung geeignet sind. Die Böden sind verseucht, was eine Wiederaufforstung durch Mangrovenbäume unmöglich macht.
„Für ein Kilo Crevetten müssen bis zu 4 Kilo Fischmehl verfüttert werden.“
Corinna Gyssler vom WWF
Der WWF empfiehlt: Wenn Crevetten, dann aus Bio-Zuchten aus Ecuador, Peru und Vietnam, oder Eismeergarnelen aus dem Nordostatlantik und Nordseegarnelen. Ein nachhaltiges Beispiel einer Crevettenzucht sind die naturnahen Kanäle durch die Mangrovenwälder in Südvietnam bei Ca Mau. Dort werden Crevetten extensiv und biologisch gezüchtet. Die Muttertiere legen im Rahmen des natürlichen Zyklus‘ Eier, die durch die Männchen befruchtet und von den Crevettenbauern eingesammelt werden. In einer Nährlösung werden die Eier so lange bebrütet, bis die Larven schlüpfen und anschliessend in die Kanäle entlassen werden. Die herabfallenden Mangrovenblätter zersetzen sich im Wasser, was ideale Bedingungen für Kleinstlebewesen bietet, von denen sich die Crevetten ernähren. In diesen Zuchten werden weder Antibiotika beigemischt noch zusätzliches Futter gegeben. Im Gegensatz zur herkömmlichen Zucht haben die Tiere genügend Bewegungsfreiheit, weil ihre Dichte geringer ist. So sind sie weniger gestresst und gesünder. In den Kanälen leben verschiedenste Tierarten, und mindestens 50 Prozent der bewirtschafteten Fläche muss aus Mangrovenbäumen bestehen. Auf diese Weise bleiben das wertvolle Ökosystem und seine natürliche Funktion erhalten.
Nicht nur auf das Ökosystem Mangrovenwald haben intensive Zuchten einen erheblichen Einfluss, sondern auch auf die Qualität der Crevetten: „Eine feste, harte Schale zeugt von einer extensiv, nachhaltig gezüchteten Crevette“, erläutert Fortunat Gregori, Crevettenspezialist von Bianchi – dem grössten Delikatessenimporteur der Schweiz – im Interview mit dem Hotelier, dem Schweizer Fachmagazin für Hotellerie und Gastronomie. Stammten die Crevetten hingegen aus intensiven Zuchten, so sei dies an einem salzigen, metallischen Geschmack zu erkennen.
Wie auch Fische, sollten Crevetten als Delikatesse nur gelegentlich auf unserem Speiseplan stehen. Fragen Sie im Laden und im Restaurant nach der Herkunft der Crevetten, so können Sie als Konsument selbst entscheiden, ob Sie die Produktionsweise unterstützen möchten oder nicht.
Weitere Informationen:
WWF Einkaufsratgeber Fisch – Tropische Garnelen
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