Wer ab und an in die Berge geht, bemerkt: Die im Volksmund „Daunenjacken“ genannten gesteppten, geplusterten Jacken erfreuen sich seit ein paar Jahren immer grösserer Beliebtheit. Bächli Bergsport, der grösste Schweizer Detaillist für Bergsport, führt in seinem Internet-Shop 74 echte Daunenjacken zum Verkauf. Das feine Untergefieder aus Daunen von Enten und Gänsen ist leicht und isoliert hervorragend. Diesen Herbst und Winter sind die gefütterten Jacken auch im Flachland trotz milder Temperaturen kaum mehr wegzudenken: Als Gilets, Jacken, Mäntel; bei Kind, Frau und Mann. Nicht alle diese gesteppten Jacken sind mit Daunen gefüllt, doch sind die Federchen drin, verbleibt die Herkunft meist im Dunkeln. Die Gefahr ist gross, dass die Daunen aus unseriösen Quellen stammen, aus tierquälerischer Zucht und Haltung.
Meist unbekannte Herkunft
Unter anderem K-Tipp (20/14) hat dieses seit Jahren diskutierte Thema wieder aufgegriffen. Eine Umfrage des Magazins bei einem Dutzend Herstellern und Händlern von Outdoor- und Modedaunenjacken hat gezeigt: Keine der Firmen konnte oder wollte die Herkunft der von ihr verwendeten Daunen offenlegen. Diese werden oft beim Händler vermischt und sind kaum noch rückverfolgbar. Die Gefahr, dass die Daunen aus dem sogenannten Lebendrupf stammen, bei dem lebenden Gänsen und Enten die Unterfedern gerupft werden, ist dann relativ gross. Tierschutzorganisationen wie Vier Pfoten und Soko Tierschutz berichten immer wieder, wie Enten und Gänse behandelt werden: Den Tieren werden oft in Akkordarbeit zum Teil ganze Hautfetzen herausgerissen, die Wunden wenn überhaupt nur notdürftig zusammengenäht; Knochen brechen und zurück bleiben traumatisierte Lebewesen.
„Insgesamt kann Transa diese Wintersaison ein grosses Sortiment an Daunenprodukten aus ethischer Produktion vorweisen.“
Charlotte Huber, Nachhaltigkeitsverantwortliche Transa
Diese Prozedur wird je nach Quelle vier bis sieben Mal durchgeführt, obwohl sie in Europa illegal ist. Doch wie ein Bericht der ARD zeigt, nutzen viele Produzenten eine einzige Gesetzeslücke der EU: Während die Vögel ihr Federkleid in der sogenannten Mauser wechseln, ist der „Mauserrupf“ erlaubt. Es gehe um ein Riesengeschäft, heisst es im Beitrag: Die Preise für Daunen haben sich innert kurzer Zeit verdreifacht.
Gestopft und gerupft
Das Traurige am Lebendrupf: Die Daunen werden mit jedem Nachwachsen qualitativ besser. In Ungarn, mit China und Polen zusammen einer der grossen Daunenproduzenten, ist zudem die Stopfmast noch erlaubt. Die Praktik, bei der Gänsen mit Schläuchen das Futter oft mit Druckluft zugeführt wird, ist in der EU sonst nur noch in Frankreich erlaubt. Laut Soko Tierschutz leiden für die Stopfleberproduktion weltweit rund 50 Millionen Enten und 6 Millionen Gänse. Im schlimmsten Fall werden die Vögel also gestopft und gleichzeitig noch lebend gerupft. Im besten Fall stammen die Daunen aus ebenfalls oft problematischer Massentierhaltung, als Nebenprodukt der Fleischerzeugung. Laut Soko sind die Vögel bei der Massenhaltung oft in Hallen eingesperrt, ohne Zugang zu Wasser und Sonnenlicht. Immerhin werden sie hier erst gerupft, wenn sie schon tot sind.
Labels kaum verlässlich
Im Gespräch mit einem verlässlichen Experten aus der Outdoor-Branche zeigt sich, wie schwierig sich die Situation auf dem Markt gestaltet. Die Daunenjacken seien gefragt, doch wirklich verlässliche Labels bestünden noch nicht. Die Jacken aus dem Sortiment zu nehmen, komme gleichzeitig nicht in Frage, zu gross sei ihre wirtschaftliche Bedeutung. Transa, der zweite Outdoor-Riese der Schweiz, bemüht sich schon länger um Transparenz in der Produktionskette von Daunen und sieht die Situation etwas positiver. „Insgesamt kann Transa diese Wintersaison ein grosses Sortiment an Daunenprodukten aus ethischer Produktion vorweisen“, schreibt Charlotte Huber, Nachhaltigkeitsverantwortliche, gegenüber umweltnetz-schweiz. Die Hersteller Haglöfs, Jack Wolfskin, Mammut, Marmot und Odlo hätten die Tierschutzgarantien unterschrieben. Diese sollen sicherstellen, dass weder Lebendrupf noch Stopfmast stattgefunden haben und die Daunen rückverfolgbar sind. Sie freue sich zudem, eine grosse Auswahl an Daunenprodukten von Fjällräven im Sortiment zu haben, schreibt Huber. Die schwedische Outdoor-Marke führt derzeit die von Vier Pfoten initiierte „Cruelty Free Down Challenge“ an.
„Wenn schockierende Beiträge zur Textilindustrie erscheinen, spürt die Branche dies zwei Wochen, danach haben es die Konsumenten schon wieder vergessen.“
Experte aus der Outdoor-Branche
Die Tierschutzorganisation hat den Wettkampf um den leidfreien Daunengipfel lanciert, um den unzureichenden Zertifikaten und Kontrollen der Daunen-Zulieferer etwas entgegen halten zu können. Sie animiert damit Hersteller von Outdoor-Kleidung, die Herkunft ihrer Daunen nachzuverfolgen und sicherzustellen, „dass die von ihnen verarbeiteten Daunen aus tierleidfreien Betrieben stammen“, wie es auf der Webseite heisst. Fjällräven habe mit ihrem „Down Promise“ einen der transparentesten Produktionsprozesse der gesamten Outdoor-Branche entwickelt, schreibt die Firma auf ihrer Webseite. „Der Leitsatz unserer Arbeit ist, möglichst gute Lebensbedingungen für die Vögel sicherzustellen.“ Das firmeneigene Werbevideo ruft jedoch in Erinnerung, was viele zu vergessen scheinen: Die Daunen stammen von lebenden Tieren, die geschlachtet werden und fallen nicht einfach so vom Himmel. Denn auch bei Fjällräven werden die Gänse in China gezüchtet und in grosser Zahl gehalten, wenn auch mit ordentlich Wasserfläche.
Wenige und wenig verlangte Alternativen
An nachhaltige, tierfreundliche Daunenjacken zu gelangen, scheint in Anbetracht der Umstände sehr schwierig. In Artikeln zur Daunenproblematik werden oft Jacken mit synthetischen Isolationsmaterialen (meist Primaloft) als ethisch korrekte Alternative angepriesen, die zudem häufig günstiger, auch nass isolierend und pflegeleichter sei. „Eine der meistverkauften Primaloft-Jacken wird in Bangladesch hergestellt und wie auch viele Daunenjacken mit krebserregenden per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) imprägniert“, wendet der Outdoor-Experte ein. „Ich frage mich, ob dies wirklich ethisch viel besser ist.“ Auch ein Bericht in der SAC-Zeitschrift Die Alpen (12/2014) zeigt: Die Outdoor-Branche hängt bei der Imprägnierung noch stark von den PFC ab. Der Ausstieg ist zwar mehrfach angekündigt und angestrebt, zieht sich allerdings hin. Wer auf Nummer sicher gehen und möglichst auf Daunen- und sowie PFC-Produkte verzichten möchte, findet nur sehr wenige Alternativen. Der Hersteller Ortovox zum Beispiel verwendet Schweizer Bergschurwolle als Isolationsmaterial, produziert ausschliesslich in Europa und hält den Chemieeinsatz relativ tief. Vier Pfoten erwähnt auch die aus Palmen gewonnene Pflanzenfaser Kapok als gleichwertige Alternative ohne Tierleid. Wer bereits eine Daunenjacke besitzt, kann etwas für Tierwohl und Umwelt tun, indem er diese pflegt und möglichst lange trägt.
Unserem Outdoor-Experten ist die Resignation derweil etwas anzumerken. Der Markt sei halt noch nicht so weit und verlange einfach zu wenig stark nach Alternativen, als dass sich schnell etwas ändern würde, erklärt er gegenüber umweltnetz-schweiz. Oder einfach ausgedrückt: „Wenn schockierende Beiträge zur Textilindustrie erscheinen, spürt die Branche dies zwei Wochen, danach haben es die Konsumenten schon wieder vergessen.“
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