Ausgehend von der US-amerikanischen Ostküste hat sich seit 2011 die studentische Bewegung verbreitet, die den Abzug von Investitionen in fossile Energien und deren Reinvestition in nachhaltige Geschäftsfelder fordert. Unter dem Eindruck des Besuches eines Steinkohle-Tagebaus am Appalachen-Plateau, entwickelten die Studenten Strategien, um dem Raubbau die finanziellen Mitteln entziehen zu können. Im Ostküstennahen Gebirge ist Bergbau durch Gipfelabsprengung eine weit verbreitete Methode, die ganze Landstriche veröden lässt. Gleichzeitig gehört Kohle zu wichtigsten Emissionstreibern und beschleunigt somit, in Förderung und Verbrauch, den fortschreitenden Klimawandel.
Folglich versucht die Bewegung den Abbau fossiler Energieträger zu verhindern, indem Investoren zum Abzug ihrer Einlagen überzeugt werden sollen. Die Divestment-Bewegung formuliert ihre Ziele folgendermassen: Unternehmen sollen durch gesetzliche Mittel gezwungen werden, die Förderung von Öl, Kohle und Erdgas zu unterlassen. Weiter sollen die Unternehmen zu einer transformativen Veränderung bewegt werden, zu einem Wechsel auf alternativen Formen der Energieversorgung. Auch versuchen Vertreter der Bewegung, Regierungen und Entscheidungsträger von strengeren Gesetzen zu überzeugen, z.B. Verboten von Erdölbohrungen oder Einführung einer CO2-Steuer.
Divestment versucht den politischen Druck auf staatliche Subventionen für fossile Brennstoff-unternehmen zu erhöhen. Würden weltweit sämtliche finanziellen Mittel aus der fossilen Energie deinvestiert werden, würde dies gemäss Berechnungen von Aktivisten eine CO2-Emissionsreduktion von 13 Prozent bewirken. Seit 2011 haben unzählige Unternehmen, Universitäten, Versicherungs-gesellschaften und Pensionsfonds, Städte, Stiftungen, Kirchen, Prominente Einzelpersonen, politische Regierungsorganisationen oder medizinische Vereinigungen aus fossilen Energien deinvestiert.
Bezweifelte Effekte und Kritik
Jedoch gibt es seit Bekanntmachung der Divestment-Kampagne Vorbehalte gegenüber ihrer Effektivität. Selbst Bill McKibben, Umweltaktivist und Mitbegründer der Idee, betont, Firmen könnten substanziell damit kaum angegriffen werden. Immerhin würden je nach Reichweite der Kampgagne, Einflussnahme und Reputation eines Unternehmens geschmälert werden, was zu einem `politischen` Bankrott führen könne. Kritiker verweisen auf die Resistenz der Öl- und Gasunternehmen, da diese ihre Gewinne durch die Förderung und den Verkauf von Öl und Gas, und nicht durch den Verkauf von Aktien generieren. Nicht wenige der grössten Unternehmen verkaufen zudem überhaupt keine Aktien und sind in Privatbesitz.
Studien bestätigten den vernachlässigbaren Effekt, der Divestment auslöse. Mitunter liegt das an grossen institutionellen Investoren, die Mammutanteile an fossilen Brennstoffunternehmen halten und diese kaum für soziale oder nachhaltige Geschäftsfelder deinvestieren. Der Divestmentanteil am weltweiten Kapitalvermögen ist schlicht zu gering, um Einfluss zu erlangen.
Als bekanntes, `erfolgreiches` Beispiel für Divestment gilt die Kampagne gegen das Apartheitsregime in Südafrika während der später 80er Jahren. Infolge deren schweren Ächtung Präsident De Klerk einen friedlichen Übergang zur Demokratie einleitete. Doch Studien zufolge hatte das internationale Divestment keinen kurz- oder langfristigen Effekt auf den Wert der betroffenen Firmen gehabt, auch nicht auf die südafrikanische Währung, den Aktienmarkt oder die dortige Wirtschaft. In diesem Falle war der moralische Druck und die entstandene politische Isolation ausschlaggebend für den Wandel. Für die Belange des Klimaschutzes gestaltet sich die Situation etwas komplizierter, da der Energiebedarf aktuell nur ansatzweise durch andere Energiequellen ersetzt werden kann. Zusätzlich sind ertragreiche Alternativen wie Atomenergie oder Wasserkraft nicht unbedingt besser für Umwelt und Gesellschaft.
Profilierte Ökonomen wie Ivo Welch plädieren für die gegensätzliche `Weglauf-Strategie`. Dabei sollten möglichst viele Aktien von umweltverschmutzenden Firmen aufgekauft werden um als Aktionär, Änderungen in der Firmenpolitik zu bewirken. Ausserdem könnten proaktive Investoren durch Investitionen in Forschung, Technologieentwicklung und Vermarktung dazu beitragen, andere Energieformen billiger zu machen als die fossilen. Divestment habe eine
Noam Chomsky, Intellektueller und bekannter Kritiker der US-amerikanischen Politik, differenziert die Kritik am Divestment. Er stimmt der Beanstandung zu, dass verkaufte Aktien von anderen übernommen würden und zu geringe Wirkung entfalten. Jedoch betont er die Möglichkeit des Divestments als Statement für den Klimaschutz und zur Vermittlung dessen Dringlichkeit. Divestment habe eine symbolische, pädagogische Wirkung und fordere die moralische Integrität politischer und gesellschaftlicher Entscheidungsträger. Aus seiner Sicht sei Divestment einer von vielen wichtigen Schritten die dringend unternommen werden müssen, wenn die Menschheit überleben wolle. Denn viele der Desinvestitionskampagnen erreichen ihr Ziel zwar nicht, indem sie die ins Auge gefassten Unternehmen wirtschaftlich treffen, sondern eher wirken als Mittel einer gesellschaftlichen Willensbildung.
Durchaus besteht konkreter Handlungsspielraum auch für Private. In der Schweiz bieten alternative Finanzinstitute wie die Freie Gemeinschaftsbank, die Alternative Bank Schweiz oder die auch hier aktive Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken aus Bochum ihre Dienste an. Anleger wissen ihre Ersparnisse in sozial und umweltverträglichen Unternehmungen investiert. Die Institute sind erstaunlich solide aufgestellt und garantieren mit tausenden von Genossenschaftern und beachtlichen Bilanzsummen die Vertrauenswürdigkeit. Anderweitig kann man auch im Gespräch mit dem Anlageberater einer herkömmlichen Bank, die Absicht kundtun, in nachhaltige Anlagen investieren zu wollen.
Weitere Informationen:
NewYorkTimes: Why Divestment Fails
Harvard: Does Divestment Work?
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