Über die Spezies der eingefleischten Vegetarier

28 Sep 2016
Nein, vegetarische Kost muss nicht langweilig sein. Nein, vegetarische Kost muss nicht langweilig sein.

Am 1. Oktober ist Weltvegetariertag. Da feiert die Minderheit der statistisch gesehen mehrheitlich jungen und gebildeten, überdurchschnittlich gesunden Pflanzenfresser ihren Essenskult. Oder wie war das nochmal?

Im Sommer zeigt es sich an jedem Grillfest: Wer mit Gemüse oder Käseplätzli antrabt, wird zum Thema. Klar, nicht mehr so häufig wie vor 30 Jahren – dennoch wird Vegetarismus sehr oft zur Diskussion beim Essen. Wir nehmen uns der Geschichte der Spezies der Vegetarier in einem zeitlichen Schnelldurchlauf an.

Von der Antike…

Einige Jahrhunderte vor dem Beginn der christlichen Zeitrechnung lebten die griechischen Orphiker. Aus religiösem Glauben an die Wiedergeburt der Seele in menschlichen oder tierischen Körpern vermieden sie Fleisch, Eier oder eben auch tierische Produkte wie Wolle. Auch Pythagoras und einige seiner Schüler verzichteten auf Fleischprodukte.

Im selben Zeitraum entstand der Jainismus in Indien. Jains verzichten auf Produkte, welche Tiere oder Pflanzen töten. Auch Glaubensanhänger des Hinduismus oder Buddhismus pflegen zu grossen Teilen eine fleischlose Ernährung.

…zum kurzfristigen Aussterben…

Mit dem Untergang der Antike geriet zumindest in Europa die Spezies der Fleischlos-Ernährer in Vergessenheit. Die kleine Gruppe der Katharer (bzw. Ketzer), die sich einer fleischlosen Ernährung zugeneigt sahen, hatte keinen langen Bestand. Doch die Ausnahmen bestätigen die Regel: Leonardo da Vinci (natürlich ebenfalls jung und gebildet) fand ebenfalls zur vegetarischen Ernährung.

"Ich habe schon in jüngsten Jahren dem Essen von Fleisch abgeschworen, und die Zeit wird kommen, da die Menschen wie ich die Tiermörder mit gleichen Augen betrachten werden wie jetzt die Menschenmörder."

Leonardo da Vinci, italienisches Universalgenie (1452-1519)

 

…zur Wiedergeburt und exzessiven Vermehrung

Das 19. Jahrhundert wird zum Start zahlreicher vegetarischer Gesellschaften. Pflanzliche Kost wurde als gesünder erachtet und man vermutete, dass der Konsum von Fleisch aggressiv macht. 1847 wurde die Vegetarian Society in England ins Leben gerufen, drei Jahre später folgte die amerikanische kleine Schwester.

Als Schweizer Pionier der vegetarischen Ernährungsweise gilt der berühmte Erfinder des Birchermüeslis, Maximilian Bircher-Benner. Seine neuartige fleischlose Ernährungsweise setzte er ab 1897 in einer renommierten Zürcher Privatklinik ein.

"Je mehr Raum die Fleischnahrung und die Reizmittel in der Kost einnehmen, um so geringer werden die Leistungen, die Tugend und physischen Kräfte eines Volkes. In denjenigen Völkern aber, welche an einer ausschliesslich oder vorwiegend pflanzlichen Kost festhalten, schlummert eine überraschende Entwicklungskraft..."

Maximilian Bircher-Benner, Arzt (1867-1939)


Zur selben Zeit eröffnete Ambrosius Hiltl das noch heute bekannte vegetarische Restaurant “Hiltl“ (damals bekannt als “Vegetarierheim und Abstinenz-Café“). Im 20. Jahrhundert wurde dann erstmals Tierethik und Vegetarismus kombiniert. Die Lebensreformbewegung und die Tierrechtsbewegung in den 70er-Jahren führten dann zu einer vermehrt vegetarischen oder gar veganen Lebensweise.

Die Spezies in Zahlen

Gemäss dem Vegetarierbund leben in Deutschland 8-9 Prozent der Bevölkerung vegetarisch (oder vegan), das entspräche rund 7 Millionen Menschen. Andere Quellen gehen hingegen von konservativeren Zahlen aus. In der Schweiz geht man von rund 3 Prozent aus. Unumstritten hingegen ist die Tendenz zu einer fleischärmeren Ernährung und zu mehr Flexitariern (Menschen die bewusst, aber nicht immer auf Fleisch verzichten). Dies wiederspiegelt sich auch im aufstrebenden Markt der Ersatzprodukte. (Aber nein, die weltweiten Monokulturen aus Soja werden nicht für die wachsende Anzahl Tofu-Würstli-Esser gepflanzt.)

Die Spezies der Vegetarier ist somit eigentlich eine ganz harmlose Unterart des Homo Sapiens. Kein Grund, gleich mit der Grillzange auf ihn loszugehen. Argumentativ sitzen die Omnivoren nämlich am kürzeren Hebel. Happy Vegetarian Day!

"Ich glaube an den friedlichen Protest, und keine Tiere zu essen ist ein gewaltfreier Protest."

Paul McCartney, Beatles-Mitglied (1942)

 

Weiterführende Informationen/Quellen:
Swissveg
Vegetarierbund Deutschland, Geschichte
World Vegetarian Day

 

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