Unser Verständnis von Freizeit hat sich seit der Industrialisierung verändert, denn Freizeit war früher lediglich eine Abwesenheit von Arbeit. Durch die langen Arbeitszeiten und die Vermischung von Arbeit und freier Zeit wurde die Zeit neben der Arbeit hauptsächlich zur Erholung genutzt. Das hiess dann: Nichts tun. Dies änderte sich mit dem Industrialisierungszeitalter. Durch die strikte zeitliche und räumliche Trennung von der Arbeit nahm die Freizeit eine völlig neue Dimension an. Plötzlich entstand der Anspruch, die neben der Arbeit verfügbare Zeit mehr oder weniger aktiv zu gestalten – mit Aktivitäten, die dem Zweck der Erholung und der Ablenkung dienen.
Was machen in der freien Zeit?
Vor dieser Zeit gab es keinen Konsum, der vom Zweck der Versorgung losgelöst war. Erst durch den ansteigenden Wohlstand entstand ein Wertewandel in der Gesellschaft. Selbstentfaltung, Genuss und Individualismus gewannen an Bedeutung und der „Erlebniskonsum“ war geboren. Der Gesamtwert eines Gutes wurde plötzlich nicht mehr nur durch seinen Gebrauchswert, sondern vielmehr an seinem zusätzlichen emotionalen Erlebnis gemessen. Konsum wurde zu einer Art, sich auszudrücken und zu erleben. Es ist ja gerade das, was wir neben der Arbeit tun und konsumieren, das uns definiert. Mittlerweile ist es sogar zu einem eigenständigen Beruf geworden, über seinen Konsum zu bloggen, Produkte zu testen, darüber zu informieren und seine neuen Errungenschaften in den Sozialen Medien mitzuteilen. Mit dem Aufkommen des Erlebniskonsums ging übrigens auch die Entstehung von Konsumwelten einher. Shoppingcenter, die einen in eine andere Welt entführen, oder das Städtebummeln, bei dem das Einkaufen das eigentliche Freizeiterlebnis ist.
Ökologische Bedeutung
Der Umweltfaktor dieser Entwicklung – die natürlich durch die Werbetrommel der Produzenten, die von einer stetig wachsenden Nachfrage profitieren, angekurbelt wird – ist beklemmend. Um den Ressourcenverbrauch unseres Lebensstils zu decken, benötigen wir heutzutage im Durchschnitt 1.7 Erden. Unser Konsumstil trägt einen wesentlichen Beitrag zum übermässigen Ressourcenverbrauch bei. Ständiges Wachstum und „Mehr-Wollen“ zerstört den Planeten und ist auf Dauer nicht tragbar.
Gegenbewegung Minimalismus
Die Entscheidungsfindung im heutigen Angebotsüberfluss ist nicht immer einfach und gerade für Personen, die sich über soziale Aspekte und die Umweltfreundlichkeit der Wertschöpfungskette eines Produktes vergewissern wollen, kann der Konsum früher oder später zur Qual werden. Deshalb gibt es auch immer mehr Menschen, die dem konsumorientieren Lebensstil entsagen und stattdessen nur das Nötigste besitzen. Dies ist nicht nur befreiend, sondern spart auch viel Zeit und Geld.
Freiheit durch Verzicht
Konsumverzicht soll befreiend sein? Das hört sich im ersten Moment vielleicht unlogisch an. Der Grundgedanke, dass Besitz belastend wirkt, ist zwar keinesfalls neu (man konsultiere die Askese), bekommt aber in unserer modernen Gesellschaft eine völlig neue Bedeutung. Jeder Besitz ist auch an die Angst des Verlusts gebunden. Der befreiende Effekt des Verzichts kommt also daraus zu Stande, dass es nichts (oder weniger) zu verlieren gibt. Kein Auto, das an Wert abnimmt, keine billigen Plastikstühle, die nach einem Jahr bereits abgenutzt sind und ersetzt werden müssen, und keine Lebensmittel, die, bevor man sie brauchen konnte, bereits verdorben sind. Von weniger hat man manchmal halt einfach mehr…
“Das Geheimnis nach Glück findet man nicht, indem man nach mehr strebt, sondern indem man die Fähigkeit entwickelt, sich an weniger zu erfreuen“
Sokrates
Zudem befriedigt uns der Kauf einer Sache – besonders wenn wir sie nicht notwendigerweise brauchen – nur für kurze Zeit, bevor bereits ein neues Bedürfnis geweckt wird. Natürlich ist die Werbung, der wir im Alltag ständig begegnen, eine treibende Kraft dieses Begehrens. Dies ist wohl ein weiterer Grund, wieso Personen, die einen minimalistischen Lebensstil führen, von einer Erleichterung sprechen. Der Anspruch, jedem schnelllebigen Trend folgen zu müssen, führt nicht nur zu finanziellem Druck; er ist auch eine psychische Belastung. Denn das Angebot ist bekanntlich ja unerschöpflich.
Weiterführende Links/Informationen:
Die 6 anderen Kosten unseres Konsums (außer Geld)
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