Knapp 70 % der für das Jahr 2050 prognostizierten Weltbevölkerung von 9.77 Mrd. werden in Städten leben. Heute sind es 55 %. Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und Klimawandel machen es zunehmend schwierig, Menschen mit gesunden, frischen und möglichst lokalen Lebensmitteln zu versorgen. Die Landwirtschaft, wie wir sie heute betreiben, verbraucht Unmengen an Wasser und Land. Sie belastet die Umwelt mit Pestiziden und Herbiziden. Ausserdem ist sie Wetterereignissen wie Fluten und Dürren ausgesetzt. Wir können uns nicht weiter auf unser jetziges System verlassen, betont die CEA-Bewegung. CEA – controlled environment agriculture – ist ein technologiebasierter Ansatz für die Landwirtschaft der Zukunft: Pflanzen sollen unter geschützten und für sie optimalen, stets kontrollierten Wachstumsbedingungen heranwachsen. Das stellt die konstante Versorgung der Verbraucher sicher, minimiert aber auch das Risiko von krankheitserregenden Verunreinigungen.
Vertikale Landwirtschaft
Sie wachsen weder auf Erde, noch unter Sonnenlicht – so sieht das Leben einer Pflanze in einem vertikalen Bauernhof aus. Was sich für die Pflanze erst mal trist anhört, ist in Wahrheit ein ernst zu nehmender Lösungsvorschlag für die unter Bevölkerungswachstum und Klimawandel leidende Landwirtschaft. Durch geschlossene Wasserkreisläufe im sogenannten vertical farming sinkt der Wasserverbrauch. Der Einsatz von Pestiziden und Herbiziden wird überflüssig, was mehr Bioanbau ermöglicht. Und nicht zuletzt wird durch vertical farming viel Platz gespart. Anstatt immer mehr Ackerland zu beanspruchen, wird in die Höhe gebaut. Die gezielte Bereitstellung von LED-Licht im roten Spektrum – nämlich jenes, das sich die Pflanze auch aus dem Sonnenlicht herausfiltern würde – erhöht die Produktivität der Pflanze.
So praktisch die Idee des vertical farmings auch scheint, einige Nachteile bringt sie dennoch mit. Beispielsweise können Hauptgetreidesorten wie Weizen und Mais kaum in Hochhäusern angepflanzt werden können. Sie brauchen zu viel Platz. Weiter ist der aktuelle Energiebedarf solcher Anlagen noch sehr hoch; eine Problematik, an welcher zurzeit intensiv geforscht wird.
Nicht nur Pflanzen werden gestapelt
Im Hafen von Rotterdam werden Ende 2018 rund 40 Kühe der niederländischen Rasse Meuse-Rihne-Issel auf dem Wasser treiben. Und Milch geben. 800 Liter pro Tag, so die Vision von Peter van Wingerden. Der Ingenieur der niederländischen Immobilienfirma Beladon arbeitete gerade für ein schwimmendes Wohnbau-Projekt auf dem Hudson River in New York, als der Wirbelsturm Sandy 2012 jegliche Transportwege lahmlegte, und man innerhalb weniger Tage kaum noch frische Produkte in den Läden fand.
„Die Zerstörung, die der Wirbelsturm Sandy angerichtet hat, machte mir schlagartig klar, dass Lebensmittel zukünftig so nahe wie möglich am Verbraucher produziert werden müssen.“
Peter van Wingerden.
Daraus entstand die Idee der schwimmenden Milchfarm: Drei Stockwerke hoch und am Meeresboden verankert; allzu sehr sollten die Kühe also nicht schaukeln. Diese werden sich zu mindestens 80 % von Abfallprodukten der Rotterdamer Lebensmittelindustrie ernähren. Von lokalen Brauereien entsorgte Getreidekörner, Reste aus Restaurants und Cafés, Nebenprodukte von Getreidemühlen oder Grasabfälle – gesammelt und geliefert wird die Tiernahrung in elektrischen Lastwagen. Zusätzlich wird die Farm mit einem vertikalen Garten ausgestattet sein. Unter LED-Licht soll darin die Wasserlinse heranwachsen; eine schnell wachsende Pflanze, die sich mit Kuh-Urin düngen lässt und einen hohen Proteingehalt aufweist. Solaranlagen auf der Anlage werden ausserdem ihren Energiebedarf teilweise decken können.
Um das futuristische Bild des schwimmenden Bauernhofes zu vollenden: Gemolken werden die Kühe – wie auch schon auf herkömmlichen Bauernhöfen - nicht etwa von Bauern, sondern von Robotern.
Quellen und weitere Informationen:
Weltbevölkerung, Prognosen
The world's first floating farm making waves in Rotterdam
Vertical farm start-up Plenty raises 0m
Can city farms feed a hungry world?
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