Vorfall am Suezkanal — Die Umweltlast der Lastschifffahrt

Es muss sich was bewegen in der Frachtschifffahrt Es muss sich was bewegen in der Frachtschifffahrt

Der Vorfall am Suezkanal brachte die Schifffahrtsindustrie ins globale Rampenlicht. Dabei wurde deutlich, welche gigantischen Ausmasse die Containerschiffe annahmen — mit ebenso grossen Folgen für die Umwelt.

Die „Ever Given“, die fast eine Woche lang im Suezkanal feststeckte, machte uns die Dimensionen der Containerschiffe ansichtig, die unseren modernen Konsumlebensstil erst ermöglichen. Der Vorfall richtete ein Schlaglicht auf eine stark umweltverschmutzende Industrie, die in rasantem Tempo wächst.


Gigantische Dimensionen

In ihrem Bestreben, die von uns bestellten Waren immer billiger zu liefern, hat die Schifffahrt immer stärker auf Grössenvorteile gesetzt, sodass die Containerschiffe gigantische Ausmasse angenommen haben. Noch im Jahr 2007 trug das grösste Containerschiff der Welt 8’000 Container. Die Ever Given, die mittlerweile am Montag (29.03.) vom Ufer des Suezkanals befreit wurde, trug indessen über 20’000 Container auf ihrem 400 Meter langen und 60 Meter breiten Rücken. Einige Schiffe können sogar bis zu 25’000 Container auf einmal verfrachten — jeder einzelne Container sechs Meter lang. Fast 200’000 Tonnen Waren kann ein einzelnes Schiff transportieren. Heute befahren rund 60’000 dieser Schiffe die Weltmeere. Sie transportieren jedes Jahr 11 Milliarden Tonnen Fracht — das entspricht rund 90 Prozent des Welthandels. Der Grossteil unserer Besitztümer — von Kleidung über Lebensmittel bis hin zur Technik — befand sich irgendwann auf dem Weg zu uns auf einem riesigen Containerschiff wie der Ever Given, das Ende März zu unbeabsichtigtem Ruhm gelangte.


Abfall über Bord und verpestete Luft

Entscheidend ist aber nicht nur die Grösse der Schiffe. Sie reduziert eher die Emissionslast auf den einzelnen von ihnen verschifften Waren gegenüber den Alternativen des Land- und Lufttransports oder vieler kleinerer Schiffe. Sie verringert indessen auch die dafür anfallenden Kosten, was dann wiederum den globalisierten Warenverkehr ankurbelt. Seit 1996 verdoppelte sich die Anzahl der Containerschiffe. Entsprechend verschlimmerte sich auch die Belastung unserer Ozeane. Nicht nur der Unterwasserlärmpegel hat sich dadurch verschärft, der besonders Wale und Delfine schädigt. Es trägt auch zur Zunahme von Plastikmüll in den Ozeanen bei, denn oftmals wird der Abfall auf hoher See einfach über Bord geworfen.

Doch das ist nicht das schlimmste, was über Bord geht: Abwasser — als Bilgewasser bezeichnet —, welches bei Schiffen mit Motorantrieb oft mit Öl- und Kraftstoffresten kontaminiert ist, wird teilweise ins Meer abgepumpt und führt so zu Ölverschmutzungen. Besonders schädlich ist dies, da Frachtschiffe mehrheitlich mit hoch giftigem Schweröl fahren, das unter keinen Umständen ins Wasser gelangen sollte. Schweröl ist eine viskose, schwarze, teerähnliche Substanz, die als Abfallprodukt in Ölraffinerien zurückbleibt, nachdem alle transparenten Kraftstoffe wie Benzin oder Diesel abgetrennt worden sind. Es gehört zu den dreckigsten, d. h. am meisten verunreinigten und umweltbelastenden Brennstoffen. Dieser Kraftstoff gibt bei seiner Verbrennung im Schiffsmotor zudem eine grosse Menge an giftigen Schadstoffen wie Schwefeldioxid und Schwermetalle in die Luft ab. Selbst nachdem 2020 endlich etwas verbesserte Schwefelstandards für Schiffe in Kraft getreten sind — Jahrzehnte nach entsprechenden Regeln für Kraftwerke — kann die Luftverschmutzung durch die Schifffahrt immer noch für jährlich 250’000 Todesfälle und 6,4 Millionen Asthmaerkrankungen im Kindesalter verantwortlich gemacht werden. Das Verbrennen jedes fossilen Treibstoffs verursacht zudem natürlich auch CO2-Emissionen. Die Schifffahrt insgesamt stösst laut der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) jedes Jahr eine Milliarde Tonnen Treibhausgase in die Atmosphäre aus. Die schwedische Aktivistin Greta Thunberg hat Recht: Regierungen klammern die Emissionen der Schifffahrt in der Regel aus ihren Klimaschutzplänen aus und tun so, als gäbe es das Problem nicht.

Nebst Abfall und Giftstoffen geht oftmals noch weiteres über Bord: Nämlich die Ware, die ein Frachtschiff heil in den Hafen bringen sollte. Jährlich gehen Tausende Container voller Ware auf rauer See verloren, denn diese sind häufig ungenügend gesichert. Oft reicht ein Sturm aus. Kopfzerbrechen bereitet das kaum jemandem, denn die Versicherung übernimmt den Schaden. Von den Millionen Containern, die über die Meere geschifft werden, werden ausserdem lediglich 2 Prozent inspiziert. Niemand kann also sagen, welche Güter in herrenlosen Containern, die vom Schiff gefallen sind, auf dem Meer herumtreiben. Von Drogen über Waffen bis zu giftigen Chemikalien oder Menschen ist alles möglich.
Zuletzt führt ein Containerschiff oft auch noch andere blinde Passagiere mit sich: Fremde Arten werden von ihnen in neue Umgebungen transportiert, wo sie, soweit die Lebensbedingungen es erlauben und natürliche Fressfeinde fehlen, lokale Ökosysteme bedrohen können.


Emissionsfreie Schifffahrt?

Genau wie andere Verkehrssektoren ist auch die Schifffahrt in der Lage, mittels erneuerbarer Energien zu verkehren. In diesem Bereich gibt es bereits über 100 Pilotprojekte für eine emissionsfreie Schifffahrt. Aber Konsumenten und Regierungen haben bisher nicht lautstark genug gefordert, dass Schiffe diese Energiewende vollziehen. Die Schifffahrtsindustrie steckt traditionell mit der fossilen Brennstoffindustrie unter einer Decke, die sich ihr nur schon für die Abnahme des Schweröls verbunden fühlt. Ihre Abkehr von fossilen Brennstoffen wird also noch mehr öffentlichen Druck erfordern. Vielleicht wird die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Schifffahrtssektor, die aus dieser Suezkanal-Krise resultierte, genug laute Stimmen erklingen lassen, die Schifffahrtsindustrie endlich auf einen nachhaltigen Pfad zu lenken.

Konkret haben zwei der klimaanfälligsten Länder der Welt, die Marshallinseln und die Salomonen, der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation IMO einen bahnbrechenden Vorschlag unterbreitet: Sie fordern einen globalen Kohlenstoffpreis von 100 US-Dollar pro Tonne Treibhausgase für die Schifffahrtsindustrie, um deren Umstellung auf sauberere, emissionsfreie Kraftquellen voranzutreiben.

 

Quellen und weitere Informationen:
Erbe et al. (2019): The Effects of Ship Noise on Marine Mammals
Seas at risk: Waste from ships
Skytruth: Bilge dumping at sea
Sofiev et al. (2018): Cleaner fuels for ships provide public health benefits with climate tradeoffs
IMO: Reducing greenhouse gas emissions from ships 
World Shipping Council: Containers Lost at Sea: 2020 Update
Sardain et al. (2019): Global forecasts of shipping traffic and biological invasions to 2050
Global Maritime Forum: New Mapping of Zero Emission Pilots and Demonstration Projects shows an increasing focus on hydrogen based fuels
Solomon Times (16.03.2021): Marshall and Solomon Islands Demand IMO Set USD 100/Ton Levy on Emissions

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