In der Schweizer Gastronomie gelten fast 70 Prozent der entstandenen Lebensmittelabfälle als vermeidbar. Die nicht ordnungsgemässe Lagerung von Lebensmitteln kann beispielsweise zum frühzeitigen Verderben der Lebensmittel führen. Laut WRAP (Waste & Resources Action Programme) macht dieser Anteil über 20 Prozent der Lebensmittelabfälle in Restaurants aus. Um den Restaurantservice effizient gestalten zu können, müssen Speisen natürlich im Voraus zubereitet werden. Allerdings werden die Mengen nicht immer an den jeweiligen Bedarf des Wochentages oder der Jahreszeit angepasst. Zudem lässt mehr als ein Viertel der Besucher Essen auf dem Teller zurück. Reduzieren Restaurants die Portionen, ist dies nicht nur wirtschaftlich gesehen ein kluger Schachzug, da dies die Betriebskosten senkt, sondern stellt auch sicher, dass die Vergeudung der Nahrungsmittel eingeschränkt wird.
Künstliche Intelligenz gegen den Lebensmittelverlust
Das 2017 gegründete Schweizer Start-up Kitro basiert auf künstlicher Intelligenz und hat sich zum Ziel gesetzt, gegen die Lebensmittelverschwendung vorzugehen. Eine mit Kamera und Spezialsoftware bestückte Waage kann Essensreste automatisch erfassen und klassifizieren. Die Analyse der gesammelten Daten erlaubt es den Unternehmen zu diagnostizieren, welche Arten von Lebensmitteln vorwiegend weggeworfen werden und zu welchen Tageszeiten die Verschwendung am offenkundigsten ist. Kitro unterstützt die Unternehmen aber nicht nur bei der Analyse, sondern hilft auch dabei, Verbesserungen für die Verfahren und Lebensmittelzubereitungen herbeizuführen. Beispielsweise hat der Einsatz des Kitro-Systems in einem Hotel enthüllt, dass im täglichen Durchschnitt 500 Gramm Rührei des Frühstücksbuffets weggeworfen werden. Die Küche passte daraufhin die Tagesproduktion an mit der Kürzung der Ration um 400 Gramm, was immer noch einen Spielraum von 100 Gramm erlaubte. Monatlich reduzierte sich die Masse des verschwendeten Rühreis von 25kg auf 5kg. Das Kitro-System wird mittlerweile im In- und Ausland in Restaurants, Hotels, Universitäten und Krankenhäusern, aber auch in Skigebieten und auf Golfplätzen eingesetzt.
Ein Gourmetrestaurant für Arme
Das Genfer Restaurant «Refettorio» geht neue Wege: Warum nicht überschüssiges Essen mit Bedürftigen kombinieren? Das Gourmetlokal öffnet tagsüber für zahlende Gäste, welche gleichzeitig einer armen Person ein Essen spendieren. Abends öffnet das Restaurant für finanziell schwächere Bürger, die die noch ausgezeichneten Essensresten erhalten und sich ein solches Essen sonst nicht hätten leisten können. Pro Tag sind es durchschnittlich 40 Bedürftige, die so gratis zu einem feinen Abendessen kommen und gleichzeitig auch etwas Geselligkeit und Menschlichkeit erfahren dürfen. Der Organisator und Chefkoch des Restaurants, will die Gassenküche abgeschafft sehen und stattdessen das übriggebliebene Essen guter Restaurantküchen, das sonst oft im Abfall landet, den Obdachlosen überreichen.
Holländisches Zero-Waste-Konzept
Den Namen „Instock“ wird in Amsterdam einem Restaurant und einem Lebensmittelgrosshandel verliehen. Die Geschäftsidee ist einfach – doch damit nicht weniger erfolgreich. Besonders ist hier vor allem der Ursprung der Zutaten: Sie kommen von Landwirten, Gross- und Zwischenhändlern, die die Lebensmittel sonst hätten wegwerfen müssen. Handeln tut es sich hier zum Beispiel um „zu kleine“ Äpfel, „imperfekte“ Karotten oder Tomaten und Auberginen, die bereits reif sind, aber keinen Abnehmer haben. Fleisch wird kurz vor Ablauffrist eingefroren und darf noch in den nächsten drei Monaten verkauft werden. Gemäss dem Chefkoch des Restaurants ist cleveres und kreatives Kochen besonders erwünscht sowie das Wissen darum, wie bestimmte Speisen eingekocht, eingefroren oder fermentiert werden können, um eine längere Haltbarkeit zu erreichen. Der Grosshandel beliefert den eigenen Restaurantbetrieb und zusätzliche Gastrobetriebe in ganz Holland. Pro Woche bestellen auf der Webseite bis zu 200 Köche Produkte, die anschliessend per Elektrofahrrad oder -auto ausgeliefert werden. Die Situation ist vorteilhaft für alle Beteiligten. Instock verfügt über ein profitables Business, viele Kilogramm Lebensmittel können gerettet und verarbeitet werden und dank den meist 30 Prozent unter den gewohnten Preisen liegenden Lebensmitteln profitieren auch die Restaurantkassen.
Private Haushalte als grösste Sünder
Es gibt also viele spannende Ansätze, die sich dem «Food Waste» entgegensetzen. An dieser Stelle dürfte jedoch bemerkt werden, dass die Gastronomie zwar unbestritten zur Lebensmittelverschwendung beiträgt, dass dies verhältnismässig aber nur einen kleinen Anteil ausmacht. Die EU verursachte im Jahr 2020 131 kg Lebensmittelabfälle pro Einwohner. 53 Prozent davon – also gut 70 kg – entstanden durch private Haushalte, 26 kg entfielen auf die Herstellung von Nahrungsmitteln und Getränken und «nur» 12 kg auf den Gastronomiesektor. Im Vergleich mit Entwicklungsländern haben wir zwar das Know-How und die Technologien, um ökonomisch und effizient zu ernten und lagern. Doch wenn es um die Lebensmittel in unseren Küchen geht, können Konsumenten aus wohlhabenden Ländern es sich eben leisten, Lebensmittel wegzuwerfen.
Food Waste im internationalen Kontext
Im Jahr 2021 ist die Zahl der von Hunger betroffenen Menschen laut einem Bericht der Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) auf 828 Millionen angewachsen – ein Anstieg von 150 Millionen seit 2019. Gleichzeitig könnten die jährlich verschwendeten Lebensmittel Schätzungen zufolge 1.26 Milliarden Menschen ernähren. Der Nicht-Gebrauch von Lebensmitteln trägt ausserdem zu 8-10 Prozent zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei. Dies fördert ein instabiles Klima und Extremwetterereignisse und wirkt sich wiederum nachteilig auf die Nährstoffqualität und die Ernteerträge aus.
Um den erfolgreichen Übergang zu nachhaltigen Agrar- und Ernährungssystemen zu schaffen, dürfte die effiziente Nutzung natürlicher Ressourcen wie Lebensmittel entscheidend sein. Als Teil der Nachhaltigkeitsziele soll bis im Jahr 2030 die weltweite Lebensmittelverschwendung pro Kopf halbiert werden. Zudem sollen bis zu diesem Zeitpunkt auch die Lebensmittelverluste entlang der Produktions- und Lieferketten reduziert werden. Um diese hochgesteckten Ziele zu erreichen, sind alle involvierten Akteure gefordert. Neben der Entwicklung und Umsetzung von Nationalen Strategien sind dies Unternehmen wie Gastronomiebetriebe, aber eben auch die kleinen Privathaushalte.
Quellen und weitere Informationen:
Swissinfo: Die Schweiz macht sich auf, Foodwaste zu bekämpfen
FAO: Tackling food loss and waste
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