Mica: Abseits des Glitzers warten Kinderarbeit und Umweltschäden Empfehlung

Das Glimmermineral Mica befindet sich in vielen Kosmetikartikeln Das Glimmermineral Mica befindet sich in vielen Kosmetikartikeln

Mica ist allgegenwärtig. Das Mineral befindet sich in Lidschatten, Zahnpasta oder Autolack. Vermehrt kommt der Glimmer in die Kritik aufgrund von Umweltschäden und Kinderarbeit. Es gibt Bemühungen, die Situation zu verbessern – unter anderem durch synthetisches Mica und bessere Kontrollen entlang der Lieferkette.

Als natürlicher Silikatmineralstaub kommt Mica in Gesteinen wie Granit, Sandstein oder Marmor vor. Der Name stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie «glänzen» oder «glitzern». Von Weiss und Silber bis hin zu Gold gibt es verschiedene Farbvarianten.

Besondere Eigenschaften erlauben vielseitigen Einsatz

Das Glimmermaterial ist äusserst reflektierend, sodass es unter anderem in Lidschatten, Rouge und vielen anderen Make-Up- und Kosmetikprodukten verwendet wird. Bei Naturkosmetikmarken ist das natürliche Material besonders beliebt, da es als gesundheitlich unbedenklich gilt. Da Mica ausserdem Strom bei sehr hohen Temperaturen isolieren kann, wird es auch in elektrischen Haushaltsgeräten wie Toastern, Haartrocknern, Batterien und Smartphones verwendet. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird Mica also in weit mehr Produkten eingesetzt, als uns bewusst ist – und ist damit Teil einer milliardenschweren Industrie. Problematisch ist Mica vor allem aufgrund seiner Lieferkette.  

Arme Bevölkerung reich an Mica

Geschürft wird das Mineral in insgesamt 35 Ländern; häufig stammt es aus Madagaskar und den Berggebieten Indiens. Die Bedingungen der in Mica-Minen arbeitenden Menschen sind oft gefährlich. Immer wieder brechen die bis zu 20 Meter tiefen, selbstgegrabenen Minen ein und Menschen sterben. Nichtsdestotrotz haben die Bewohner jener Gebiete kaum eine andere Wahl, also dort zu arbeiten. Obwohl sie nur einen minimalen Lohn von ungefähr 2 CHF pro Tag für 20kg gesammeltem Mica bei bis zu 12 h Arbeit erhalten, stellt es immerhin eine stetige Einnahmequelle dar. Auch Kinderarbeit ist in diesem Zusammenhang kein Fremdwort. Die Hilfsorganisation Terre des Hommes schätzt die Zahl der indischen Kinder, die Mica schürfen und nach Grösse sortieren, auf über 20'000 ein – teils sind sie nur einige Jahre alt.
In den 1980er Jahren hatte die indische Regierung die Kinderarbeit in solche gefährlichen Industrien zwar verboten. Dies hatte aber zur Folge, dass die Mica-Industrie in noch ländlichere und vernachlässigtere Gebiete verschoben wurde, wo Schulen und alternative Arbeit so rar sind wie regulierte Kontrollen oder Arbeitsschutz. Die dort arbeitenden Menschen und insbesondere die Kinder leiden häufig unter Atemwegserkrankungen. Zusätzlich sind viele von ihnen dehydriert, weil sie während der Arbeit kein Wasser trinken können. Sie erkranken öfter an Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder sind anämisch und unterernährt. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich das Problem der Kinderarbeit weiter verschärft, unter anderem weil viele Schulen geschlossen werden mussten und die Eltern anderswo nicht genügend Arbeit fanden. Die Bewohner wurden so noch abhängiger vom Mica-Abbau, was die Betriebsverantwortlichen wussten und zum Teil auch ausnutzten.

Einmal abgesehen von den ethischen Problemen hat der Bergbau auch nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt. Der invasive Bergbau führt zu Bodenerosion, Verunreinigung von Grundwasser und Boden sowie zur Abholzung der angrenzenden Wälder, um mehr Platz zu schaffen. Die Folge davon ist ein Verlust der Artenvielfalt – etwa sind lokal, seit der Gewinnung von Mica, die Anzahl der Wildschweine, Elefanten und seltenen Vögel stark zurückgegangen.

Nicht nachvollziehbare Reise

Mica reist über viele Zwischenhändler und Länder in unsere Läden. Man weiss ausserdem, dass illegal geschürftes Mica zum Teil in andere Teile Indiens geschickt wird, um es dort in legalem Rahmen und unter einer Lizenz weiterzuverkaufen. Für die Verbraucher am Ende der Lieferkette ist meist unklar, woher der Glimmer kommt und unter welchen Umständen er produziert wurde – die Lieferketten sind intransparent.

Fortschritte in der Rückverfolgung

Da die Schweiz die Konzernverantwortungsinitiative im Jahr 2020 abgelehnt hat, ist es Firmen grundsätzlich selber überlassen, ob sie sich für Umwelt und Menschenrechte als Teil ihrer Lieferketten starkmachen wollen. Allerdings laufen in der EU derzeit ähnliche Verhandlungen zum sogenannten Lieferkettengesetz, die unter Umständen bereits in diesem Jahr abgeschlossen werden könnten und auch einige Schweizer Unternehmen betreffen dürften.
Mittlerweile verzichten einige Firmen auch freiwillig auf Mica und ersetzen das Mineral mit Ersatzstoffen aus dem Labor. Auch gibt es die «Responsible Mica Iniative», die bis 2030 die Lieferketten mit fairen Arbeitsbedingungen versehen soll – ohne Kinderarbeit. Ziel ist die Verbesserung der Situation über die Finanzierung von Hilfsprojekten in den betroffenen Regionen. Erwachsenen werden alternative Einkommensmöglichkeiten geboten und sie erhalten Sozialleistungen, wenn sie dafür ihre Kinder nicht in die Minen schicken. Trotzdem: Auch als Mitglied der Initiative gibt es keine Garantie dafür, dass die Lieferkette nachhaltig und ohne Kinderarbeit funktioniert – schliesslich ist es eher ein Mittel zur Verbesserung der Zustände und keine eigentliche Zertifizierung.

Was lässt sich als Konsument tun?

Es ist vorderhand unrealistisch, Mica ganz aus dem Alltag zu verbannen. Allerdings sollen beispielsweise Make-Up-Artikel mit Glimmer aus synthetischer Herstellung (Synthetic Fluorphlogopite) dieselben Vorteile bringen wie natürliches Mica, ohne die Umwelt oder Kinder zu belasten. Die Schönheitsmarke «Lush» hat etwa natürlichen Glimmer ganz aus ihren Lieferketten entfernt.

Im Allgemeinen können Konsumenten ein Zeichen setzen, indem sie Schönheitsmarken mit rückverfolgbaren Lieferketten unterstützen. Kritisches Hinterfragen von Produkten ist ausserdem immer eine gute Idee. Wie verantwortungsvoll und nachhaltig wurde das Produkt hergestellt? Sind die Ersatzprodukte in jedem Fall besser?

Ob ein Produkt Mica enthält, kann man übrigens an der INCI-Nummer CI 77019 in der Zutatenliste erkennen. Aus welchem Land Mica stammt oder wie die Herstellungsbedingungen waren, erkennt man daraus aber nicht. Immer eine Möglichkeit ist, direkt im Handel und bei den Herstellern nachzufragen, ob ein Produkt Mica enthält oder wie das Unternehmen sicherstellen kann, dass keine Kinder ausgebeutet werden.

 

Quellen und weitere Informationen:
Terre des Hommes: Global Mica mining and the impact on children's rights
SRF: Wie Kinder für unsere Produkte in Minen schuften
Mining Mica: The True Costs Of Beauty Products

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