Laut Bundesamt für Umwelt (BAFU) werden in der Schweiz rund 30‘000 verschiedene synthetische Stoffe verwendet, die in kleinen Konzentrationen über die Kanalisation in die Gewässer gelangen. Diese organischen Spurenelemente und Schwermetalle stammen aus Medikamenten, Reinigungsmitteln, Körperpflegeprodukten, Industriechemikalien sowie Material- und Pflanzenschutzmitteln und können durch herkömmliche Abwassereinigungsanlagen (ARA) nicht vollständig aus dem Abwasser herausgefiltert werden. Stattdessen gelangen die Stoffe in die Flüsse, Bäche und Seen, wo sie bereits in kleinsten Konzentrationen grosse Schädigungen bei Wasserlebewesen hervorrufen können. Hormonaktive Stoffe – beispielsweise aus Flammschutzmitteln, Weichmachern, Pestiziden oder Kosmetika, Anti-Baby-Pillen und Sonnencremes – beeinträchtigen erwiesenermassen die Fortpflanzung von Fischen. Neurotoxische Insektizide schädigen das Nervensystem von Wassertieren, und Herbizide können die Fotosynthese von Algen eindämmen. Daneben sind viele weitere Schädigungen möglich, die durch das komplexe Zusammenspiel verschiedener Stoffe und/oder durch die Kombination mit anderen Faktoren, wie zum Beispiel erhöhten Wassertemperaturen, entstehen. Über die Fliessgewässer können die Mikrostoffe auch ins Grundwasser infiltrieren und damit die Qualität dieser wichtigen Trinkwasserquelle gefährden.
Die Schweizer Haushaltungen, die Industrie und Landwirtschaft verwenden regelmässig über 30‘000 teilweise für die Umwelt gefährliche Mikrostoffe. (BAFU)
Die längerfristigen Auswirkungen der meisten Stoffe auf die Umwelt und auf die menschliche Gesundheit sind heute noch weitgehend unbekannt. Das Problem der Mikroverunreinigungen hat sich in den letzten Jahren zugespitzt, da immer mehr, teilweise sehr langlebige und schlecht abbaubare Stoffe in die Gewässer gelangen. In verschiedenen Seen und Flüssen steigen die Konzentrationen laufend an. Obwohl bereits seit längerem bekannt ist, dass die Mikroorganismen durch Kläranlagen nicht aus dem Wasser entfernt werden können, wurde bisher sehr wenig gegen das Problem unternommen…
Doch nun will der Bundesrat durch eine flächendeckende Aufrüstung der ARA die Mikroorganismen im Abwasser „eliminieren“ (vgl. Medienmitteilung BAFU, 27. Juni 2013). Das Projekt soll auf dem Verbraucherprinzip basieren und deshalb zu 75% durch Steuergelder finanziert werden. Das Parlament wird voraussichtlich im Herbst 2013 über die Vorlage entscheiden.
Die vorgesehenen Massnahmen des Bundes sind begrüssenswert und dringend notwendig. Gemäss BAFU kann durch die Aufrüstung der Anteil von Mikroverunreinigungen im gereinigten Abwasser deutlich verringert werden. Dennoch ist fraglich, ob das Problem dadurch längerfristig gelöst werden kann: Ein Teil der Mikroverunreinigungen wird weiterhin nicht aus dem Wasser gefiltert werden können… Umso mehr sollte man sich damit beschäftigen, wie die Mikroverunreinigungen künftig vermehrt bereits an der Quelle verhindert werden können, beispielsweise durch einen deutlich reduzierten Pestizideinsatz, die Verwendung von Naturkosmetik usw.
(Bild: Die Abwasserreinigungsanlage in Altdorf - Keystone publiziert auf suedostschweiz.ch)
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