Das Drüsige Springkraut, Ambrosia, die Tigermücke, der Kirschlorbeer, der Kamberkrebs, die Rotwangen-Schmuckschildkröte. All diese Pflanzen- und Tierarten denken sich wahrscheinlich nichts Böses dabei, wenn sie tun, was Lebewesen eben so tun: Überleben, fressen, sich vermehren, sich in geeignete Lebensräume ausbreiten und sich anpassen. Auch dass sich ihre Nachbarschaft unaufhaltsam verändert und dabei zunehmend der eigenen Art angehört, wird sie nicht besonders stören. Da weiss man, worauf man sich einlässt. Dass es uns Menschen, und darunter insbesondere die Ökologen und die Naturschützer, stört, hängt aber dennoch nicht nur an Erfolgsneid oder Fremdenfeindlichkeit.
Eines sollte man vielleicht voranstellen: Natürlich ist nicht jeder Neophyt und jedes Neozoon, nicht jeder farbenfrohe Exot im Blumenbeet oder verirrte Zugvogel ein ‚böser‘ Eindringling. Die Liste der invasiven Neobiota ist sogar relativ überschaubar. Aber sie wird länger, und die Folgeschäden der Ausbreitung der in ihr verzeichneten Arten werden stetig umfangreicher und bedenklicher. Wenn es sich beispielsweise eine der drei bei uns eingewanderten amerikanischen Krebsarten (Signalkrebs, Kamberkrebs oder Roter Amerikanischer Sumpfkrebs) in einem unserer Gewässer gemütlich macht, so tut sie das durch Verdrängung aller einheimischen Arten – wobei Verdrängung hier nicht meint, dass diese Einheimischen dann einfach irgendwo anders wieder auftauchen. Was sich vielleicht an Widerstand bei den Einheimischen regt, wird nämlich von der gleich mit eingeschleppten Krebspest zunichte gemacht.
Obwohl sich solche Dramen direkt vor unserer Haustür abspielen, fehlt es der breiten Öffentlichkeit an Kenntnis oder Verständnis dafür. Das mag daran liegen, dass die fremden Arten nicht erkannt werden, dass sie, wie etwa der Kirschlorbeer, so weit verbreitet sind, dass sie keine Aufmerksamkeit mehr erregen, oder dass die Problematik an ‚zuständige Fachstellen‘ abgeschoben wird. Genau hier setzen die Aktionstage von „Arten ohne Grenzen“ an, indem sie breit informieren, sensibilisieren und mittels ‚Ausrupf‘-Aktionen oder Exkursionen gleich in die Tat umsetzen, was angesichts der unüberschaubaren Aufgabe jede Einzelorganisation und jedes Amt überfordert: Die zielgerichtete Bekämpfung invasiver Neobiota.
„Den Leuten fehlt bisher die direkte Erfahrung, wie weit solche Invasionen gehen können. Deshalb muss man mit Informationen arbeiten.“ Günther Gelpke, Präsident des Schweizerischen Verbandes der Neobiota-Fachleute (SVNF)
Das Unverständnis kann indessen auch an Beschönigungen liegen, die diesbezüglich im Raum stehen. Natürlich kann man fragen: Und jetzt? Macht es einen so gewichtigen Unterschied, ob in unseren Gewässern nun Kamberkrebse statt Edelkrebse krabbeln, in unseren Autobahnmittelstreifen das Greiskraut statt des Löwenzahns steht? Und ist es nicht natürlich, dass Pflanzen und Tiere jede sich öffnende Lebensraumnische für sich erobern? Sind sie, zudem, nicht schon immer gewandert? Denken wir gar an die Kartoffel, die Tomate… Was wäre unsere Cuisine ohne diese zwei erlesenen Ingredienzien?
Die heimatverbundeneren unter den Naturschützern werden diese Fragen vielleicht mit einer Gegenfrage beantworten: Was man denn von einer Schweiz ohne Schweizer hielte. Das wird manchen als Argument schon genügen, und es ist durchaus legitim: Der Natur- und Landschaftsschutz beinhaltete stets schon konservierende Aufgaben, deren Erfüllung es dann auch den Nachfolgegenerationen noch ermöglichte, beispielsweise Steinböcken in der freien Natur ansichtig zu werden. Doch es gibt auch – unserer Meinung nach noch gewichtigere – ökologische Argumente. Jede Verdrängung von Arten durch invasive Neobiota ersetzt eine Vielzahl Arten durch eine oder zwei gebietsfremde. Biodiversität ist hier das Stichwort, ihr Schwund der entstehende Schaden. Durch eingeschleppte Krankheiten und Parasiten vervielfacht sich dieser Schaden noch. Da unser aller Leben von den Dienstleistungen intakter Ökosysteme abhängt, und da diese Ökosysteme sich durch Diversität und Komplexität stabil halten, betrifft uns diese Problematik direkt. Noch unmittelbarer betreffen uns die wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen: Die starken Allergene des Beifussblättrigen Traubenkrauts, landläufig Ambrosia genannt, haben schon breitere Aufmerksamkeit erregt, das von der Tigermücke übertragene Dengue-Fieber steht als Drohung im Raum. Zu den wirtschaftlichen Schäden beispielsweise der genannten Krebse geben die Fischer, zu jenen des Japan-Knöterichs die Instandhaltungsämter der Städte oder die SBB gern Auskunft. Oder eben all die Fachleute, Organisationen, Schulen und Vereine, die über die nächsten drei Tage an den zahlreichen Aktions- und Informationsanlässen Hand geben zu einem bewussteren und sachkundigen Umgang mit invasiven Organismen. Eine umfangreiche Auflistung dieser Anlässe findet sich auf www.arten-ohne-grenzen.ch.
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