Die Schweiz verfügt derzeit über einen Nationalpark im Engadin, dessen 100-jähriges Bestehen wir dieses Jahr feiern. Im kommenden Jahr könnten aber gleich zwei Nationalparks hinzukommen: Der Parc Adula rund um das Rheinwaldhorn und der Parco Nazionale del Locarnese stehen als offizielle „Nationalpark-Kandidaten“ in den Startlöchern. 2015 müssen die jeweils eingebundenen Gemeinden bei einer Abstimmung nach langwierigen Planungsphasen nur noch grünes Licht zur Satzung geben.
Der Parc Adula soll als zweiter, aber dann grösster Nationalpark der Schweiz seine Tore öffnen. Mit einer Gesamtfläche von über tausend Quadratkilometern wäre er sechs Mal so gross wie der Engadiner Nationalpark. Malerische Landschaften, die sich weitgehend ohne menschliche Eingriffe entwickeln durften, sollen intensiv geschützt werden und zugleich als Erholungsgebiet dienen. Ziel des Projekts ist, die nachhaltige Entwicklung dieser alpinen Regionen zu festigen und den Reichtum an unberührter Natur zu erhalten. Der Berg Adula, zu Deutsch Rheinwaldhorn, um dessen Spitze sich das Parkgebiet rankt, dient dem angehenden Nationalpark als Namensgeber. Auch das wilde Calancatal soll Teil des Parks werden. Charakteristisch für den Naturraum sind eine reichhaltige Flora und Fauna, imposante Gletscher und überwältigende Naturschönheiten.
Der Parc Adula ist ein vielsprachiges, multikulturelles Projekt, an dem zwei Kantone, fünf Regionen und 20 Gemeinden mit den Sprachen Rätoromanisch, Deutsch, Italienisch und dem Walser Dialekt beteiligt sind.
„Der Berg Adula, zu Deutsch Rheinwaldhorn, um dessen Spitze sich das Parkgebiet rankt, dient dem angehenden Nationalpark als Namensgeber.“
Neben dem Parc Adula ist der Parco Nazionale del Locarnese ein zweiter „Nationalpark-Kandidat.“ Das Gebiet ist von aussergewöhnlicher und einzigartiger Schönheit. Es erstreckt sich von den Brissagoinseln des Lago Maggiore bis zur Ortschaft Bosco Gurin, der einzigen Walser-Siedlung im Tessin. Auf einer Strecke von nur 35 Kilometern erhebt sich das Gebiet des Projekts vom Ufer des Sees bis zum 2863 Meter hohen Gipfel des Wandfluhhorns (Pizzo Biela) und wechselt dabei von subtropischem zu alpinem Klima.
Mit der Förderung des Tourismus sowie regionalen Produkten soll der nachhaltigen Entwicklung der ganzen Regionneue Impulse verliehen werden. Der Locarnese-Nationalpark wäre mit 221 Quadratkilometern bedeutend kleiner als der Parc Adula, aber immer noch grösser als der bereits bestehende Nationalpark.
Im Parc Naziunal Svizzer, dem bisherigen Nationalpark, hat sich in den 100 Jahren seines Bestehens einiges getan. Mittlerweile hat sich die Biodiversität stark entfaltet und es kommen bereits doppelt so viele Pflanzenarten vor wie zu Anbeginn. Für deren Verbreitung sorgen unter anderem die Hirsche und Ameisen. Wenn sich das aktuell gesichtete Wolfsrudel dauerhaft im Nationalpark niederliesse, würde dies die natürliche Dynamik vervollständigen. Um keine leichte Beute zu werden, müssten die Hirsche ihre Aufenthaltsdauer auf den Wiesen und Weiden deutlich reduzieren. Damit würden die Raubtiere indirekt die Vegetation und letztlich das ganze Ökosystem verändern. Irgendwann würden die Bäume die Grasflächen zurückerobern.
Im Gegensatz zum bestehenden Nationalpark, der nach der strengsten IUCN-Kategorie geschützt ist, wären die beiden neuen Nationalparks in eine Kern- und eine Umgebungszone unterteilt. Im Kerngebiet hat der Naturschutz oberste Priorität, die Umgebungszone ist als schützender Puffer gedacht. Die Bevölkerung dort – im Parc Adula immerhin gegen 14'000, im Locarnese-Nationalpark fast 20'000 Menschen – wäre verpflichtet, die Ressourcen nachhaltig zu nutzen und die Kulturlandschaften zu erhalten. Allein die Kernzone des Parc Adula wäre mit 170 Quadratkilometern übrigens gleich gross wie der ganze Engadiner Nationalpark.
Die Erhaltung qualitativ hervorstehender Landschaften und abgeschiedener Gebiete ist ein wichtiger Teil des Naturschutzes. So ist zu hoffen, dass die Bevölkerungen den beiden Projekten zustimmen werden.
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