Zwar nimmt die Zahl junger Menschen zu, die sich in Gemeinschaftsgärten, Reparatur-Cafés oder veganen Lebensmittelläden engagieren. Doch noch immer tun wir uns schwer mit konkretem Naturschutz. Was bringt Menschen dazu, wirklich zu handeln und aktiv zu werden? Diese Fragen hat umweltnetz-schweiz Khalil Belaid (27) gestellt. Der Basler Student der Geowissenschaften mit algerischem Vater pflanzt in seiner zweiten Heimat seit bald einem Jahrzehnt Bäume am Rand der Wüste und versucht damit, die Desertifikation aufzuhalten. Um diese Arbeit und den Schutz weiterer Biotope zu fördern, hat er zusammen mit anderen jungen Naturschutzbegeisterten im Mai 2014 den Verein Desert Tree gegründet (siehe Box). Der bescheidene junge Mann schreibt derzeit seine Masterarbeit über Flora und Fauna alluvialer Quellen in der Nordwestschweiz.
Umweltnetz-Schweiz: Khalil, du studierst Geowissenschaften, pflanzt in Algerien Bäume und hast den Verein Desert Tree gegründet. Wie hat sich dein Interesse an der Natur und ihrem Schutz entwickelt?
Khalil Belaid: Mein Interesse an der Natur kommt aus der Kindheit und ist geprägt von meinen Eltern. Ich erinnere mich an viele Erlebnisse als Kind in Algerien, wo ich viel Zeit in der Natur verbracht habe. Das Pflanzen der Bäume hat uns unser Vater mitgegeben; er hat selber mehrere Hektare Fruchtbäume gepflanzt. Natürlich haben mich auch das Gymnasium und das Studium geprägt. Ich wollte nie nur Biologie studieren, das empfand ich als zu einseitig. Die Geowissenschaften schienen mir mit ihrer Breite deshalb besser für mich geeignet.
Wann hast du dich denn zum ersten Mal aktiv für die Natur eingesetzt?
Das war damals, als ich meinem Vater geholfen habe, Bäume zu pflanzen. Als Kind habe ich viel in diesem Wald gespielt. Er hat in den letzten Jahrzehnten allerdings stark durch den Mensch und das Klima gelitten. Im schwarzen Jahrzehnt des Bürgerkriegs hatten die Leute andere Prioritäten als die Natur und deren Schutz. Daraus ist in mir die Idee entstanden: In diesem Wald pflanze ich Bäume! So war ich zum ersten Mal aus eigener Initiative aktiv im Projekt Desert Tree, dem Aufforstungsprojekt in Algerien. Ich habe schon immer gewusst, dass ich etwas mit einfachen Mitteln machen möchte.
„Es war mir auch wichtig, dieses Projekt möglichst nachhaltig zu gestalten."
Wie können wir uns als Aussenstehende denn dieses Projekt in Algerien vorstellen? Wie hat es sich entwickelt?
Als erstes ging ich zur Forstbehörde und habe sie gefragt, ob ich den Wald bepflanzen könne - sie haben mich machen lassen. Ich habe einen älteren Mann gefunden, der zu den Bäumen geschaut und diese begossen hat, während ich in der Schweiz weilte. Wir haben uns so gegenseitig geholfen. Er hatte immer grosse Freude, wenn er dort gearbeitet hat. Leider ist der Mann vor kurzem verstorben und ich muss eine neue Person organisieren.
Eine solche Aufforstung braucht viel Fachwissen: über die Bäume, den Boden oder das Klima. Woher hast du dir dieses geholt?
Ich habe mir sehr lange überlegt, welche Baumarten ich pflanzen soll und mich dazu sehr intensiv mit der Literatur beschäftigt.
Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, dieses Projekt umzusetzen?
Das war zu Gymnasiumszeiten, ungefähr vor zehn Jahren. Ich war nicht zufrieden damit, nur in Algerien Bäume zu pflanzen. Mir geht es um mehr, nämlich darum, selber etwas zu tun. Deshalb ist mir auch die Idee gekommen, von mir gezogene Zimmerpflanzen zu verkaufen und das Geld in die Bäume in Algerien zu investieren. Zu diesen Zimmerpflanzen muss man nämlich Sorge tragen, man muss sich um sie kümmern: im Kleinen geht es um die einzelne Pflanze, im Grossen um die Natur als Ganzes. Es war mir auch wichtig, dieses Projekt möglichst nachhaltig zu gestalten. Ich habe dazu alles durchdacht und verwende torffreie Erde, sammle überall alte Töpfchen und wähle interessante Pflanzen, die man nicht überall erhält.
Du betreibst einen grossen Aufwand, obwohl dieselbe Waldfläche täglich hundertfach gerodet wird.
Ich bin mir bewusst: Eigentlich ist es ein Tropfen auf den heissen Stein. Aber es geht darum, seinen Teil zu leisten. Ich kann nicht genau sagen, wie viele Bäume ich über die Jahre gepflanzt habe. Es stehen aber sicher noch mehr als 300 Stück davon. Ich wollte schon immer etwas Gescheites machen und hoffe, dass der Tropfen langsam grösser wird. Deshalb habe ich auch den Verein gegründet, da es viele Probleme zu lösen gilt. Bäume sind eine Lösung für viele Umweltprobleme wie Luftqualität oder Desertifikation. Mein Ziel ist es, mindestens einen Hektar Wald in Algerien zu pflanzen.
Woher hast du diesen Drang, selber zu handeln?
In unserer Familie ist schon immer viel geholfen worden. Ich bin nicht einer, der lange redet, sondern lieber handelt. Wir reden seit Jahren über Umweltprobleme, aber du musst einfach etwas machen, einfach handeln, bevor es zu spät ist. Wenn jeder etwas machen würde, würde dies die Welt zwar nicht schlagartig verändern, aber sicher würde es helfen, dass es manchen etwas besser geht.
„Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, die Leute aufzuklären, sie zu bilden."
Du sagst es: Die meisten Leute sind untätig oder schaden der Umwelt mit ihrem Verhalten viel eher. Wie kann man sie dazu bringen, etwas für die Umwelt zu tun?
Das ist eine schwierige Frage. Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, die Leute aufzuklären, sie zu bilden; denn wie viele Leute haben noch immer keine Ahnung vom Klimawandel oder dementieren ihn sogar.
Aber wir wissen heute viel mehr über Umweltprobleme wie den Klimawandel als noch vor wenigen Jahren und trotzdem handeln wir nur sehr beschränkt.
Erst wenn die Masse handelt, verändert sich tatsächlich etwas. Aber auch die Politik muss handeln, weil sie den Prozess beschleunigen kann. Den Leuten das Wissen näher zu bringen, ist auch ein Ziel unserer Projekte. Mir ist vor allem wichtig, dass die neuen Generationen das Denken mitbekommen: Wenn du einen Baum pflanzt, dann pflanzt du den nicht für dich. Deshalb haben wir auch den Verein gegründet, denn mehrere Leute können zusammen viel mehr erreichen. Das Grandiose daran ist, dass im Verein so viele verschiedene Menschen mit so vielen verschiedenen Hintergründen und Wissensbereichen zusammenkommen.
Hast du denn schon weitere Projektideen für den Verein?
Desert Tree, also die Pflanzung von Bäumen in Algerien, ist ganz klar unser Hauptprojekt. Thematisch möchten wir uns vor allem dem Schutz der Wälder widmen. Wir unterstützen daher zum Beispiel auch das Dracula Forest Projekt des Botanischen Gartens der Universität Basel. In einem zukünftigen Projekt wollen wir in Tadschikistan Bäume pflanzen. Und Bienen! Bienen sind eines unserer nächsten grossen Projekte. Sie sind die wichtigsten Bestäuber in unseren Breitengraden, weshalb wir sie fördern möchten. Wir basteln dazu immer wieder Insektenhotels für Wildbienen. In Bosnien wollen wir zudem nächstes Jahr Bienenkästen aufstellen und Zwetschgen-Hochstammbäume pflanzen. In Algerien haben wir bereits zwei Bienenvölker ausgesetzt.
Achtest du neben diesen spannenden Projekten auch sonst in deinem Leben darauf, die Umwelt zu schonen?
Ich versuche, verzeihe den Begriff, nachhaltig zu leben – in meinen Konsumgewohnheiten und meinem Lebensstil. Ich weiss aber selber von mir, dass ich noch viel Verbesserungspotential habe. Zudem möchte ich auch einmal irgendwo im Bereich des Naturschutzes arbeiten. Umweltbildung finde ich zum Beispiel sehr spannend. Man kann sehr viel erreichen damit und bei den Leuten den ersten Dominostein anstossen.
Ein junger Verein für die Natur Der Verein Desert Tree setzt sich für nachhaltigen Umweltschutz durch eigene, übersichtliche Projekte mit dem Hauptaugenmerk auf dem Schutz und Erhalt von Wäldern ein. Mehr als 20 umweltbewusste junge Menschen haben den Verein am 5. Mai 2014 in Basel gegründet. Ihr Hauptprojekt ist die Aufforstung algerischer Wälder. Der Leitspruch des Projekts ist demnach auch die alte Weisheit: „Der beste Tag, um einen Baum zu pflanzen, war vor zwanzig Jahren. Der nächstbeste Tag ist heute.“ In den letzten Jahren hat Khalil Belaid bereits über 300 Bäume am Rand eines Waldes der Stadt Tiaret „Tor zur Wüste“ im Atlas-Gebirge im Nordwesten Algeriens gepflanzt. Das Emblem des Vereins ist die Atlas-Zeder, die nur in dieser Region heimisch ist. Khalil Belaids Balkon ist übersät von selbstgezogenen Zimmerpflanzen, die er zu Gunsten des Aufforstungsprojekts verkauft. Die Hauptaufgabe der aktiven Mitglieder ist es, bei Biotopneuschaffungen und Naturschutzprojekten mitzuhelfen. Zu den bisherigen Projekten zählen neben dem Aufforstungsprojekt die Mitarbeit am diesjährigen „Tag der Poesie“ in Basel und am Basler Umwelttag sowie die Begrünung der Dachterrasse eines Basler Restaurants. Jedes Vereinsmitglied verpflichtet sich, jedes Jahr ein neues Biotop zu schaffen, auch wenn dies nur darin besteht, einen Nistkasten aufzuhängen. „So bringen wir die Leute dazu, selbst zu handeln“, sagt Khalil Belaid. smo |
Weitere Informationen:
Webseite des Vereins Desert Tree
Webseite des Dracula Forest Projekts des Botanischen Gartens der Universität Basel
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