Giftige Maus von Pestiziden bedroht

07 Jan 2016
Wasserspitzmäuse Zeichnung Wasserspitzmäuse Zeichnung

Seit Montag trägt die Wasserspitzmaus den von Pronatura vergebenen Titel „Tier des Jahres". Eine tauchende Maus, die ihre Beute mit giftigem Biss lähmt. Doch die Maus und ihr Lebensraum sehen sich bedroht - hauptsächlich verursacht durch immense Verwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft.

Entlang kleiner bis mittlerer Wasserläufe, oftmals auch in stehenden Gewässern, sucht die Wasserspitzmaus (Neomys fodiens) nach Insekten, Krebsen, Muscheln und gelegentlich Jungfischen. Der Vielfrass ist rund 12 Stunden am Tag mit der Nahrungsmittelbeschaffung beschäftigt. Der Energieumsatz des geschäftigen Tieres verlangt es, dass es alltäglich sein eigenes Körpergewicht von 10 bis 20 Gramm an Nahrung zu sich nimmt.

Das dichte Fell, der als Ruder verwendete Borstenkiel über die ganze Länge der Schwanzunterseite sowie die Borsten an den Hinterfüssen verhelfen der Spitzmaus zu ihrer optimalen Anpassung an ein Leben unter Wasser. Mithilfe von unter der Zunge gelegenen Giftdrüsen lähmt die Spitzmaus ihre Beute. Bei Kleintieren wirkt die Dosis unmittelbar tödlich.

Die Wasserspitzmaus gehört somit zu den wenigen giftigen Säugetierarten in Europa. Obschon sie die Maus im Namen trägt, ist sie nicht näher mit ihr verwandt. Als Vertreter der Insektenfresser unterscheidet sie sich von den vorwiegend pflanzlich ernährenden Nagetieren und hat mehr mit Igel und Maulwurf gemeinsam.

Nach der Wahl zum „Tier des Jahres" durch Pronatura steht die Wasserspitzmaus und ihr Lebensraum unvermittelt im Fokus

Bedrängt durch Pestizide

Vor ihren natürlichen Feinden - Schleiereule, Reiher, dem Wiesel oder dem Fuchs - verbirgt sich die flinke Taucherin unter dichtem Bewuchs, unterspülten Bereichen, Baumwurzeln oder Steinblöcken. Vor den konzentrierten Pestizidwerten in den Gewässern gibt es jedoch keine Deckung. Die einst weit verbreitete Wassermaus findet sich so auf der schweizerischen Roten Liste der gefährdeten Arten wieder. Ihr weltweiter Bestand gilt als noch ungefährdet.

Laut Pronatura gelangen jährlich 2000 Tonnen sogenannter Pflanzenschutzmittel von Äckern, Wiesen, Weinreben und Obstplantagen in die Gewässer. Insbesondere die kleineren Fliessgewässer sind von dieser Belastung betroffen, zuweilen findet sich darin ein vielfältiger Pestizidcocktail mit besorgniserregenden Schadstoffkonzentrationen. Die Naturschutzorganisation ruft deshalb mit der Wahl der Bachbewohnerin zum „Tier des Jahres" auch für verstärkten Schutz der Gewässer und ihrer Ufer auf.

Landwirte in die Verantwortung nehmen

Seit sich die Wasserqualität der Oberflächengewässer seit den 1970er-Jahren stark verbessert hat, stellt der Eintrag von Mikroverunreinigungen die hauptsächliche Gefährdung gerade für die mittleren Fliessgewässer dar. In die Bäche gespülte Dünger und Pestizidmittel der Bauern in Kombination mit verdünntem Abwasser aus Reinigungsanlagen, Industrie und Gewerbe führen teilweise zu einer Pestiziddiversität von über 100 verschiedenen Stoffen. Bei einer Kontrolle des Eawag (Wasserforschungsinstitut der ETH) von 2014, verletzten 31 Substanzen den Grenzwert der Gewässerschutzverordnung.

Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) entdeckte bei Untersuchungen der letzten Jahre immer wieder Insektizide auf Getreide- und Kartoffeläckern, die nicht zugelassen waren. Zudem stellte das BAFU in einer Studie den doppelten Verbrauch von Pflanzenschutzmittel der Schweizer Landwirte gegenüber ihren Berufskollegen in Deutschland und Österreich fest. Der Bauernverband jedoch lehnt schärfere Auflagen im Umgang mit Pestiziden ab und fürchtet um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bauern.

Wollen wir die Lebensräume der Wasserspitzmaus sowie zahlreicher anderer Arten erhalten, müssen die Verordnungen des Gewässerschutzes künftig zwingend eingehalten werden. Den Landwirten kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Mit veränderten Konsumgewohnheiten, beispielsweise mit dem Kauf biologisch hergestellter Lebensmittel, können wir sie dabei unterstützen.


Grosser Winzling: Spitzmäuse zählen zu den kleinsten Säugetieren der Welt. Mit 6 bis 10 Zentimetern Körperlänge (ohne Schwanz) ist die Wasserspitzmaus jedoch die grösste der elf Spitzmausarten der Schweiz.
Unersättlich: Wasserspitzmäuse fressen täglich in etwa gleich viel, wie sie wiegen (10 bis 20 Gramm). Sie sind rund 12 Stunden am Tag mit der Futtersuche beschäftigt.
1 Gramm: So «schwer» sind Wasserspitzmäuse bei ihrer Geburt.
Giftig (nicht für den Menschen): Das Gift ihrer Kieferspeicheldrüsen bewirkt beim Menschen nur eine Hautirritation, auf die Beutetiere der Wasserspitzmaus hingegen wirkt es lähmend oder gar tödlich.
Tauchanzug: Nässe und Kälte werden beim Tauchgang durch einen Luftfilm von der Haut ferngehalten. Möglich machts unter anderem der H-förmige Querschnitt der Deckhaare.
Schrumpfkopf: Um Energie zu sparen, schrumpfen vor Wintereinbruch die Schädelkapsel und die meisten inneren Organe vieler Spitzmäuse. Auch die Wasserspitzmaus beherrscht diesen Trick.
Quelle: Pronatura

Weitere Informationen:
Pronatura
Studie
BAFU
Vision Landwirtschaft

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