Hoffnungsschimmer für Urwald in Polen

27 Nov 2017
Der naturbelassene Bialowieza Urwald bietet dem bedrohten Wisent einen geeigneten Lebensraum. Der naturbelassene Bialowieza Urwald bietet dem bedrohten Wisent einen geeigneten Lebensraum.

Ein Lichtblick für einen der letzten Urwälder Europas: Polen hat den Holzschlag im Bialowieza Urwald abgebrochen, nachdem der Europäische Gerichtshof mit Zwangszahlungen gedroht hatte.

Im Osten Polens erstreckt sich der Bialowieza Urwald bis über die Grenze nach Weissrussland. Die Wälder der UNESCO Weltnaturerbstätte zählen zu den unberührtesten und artenreichsten Flachlandwäldern Europas. Rund 20‘000 Tierarten leben in dieser einzigartigen Wildnis, darunter auch der Wisent - der grösste Säuger des Europäischen Festlands. Der Wald von Bialowieza gilt als eines der letzten Rückzugsgebiete dieses Grosssäugers, der einst auf dem gesamten Kontinent verbreitet war. Schätzungsweise leben heute noch 300 Tiere auf der Polnischen Seite des Waldes und rund 500 auf Weissrussischem Gebiet.

Auch unzählige Vögel – bis zu 250 Arten – sind in diesem Waldgebiet zuhause. Dank seinem hohen Anteil alter Bäume und Totholz birgt der Bialowieza Urwald eine enorme Artenvielfalt und ist nicht zuletzt deswegen besonders schützenswert.

Abholzung droht den einzigartigen Wald zu zerstören

Der weissrussische Teil des Waldes steht erfreulicherweise komplett unter Naturschutz. Auf dem polnischen Gebiet sieht die Lage allerdings weniger gut aus: Hier ist nur ein kleiner Teil des gesamthaft 150‘000 Hektar umfassenden Waldstücks geschützt. Seit längerer Zeit sind in den ungeschützten Teilen Fällarbeiten erlaubt. Die polnische Regierung verdreifachte 2016 die für den Holzschlag freigegebene Holzmenge.

Diese Nachricht erzürnte Naturschützer in ganz Europa, da der fortschreitende Holzschlag eines der letzten grossen Naturparadiese Europas zu zerstören droht. Obwohl die Abholzung nur ausserhalb des Nationalparks stattfinden sollte, wird befürchtet, dass sie den Urwald als zusammenhängendes Ökosystem gefährden. Seither kam es vermehrt zu Protesten gegen die Abholzung des Bialowieza-Urwalds, die zum Teil gewaltsam von der polnischen Polizei aufgelöst wurden.

Ausreden des polnischen Umweltministeriums

Auch für die EU-Kommission war die angekündigte Erhöhung des Holzschlags nicht akzeptabel. Deshalb ordneten die höchsten Richter der EU in einem Eilverfahren bereits im Juli dieses Jahres einen sofortigen Abholzungsstopp in Polen an. Dort wurde diese Verordnung schlicht ignoriert und die Rodungen wurden fortgesetzt. Die polnische Regierung verteidigte die Fällarbeiten, da sie offenbar der Bekämpfung des Borkenkäfers dienen sollten. Allerdings lagen nie genaue Informationen zu durch den Borkenkäfer verursachten Schäden vor. Zudem wurde die Rinde der geschlagenen Bäume nicht verbrannt, sodass sich der Borkenkäfer im Falle einer echten Plage problemlos hätte weiter ausbreiten können. Das Argument der polnischen Regierung schien also nur ein Vorwand zu sein, um die Abholzung fortzusetzen.

Europäischer Gerichtshof zwingt Polen zum sofortigen Stopp der Abholzung

Nun ist es der EU in einem zweiten Anlauf endlich gelungen, die Abholzung des Bialowieza-Urwalds zu stoppen. Die Anweisung des Europäischen Gerichtshofs – und vor allem die angedrohte Zwangsbusse von mindestens 100‘000 Euro pro Tag Verzögerung - zeigte Wirkung. Seit mehr als einer Woche schweigen die Motorsägen und Forstmaschinen wieder.

Dennoch dürfte die polnische Regierung einen Weg finden, die umstrittene Abholzung fortzusetzen. Denn ein Hintertürchen in der EU Verordnung erlaubt Holzfällungen, falls die öffentliche Sicherheit dies erfordert - zum Beispiel entlang von Wanderwegen. Das Forstamt will nun diese Schwachstelle ausnützen und plant, Gebiete zu definieren, in denen Bäume aus Sicherheitsgründen gefällt werden müssen.

Besorgniserregend ist auch die Aussage des polnischen Umweltministers Jan Szyszko, dass Polen sich wie früher an die EU-Beschlüsse zum Holzschlag im Bialowieza-Urwald halten werde. Naja, dies hat bisher so gut wie gar nicht funktioniert. Deshalb kann man nur hoffen, dass die Fällarbeiten nicht schon bald wieder aufgenommen werden. Die polnische Regierung sieht den Urwald als wertvolle Holzquelle und ignoriert seinen ökologischen Wert.

Weitere Abholzungen in Europas letztem grossen Urwald und die Zerstörung der ursprünglichen Lebensräume kämen einer ökologischen Katastrophe gleich. Europa kann dies nicht zulassen. Ansonsten wären jegliche Aufforderungen zum Schutz der Urwälder in ärmeren Ländern wie Brasilien oder Indonesien lächerlich. Nur wenn die EU es schafft, den Bialowieza Urwald langfristig zu schützen, kann sie die unglaubliche Biodiversität in diesem Wald erhalten und gleichzeitig ihr Gesicht wahren.


Weiterführende Informationen:
Abholzung im Bialowieza-Urwald 
Bialowieza Nationalpark

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